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Rezension: Bloodborne (Brettspiel)

Wenn man eine Umfrage machen würde, welches Soulsabenteuer den ästhetisch stärksten Eindruck hinterlassen hat, würde Bloodborne (2015) vermutlich gewinnen. Die Welt von Yharnam konnte sich mit ihren viktorianischen Fassaden und gotischen Kathedralen, mit ihren markanten Bestien und vor allem dem Horror in den Gassen regelrecht einbrennen. Sechs Jahre nach dem Debüt auf PlayStation 4 erschien Bloodborne: Das Brettspiel, das sich fast gnadenlos an die Vorlage hält.


Herzlich willkommen in Yharnam!

Ein bis vier Spieler dürfen sich an ein knallhartes kooperatives Abenteuer wagen, das sich theoretisch über vier Kampagnen erstreckt. Die sind so verbunden, dass durchaus ein episches Erlebnis entstehen kann. Überschriften wie schleichender Wahnsinn oder Geheimnisse der Kirche deuten schon einige der Themen an, in denen es um verborgene Kulte und apokalyptischen Schrecken geht.

Wer Lust auf Horror für einige Wochen hat, kann den Fortschritt übrigens über ein simples Verstauen der Karten speichern. Auf jeden Fall erlebt man dank einiger stimmungsvoller, komplett ins Deutsche übersetzter Texte eine zusammenhängende Geschichte, die in groben Zügen die Story des Videospiels nachahmt und ein Abenteuer mit der Betonung auf Kampf inszeniert.


Bloodborne ist für 1 - 4 Spieler komplett auf Deutsch bei CMON erschienen und kostet etwa 85 Euro.

Aber Vorsicht: Falls ihr keine erfahrene Gruppe habt, werdet ihr nicht über die ersten Missionen hinaus kommen. Außerdem werden sich einige vielleicht beschweren und anmerken, dass das alles recht selbstmörderisch ist, dass man ja fast nur kämpft und stirbt, während man verzweifelt versucht, stärker zu werden. Tja, herzlich willkommen in Yharnam!

Ihr kennt diese vom Blut verfluchte Stadt nicht? Dann ist dieses Brettspiel höchstwahrscheinlich ungeeignet. Denn um dieses Abenteuer wirklich zu mögen, sollte man jenes von FromSoftware schätzen. Selbst Freunden von Horror und Kampf würde ich Bloodborne nur empfehlen, wenn sie Vielspieler sind und Titel wie Arkham Horror oder Doom richtig gerne und oft zocken.

Dieses Bloodborne wirkt oberflächlich betrachtet wie eine Mischung der beiden Prinzipien, es ist kooperativ und aggressiv, kampflastig und redundant. Wer jedoch das Konsolen-Abenteuer kennt, wird vielleicht nachvollziehen, warum Eric M. Lang und Michael Shinall hier nicht nur für visuell prächtige Déjà-vus sorgen, sondern warum sie wesentliche Merkmale der Atmosphäre nachahmen können.

Und dazu gehört ja der Zwang zur Wiederholung, der bekanntlich Freud und Leid bedeuten kann. Tja, in meiner Gruppe überwog Letzteres, so dass ich schließlich alleine losgezogen bin. Wenn man solo spielt, gibt es übrigens nur wenige Modifizierungen, so dass das Spielgefühl sehr ähnlich ist. Ich würde sogar sagen, die Einsamkeit passt viel besser zu diesem Bloodborne.


Die lange Jagd


Die erste Kampagne, die auch ich zum Start empfehlen würde, nennt sich „Die lange Jagd“. Sie läuft wie die anderen über drei Kapitel und besteht aus 60 nummerierten Karten. Es geht darum, den Ursprung der Seuchenbestien zu finden, die in letzter Zeit vermehrt die Stadt unsicher machen. Und natürlich lauert irgendwo in diesem Stapel ein fürchterlicher Boss wie etwa der mutierte Pater Gascoigne. Aber der taucht nicht einfach so auf, dafür müssen Missionen und Voraussetzungen erfüllt werden.

