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Amazing Stories: Das erste Science-Fiction-Magazin


Letztes Jahr hatte ich Weird Tales vorgestellt, das berühmte Pulp-Magazin aus dem Jahr 1923, für das heute so bekannte Autoren wie Robert E. Howard (Conan), Clark Ashton Smith (Des Magiers Wiederkehr) oder H.P. Lovecraft (Das Ding auf der Schwelle) schrieben. Vor allem in Amerika boomten die kleinen Heftchen für 25 Cents, die nach dem holzhaltigen Papier "wood pulp" benannt wurden. Sie waren ein unerschöpflicher Quell der Inspiration für Literatur, TV-Serien, Filme und natürlich Spiele.


Amazing Stories, Vol. 1, April 1926, Frank R. Paul, gemeinfrei.

Während sich in Weird Tales noch Fantasy, Horror und Science-Fiction mischten, sollte es für Letztere bald ein eigenes Magazin geben: Amazing Stories. Das erschien zum ersten Mal am 10. März 1926, wobei sich Herausgeber Hugo Gernsback (1884-1967) und Chefredakteur T. O'Conor Sloane (1851-1940) zunächst auf Nachdrucke von Klassikern konzentrierten, bevor sie eine literarische Heimat für das Who is Who der Science-Fiction etablierten.


Die meisten kennen vermutlich eher den aus Luxemburg stammenden Verleger aufgrund seines Vornamens, denn der Hugo-Award ist ja die Abkürzung für den Science Fiction Achievement Award, der seit 1953 vergeben wird. 2022 gewann ihn Arkady Martin mit A Desolation Called Peace, dem Folgeroman der ins Deutsche übersetzten Space Opera Im Herzen des Imperiums, der mich allerdings nicht so begeistern konnte.


T. O'Conor Sloane, 1920, gemeinfrei.

Aber auch ein Blick auf den kaum bekannten Sloane lohnt sich: Der New Yorker war ein sehr talentierter Naturwissenschaftler, hat 1892 u.a. ein Standardwörterbuch der Elektrizität verfasst, für die Encyclopædia Britannica geschrieben - und gerne experimentiert sowie gespielt: von ihm stammt Electric Toy Making for Amateurs von 1914. Er sollte bald schon sehr interessante Autoren für Amazing Stories gewinnen und das Profil des Magazins mit seiner Auswahl bis in die 30er prägen.


Man darf dabei nicht vergessen, dass diese Billig-Magazine nicht nur für das literarische Establishment als Schund galten. Auch die Science-Fiction oder gar Wissenschaft als Inspiration für Abenteuer-Geschichten zu nutzen, war an Unis nicht gerade respektabel. Umso größer der Verdienst des Magazins, dass man so einige Autoren angesichts des Risikos auch überzeugen konnte, wobei man dazu sagen muss, dass nicht wenige ein Pseudonym wählten. Umso beeindruckender war der Mut von Clare Winger Harris (1891-1968), die als eine der ersten Frauen unter ihrem Namen Science-Fiction schrieb, in der es häufig um Cyborgs ging. Sie debütierte zwar in Weird Tales, aber wurde eine der Lieblingsautoren von Gernsback und Sloane.


Die Liste der Schriftsteller, die für Amazing Stories schrieben und später berühmt wurden, ist unglaublich lang. Dazu gehört John W. Campbell, aus dessen Horror-Arktis in Who Goes There? später The Thing im Kino wurde. Dazu Neil R. Jones, der mit seinen Kurzgeschichten über Professor Jameson auch Isaac Asimov und Frederik Pohl inspirierte. Edmond Hamilton war dabei, dem wir Captain Future zu verdanken haben. Das erste Buck Rogers von Phillip Francis Nowlan feierte unter Sloane ebenso seine Premiere wie die erste offizielle Space Opera namens The Skylark of Space von E. E. Smith. Und auch H.P. Lovecraft, der ebenfalls für Weird Tales schrieb, war mit The Colour Out of Space dabei, wo ein Meteorit in Arkham für seltsame Todesfälle sorgt; diese Geschichte diente übrigens als Inspiration für den DLC The Color of Madness von Darkest Dungeon.


Amazing Stories, Juni 1947, Robert Gibson Jones, gemeinfrei.

An dieser Stelle könnte man sich endlos in all den Premieren verlieren, all die geheimen Schätze bergen, die in den Ausgaben dieses stecken. Und natürlich haben noch viele andere dieses Magazin geprägt, darunter große Namen von Ray Bradbury über Arthur C. Clarke bis hinzu George R. R. Martin, der übrigens wunderbare Science-Fiction geschrieben hat. Amazing Stories hatte natürlich immer wieder zu kämpfen, schwankte und wurde umstrukturiert, von gedruckt auf digital und zurück. Nicht nur die Geschichten, auch die über die Cover vermittelte Atmosphäre des Wunderlichen und Faszinierenden konnte sich bis heute einprägen, natürlich mit vielen künstlerischen Änderungen.


Aber vielleicht war einer der kostbarsten Schätze diese Entwicklung aus dem Nichts hin zu einer Community aus Abenteuer-Fans, aus Autoren und Lesern, die für all ihre galaktischen Sehnsüchte ein Zuhause hatten. Das letzte Lebenszeichen von Amazing Stories abseits der letzten Printversion von 2018 war die gleichnamige, von Steven Spielberg produzierte TV-Serie (Unglaubliche Geschichten), deren erste Staffel 2020 bei Apple+ ausgestrahlt wurde.


PS: Das erste Fantasy-Magazin der Welt war übrigens nicht Weird Tales von 1923, sondern Der Orchideengarten - Phantastische Blätter, der bereits 1919 in Deuschland veröffentlicht wurde. Aber das ist eine andere Geschichte.


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