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Flaschenpost #101: Der Zeitgeist flieht ins Dungeon

Autorenbild: Jörg LuiblJörg Luibl

Egal wie viele Daten gesammelt werden: der Zeitgeist lässt sich nicht rekonstruieren. Er kommt und geht, ist für Jahre spürbar, aber verflüchtigt sich plötzlich wie ein Frühlingswind. Er besteht aus mehr als nur Fakten, geht über Ereignisse und Erlebtes hinaus. Im Rückblick ist er vielleicht durch die Sprache, Mode, Architektur, Musik, Bücher, Spiele und Malerei einer Epoche erkenn- und benennbar.


Aber sie liefern nur punktuelle Ausdrücke aus einem komplexen gesellschaftlichen Netz, gewoben aus zig individuellen und kollektiven Erlebnissen, die nur zu einer bestimmten Zeit eine Mischung aus Gefühlen und Gedanken, aus Abneigung und Anziehung auslösen, die sich in Kunst und Kultur ausdrückt. Dazu gehört auch die Faszination über Spiele, die man vielleicht nur einmal wirklich erleben kann...


Kapitän Nemo nimmt den Höhenstand der Sonne auf, Alphonse de Neuville und Édouard Riou, gemeinfrei, 1869.

Falls ihr mal eine Folge verpasst habt oder erst kürzlich an Bord gekommen seid, findet ihr auf Steady eine sortierte Übersicht unter Newsletter. Wenn ich ehrlich bin, war ich mir bei diesem Format nicht ganz sicher, zumal ein Ex-Kollege mich damals warnte: Wenn du damit anfängst, kannst du nicht so einfach aufhören - die Leute werden immer etwas im Posteingang erwarten...


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23 Comments


o.moerle
May 27, 2024

Ich finde die Einschätzung, dass Spiele oder das Spielerlebnis früher besser waren, ist allenfalls durch eine stark getönte Nostalgiebrille plausibel. Das Gefühl etwas zum ersten Mal zu erleben, lässt sich eben auch durch objektiv bessere Auslöser kaum reproduzieren. So kann man schon mit einigem Recht behaupten, dass das letzte Prey dem ursprünglichen System Shock in allen Bereichen überlegen ist. Und es lassen sich hier für eigentlich alle Genres ähnliche Beispiele finden. Vielleicht mit Ausnahme von Point and Click Adventures und RTS...

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kaffeetrinker04
May 29, 2024
Replying to

Sehe ich auch so.

Rückblickend betrachtet waren augenscheinlich Erst-Erlebnisse immer die besten.

Mein erster eigener Fernseher, mein erstes eigenes Auto, meine erste eigene Stereoanlage, das waren alles aha-Erlebnisse und subjektiv das tollste.

Objektiv betrachtet war aber alles danach besser, die TV‘s, die Audioanlagen und die Fahrzeuge wurden im Laufe der Zeit freilich besser und nicht schlechter.

Genauso ist es mit Videospielen. Die ersten von mir erlebten Videospiele vor dem heimischen Monitor/TV waren Revolution, die meisten danach Evolution.

Aber waren sie deshalb „schlechter“? Auf keinen Fall.

Der Mensch strebt danach, ein einmal erlebtes Gefühl höchsten Glückes wieder und wieder zu erreichen, aber das ist wissenschaftlich untersucht und erwiesenermaßen nicht möglich, aber das Streben danach ist einer der sichersten Wege, um unglücklich…

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bronto
bronto
May 25, 2024

Viele kluge Kommentare hier, ich kann mich nur anschließen. Auch deinem Brief natürlich, Jörg.


Es stimmt, dieses Exotische von damals, dieses Aussergewöhnliche, das wird so schnell nicht mehr kommen, vielleicht irgendwann mal mit Virtueller Realität ? Wahrscheinlich nicht mal da, weil damals einfach dieser epochale Übergang vom Analogen zum Digitalen stattfand. Ähnlich vom Erzählten zum selbst gelesenen Buch, nur rascher. Deshalb erst wieder mit richtiger VR vom Digitalen zum simulierten und damit erlebten Analogen? Cyberpunk…


Wenn ich daran denke, dass ich extra mit dem Fahrrad zu Freunden gepilgert bin die eine Konsole besessen haben. Mortal Kombat für zu Hause war ein Erlebnis.