Die Miniaturen sehen übrigens sehr gut aus, entsprechen stilistisch weitgehend ihren digitalen Vorbildern und gehören zu den besser skulpturierten innerhalb der Brettspielwelt: Neben vier Jägern sind sieben Arten von Monstern enthalten, darunter Kirchendiener und Bestienpatienten, Dorfjäger und Riesen. Hinzu kommen Bosse in normaler sowie verwandelter Gestalt, darunter auch Vikarin Amelia. In ihrem dämonischen Schatten wirkt die eigene Figur wie ein Zwerg.

Zu Beginn sieht es jedoch noch fast viktorianisch gemütlich aus, wenn man seinen Jäger in das Startgebiet mit der lila glimmenden Lampe stellt. In der Einführung zur Story erfährt man, dass man auf dem Weg durch Zentral-Yharnam so viele Bestien wie möglich vernichten und möglichst Überlebende befragen sowie retten soll. Gerade diese kleinen Begegnungen sorgen auch später immer wieder für etwas Rollenspielflair.

Aufdecken und fürchten


Die Regie einer Kampagne ist letztlich linear auf einen Höhepunkt ausgerichtet, aber sie erinnert auch ein wenig an die offene Struktur eines Abenteuer-Spielbuchs: Je nachdem, welchen Ort man erreicht, wird eine andere der nummerierten Karten aufgedeckt und vorgelesen. Sobald man zur Hoflampe kommt, sieht man z.B. den ersten Scheiterhaufen, auf dem der Kadaver einer Bestie brennt.

Und bevor man sich versieht, werden aus den herum stehenden Schaulustigen plötzlich aggressive Feinde. Denn neben grotesken Monstern trifft man in Bloodborne auch auf brutale Mobs aus Einwohnern, die wie Zombies mit Laternen durch die Gassen schlurfen. Kann man sie besiegen, darf man ein weiteres Kartenteil aufdecken.


Vier Jäger mit anderen Trickwaffen stehen zur Wahl.

Dieses modulare Prinzip lässt langsam ein Areal aus fünf bis sieben Orten entstehen, die auf den quadratischen Teilen ansehnlich illustriert sind, von Gräbern und Kapellen bis hin zu Wohnhäusern mit vergitterten Fenstern. Während einer Mission kann man sowohl auf kleine Quests wie die Rettung von Geflüchteten als auch Nichtspielercharaktere wie z.B. Iosefka, Eileen die Krähe oder andere Jäger treffen, die einem meist feindlich gesinnt sind.


Nicht nur diese Namen sorgen für angenehme Déjà-vus: Wenn man an Türen klopft und z.B. für eine verzweifelte alte Dame eine sichere Bleibe oder dringend Patienten für ein Gegenmittel finden soll, wird man umgehend an die Erkundungen auf der PlayStation 4 erinnert. Im Vergleich zu epischen Rollenspielen sind das nur einige Momente, aber vor allem Kenner des Videospiels werden mit ihnen in düsterer Nostalgie schwelgen können.

Tod und Kampf

Aber die Erinnerung an Bloodborne wird ja vor allem geprägt von Tod und Kampf, von der ewigen Schleife aus Blut, die auch auf dem Tisch die zentrale Rolle spielt. Es geht also nicht so sehr um Rätsel und Geheimnisse, wie etwa in Villen des Wahnsinns, sondern um Gefechte. Die kommen ohne Würfel aus, denn man agiert mit drei Handkarten, die man aus seinem Deck aus zwölf zieht, in dem sich zunächst nur grundlegende Manöver und Fähigkeiten befinden.


Es läuft natürlich darauf hinaus, dass man weitere Karten gewinnen muss, um sie gegen weniger gute einzutauschen. Das Zauberwort heißt Blutechos: Das ist die Beute für einen Sieg und gleichzeitig die Währung für den Handel. Damit kann man sich im Traum des Jägers, einer Art Nexus zum Heilen und Ausrüsten, weitere Handkarten kaufen, um über viele Kapitel ein möglichst effizientes Dutzend zu erstellen.


Zwei Jäger im Angesicht einer Bestie, aber nur einer ist im direkten Konflikt.

Aber bis dahin ist es ein weiter Weg, denn nahezu jeder Kampf bringt einen ins Schwitzen, zumal man bei einem Tod zwar theoretisch endlos wiederbelebt wird, aber alle Blutechos verliert - das Videospiel lässt grüßen. Jedes Kapitel besteht aus drei Typen von Feinden sowie Arealen, darunter einige bekannte Orte aus dem Videospiel, wie etwa die Oedon-Kapelle oder Iosefkas Klinik. Richtig haarig wird es, wenn eine Karte für die berüchtigten Nebelwände sorgt. Dann wird ein Areal quasi hermetisch abgeriegelt und meist wartet ein Duell gegen einen Zwischenboss oder Schlimmeres.