Oder die halb offene Welt eines Ocarina of Time war von der Atmosphäre her ein Meilenstein. Natürlich auch…

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Olaf
Olaf
May 24, 2024

Die Technik verdrängt die Magie zwischen den Zeilen.


Man muss sich gar nichts mehr selber vorstellen (*FromSoft ausgenommen*), sondern kriegt gleich die doppelte Farbenpracht der Realität reingedrückt ohne Platz für geistige Abschweifungen. Wenn zusätzlich Pfeile führen und zufallsgenerierte Lootlawinen ins Tal donnern, sitzt man am Medienfliessband, wo das meiste an einem vorbeirauscht, vom Band fällt und man selber vor Eindrücken platzt, bis man gar nicht mehr in der Lage die wirklich guten Dinge zu schätzen, weil man bereits satt vom mittelmässigen Brei ist.

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Sven
Sven
May 24, 2024
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Es stimmt einfach. Man mag uns FromSoft "Jünger" für verblendet und mittlerweile ständig predigend halten. Aber deshalb ist es nicht weniger wahr. FromSoft hat dem Medium etwas (zurück-)gegeben, was es einfach nicht noch mal in der Gegenwart gibt. Man kann ihren Impact nicht hochgenug einschätzen.

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Xris
Xris
May 24, 2024

Aktuell auf den Konsolen erschienen ist ja System Shock. In vielerlei Hinsicht damals wegweisend. Heute, trotz des meiner Ansicht nach sehr guten Remakes,die Faszination daran schwierig nachzuvollziehen. Für damalige Verhältnisse (1994!) dürfte alleine schon die Sprachausgabe ein Highlite gewesen sein. Und ich glaube SH war auch das erste Spiel das eine Geschichte quasi in Game mit Notizen und Co erzählt und der erste Shooter der RPG und Adventure Elemente vereinte.


Ich meine mich zu erinnern, das Levine Vor zig Jahren einmal sagte, das es in den 90zigern eigentlich zu früh für System Shock gewesen ist. Die VKZ waren nicht so toll, viele Spieler (die vermutlich eher einen typischen Shooter erwartet hatten) wussten nichts damit anzufangen. Unter Umständen auch mit ein…


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Jörg Luibl
Jörg Luibl
May 25, 2024
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Ja, System Shock war dieser Frühlingswind, innovativ und vielfältig. Es hatte sich schon in viele Richtungen geöffnet - der zweite Teil hatte dann noch mehr Rollenspiel intus, so viel, dass er 1999 bei einigen Magazinen zum RPG des Jahres gewählt wurde. Auf die Enhanced Edition der Nightdive Studios freu ich mich auch sehr.

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godsinhisheaven
godsinhisheaven
May 24, 2024

Ein wahrlich schöner und richtiger Kommentar. Wenn ich alleine meine Lieblingsreihen mit kleinen Schreinen in der Schrankwand nehme, kann mich glücklich schätzen diese originalgetreu erlebt zu haben. Das Original Zelda auf dem NES sowie Street Fighter II auf dem Super Nintendo und Final Fantasy VII auf der Playsi habe ich werksgetreu bestaunt. Letztlich wurmt mich nur, dass Shadow of the Colossus an mir vorbei gegangen ist trotz der Empfehlung eines Kumpels. Ich konnte aber auf einer Party gar nicht erfassen wovon er mir da vorgeschwärmt hat. So etwas gab es ja noch nicht.


Dennoch ist es tatsächlich etwas anderes wenn man Ocarina of Time, Resident Evil II, Golden Eye oder Metal Gear Solid zum Erscheinen erlebt hat, so etwas ist…

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Jörg Luibl
Jörg Luibl
May 25, 2024
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Wenn einen neue Spiele, nach all diesen Erfahrungen und trotz der Hürde, dass kaum neue Genres oder Spielarten erfunden werden können, noch in Staunen versetzen können, hat man auf jeden Fall das richtige Hobby.;)

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