Die Macht des Blutmondes


Noch etwas sorgt für richtig Druck: Denn praktisch ist man nicht unsterblich, weil ein Game Over droht, wenn der Blutmond komplett die Nacht erhellt. Und das geht schneller als man ahnt. Jedesmal, wenn man den Traum des Jägers aufsucht, entweder unfreiwillig, weil man gestorben ist, oder freiwillig, weil man sich heilen und aufrüsten will, rückt der Marker für den Blutmond vor.


Pro Kapitel gibt es nur fünfzehn Positionen bis zur vollen Größe, wobei er in drei bösen Zwischenstufen dafür sorgt, dass Monster neu auftauchen und Bosse geheilt werden. Spätestens hier werden Brettspieler ohne Vorkenntnisse merken, wie unbarmherzig der Rhythmus ist. Man hat kaum eine Verschnaufpause, ist quasi dauernd verletzt oder halbtot und muss unheimlich darauf achten, wann man sich heilt und aufrüstet. Das ist kein Spiel für gemütliche Erkunder.

Trickwaffen mit zwei Seiten


Aber nicht nur diese gnadenlose Dramaturgie erinnert an das Videospiel, auch das Kampfsystem. Und genau das ist neben all den stimmungsvollen Déjà-vus auch eine Stärke, die mich trotz einiger Rückschläge zum Weiterspielen animiert hat. Zum einen wird das Prinzip der Trickwaffen aus Bloodborne, die sich ja auf Knopfdruck verwandeln konnten, überraschend gut simuliert.


Die Waffenkarte mit den drei Manövern, auf die man noch Attributkarten legen kann.

Denn jeder der vier wählbaren Jäger besitzt eine Waffenkarte, die ihn entweder mit der Jägeraxt, dem Sägehackebeil, Ludwigs Heiliger Klinge oder dem Gewundenen Stock zeigt. Darauf sind wiederum drei Manöver in drei Geschwindigkeiten dargestellt. Beim Gewundenen Stock z.B. ganz links der temporeiche Schnellschritt, daneben ein etwas langsamer Hieb und schließlich der behäbige tödliche Stoß.

Dieses Tempo bestimmt natürlich die Reihenfolge der Treffer gegen Monster, so dass der späte Todeshieb im wahrsten Sinne des Wortes den eigenen einleiten kann, wenn die Klaue des Monsters vorher trifft. Man kann auch gleichzeitig sterben. Der Clou besteht aber darin, dass die Waffenkarten doppelseitig bedruckt sind und man sie einfach umdrehen kann. So wird quasi die Transformation der Waffe simuliert, denn auf der anderen Seite gibt es andere Manöver.


Und plötzlich kann man mit dem Gewundenen Stock peitschen und schinden, zwar nicht mehr schwer treffen, aber dafür schneller und öfter. Je nach Feind und Situation kann das nützlicher sein. Jede Waffe hat sechs Manöver sowie einzigartige Nebeneffekte, wenn man auf spezielle Art kämpft, so dass man zusätzlichen Schaden zufügen kann. Nur wenn man all das auch ausnutzt, hat man eine Chance.

Die heilende Offensive

Noch etwas ist in diesem Zusammenhang gelungen: Die Kombination dieser Waffeneigenschaften mit den erwähnten Handkarten, die Attribute wie Ausdauer, Geschick, Stärke und Vitalität symbolisieren können. Jedes dieser drei Manöver lässt sich durch diese ergänzen - und genau so wird auch das Kampfsystem des Videospiels wunderbar eingefangen, das ja nicht wie Dark Souls auch die taktische Defensive samt Schild, sondern vor allem die Offensive samt Kontern belohnte, sogar in Form von Heilung. Man musste quasi in den Gegner rein.

Der ist schlimmer als Skeletor...

Und neben mehr Schaden, Ausweichen, Unterbrechen oder Nachziehen können die Handkarten auch hier für den Gewinn von Lebenspunkten sorgen - man heilt sich also auch hier im Kampf. Aber dafür muss man wie erwähnt auch sein Deck weiter füllen. Die Spannung lebt natürlich auch ein klein wenig von der Zufallskomponente der eigenen Hand. Außerdem schlagen die Monster ebenfalls ungewiss zu, indem man aus ihrem Kartenstapel entweder Standard, Fähigkeit oder Spezial aufdeckt.


Aber weil der nur aus sechs Karten mit diesen drei Manövern besteht, kann man auch ein wenig vorausplanen: Wenn man z.B. weiß, dass der Feind schon die beiden Spezialattacken verbraucht hat, weiß man mit einem Blick auf seine Monsterkarte auch, was einem in der nächsten Runde erspart bleibt bzw. was einen erwarten könnte. Für mich fängt dieses Kampfsystem das Echtzeitvorbild überraschend gut ein. Leider ist man bei den Bosskämpfen nicht besonders innovativ, es gibt keine speziellen Arenen oder Manöver und man erhöht den Anspruch lediglich durch eine zweite Phase, in der nach einer möglichen Verwandlung auch andere Manöver eingesetzt werden. Und die Chance, diese beim ersten Mal zu überleben, ist relativ gering.


Die Miniaturen können sich sehen lassen.

Dieses Bloodborne ist auch nichts für Geländetaktiker oder Deckungsfüchse, denn innerhalb der Areale gibt es bis auf erzählerische Anekdoten kaum spielerische Interaktionen, also selten Türen, Hindernisse oder Mechaniken; außerdem geht es fast immer um Nahkämpfe, denn selbst die Schusswaffen zielen auf kurze Distanz. Man kann lediglich seine Bewegung nutzen, um Monsterwege zu beeinflussen, aber eigentlich wird man fast immer umzingelt.


Militärische Tabletop- und Squad-Taktiker werden hier also nicht auf ihre Kosten kommen, man erreicht im Kampf auch nicht die Vielseitigkeit eines Gloomhaven. Bloodborne richtet sich aber ebenfalls an geduldige Tüftler, die das Deck ihres Jägers langsam verbessern und nützliche Ausrüstung sammeln wollen, darunter einige Runen und Artefakte mit permanenten Boni, die den Kampf weiter modifizieren. An Verbrauchsgegenständen gibt es die aus dem Videospiel bekannten Blutphiolen zur Heilung, dazu Molotow-Cocktails, Knochenmarkasche, Blitzpapier oder Quecksilberkugeln. Allerdings werden die für meinen Geschmack auch so spartanisch verteilt, dass von Arsenal keine Rede sein kann.

FAZIT


Da werde ich von Bestien dahin gemetzelt, sterbe im Schatten des Blutmondes und habe trotzdem ein Lächeln auf dem Gesicht, während andere frustriert vom Tisch flüchten. Es ist auch ein wenig die Sehnsucht nach Bloodborne, die mir den ewigen Tod so versüßt. Nur wer das auf PlayStation wirklich genossen hat, wird sich über die vielen Déjà-vus freuen können. Es gibt zwar Besseres, was die Tabletop-Mechanik betrifft, aber es gibt nicht viele, die einem digitalen Vorbild so stimmungsvoll nacheifern können. Neben den wohligen Erinnerungen, die durch Artdesign, Story und Charaktere entstehen, ist es vor allem das taktische Kampfsystem mit der wandelbaren Trickwaffe, das tatsächlich den offensiven Rhythmus des Videospiels simulieren kann. Bei Lichte betrachtet zeigen sich einige Defizite, gerade was die Interaktionen im Gelände betrifft. Bloodborne würde es auch nicht in meine Top 20 schaffen, aber ich schätze es als Umsetzung zwei Stufen besser ein als Dark Souls und würde es auch Solisten empfehlen. Denn wenn die Nacht herein bricht und nur eine Kerze auf dem Tisch brennt, kann es mich fast wie ein Ouija-Brett mit den Geistern von Yharnam verbinden. Aber Vorsicht: Bis man auf Pater Gascoigne oder Vikarin Amelia trifft und tatsächlich überlebt, wird man sehr viel blutiges Handwerk als Jäger vollbringen müssen. Für einsame Winterabende ist Bloodborne eine Empfehlung wert. (Bilder: Bloodborne: Das Brettspiel, eigene Aufnahmen)