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Rezension: Resident Evil 4 (PC, PS4/5, XBS)

Vor 18 Jahren sorgte Resident Evil 4 auf dem GameCube für weltweite Begeisterung. Capcom ließ auf Nintendos Würfel die technischen Muskeln spielen und transformierte den klassischen Survival-Horror in eine neue Art von Survival-Terror. Nicht Angst und Grusel, sondern Schrecken und Panik sorgten für eine brachiale Anziehungskraft. Jetzt kehrt dieser Meilenstein der Videospielgeschichte als Remake mit überraschenden Veränderungen für PC, PS4/5 sowie XBS zurück.



Ein gefeierter Meilenstein

Als ich dieses Resident Evil 4 im Jahr 2005 besprochen und mit der höchsten Auszeichnung gefeiert habe, ahnte ich so einiges noch nicht. Zum einen, dass dieser Neustart für Capcom sowohl Segen als auch Fluch in sich bergen würde, denn die Reihe verlor danach stückweise ihre Faszination. Damit hängt zum anderen zusammen, wie stark sich Spiele in diesem Genre atmosphärisch, erzählerisch sowie hinsichtlich der Charaktere entwickeln würden. Man denke an Alien: Isolation, Amnesia: The Dark Descent, Dead Space, Soma, The Walking Dead und natürlich The Last of Us.

Aus dieser Perspektive wirkt dieser Horrortrip wie ein kitschiger Slasher. Schon damals gehörten die Story sowie die statische Kommunikation zu meinen Kritikpunkten. Ich hatte die verstörende Wirkung von Eternal Darkness (2002) und vor allem die starke Erzählweise von Silent Hill 2 (2001) noch in guter Erinnerung. Leon, Ashley, Luis oder Hunnigan waren dagegen eindimensional gestrickt, die Geschichte rund um europäische Kultisten nur oberflächliches Beiwerk. Lobenswert ist, dass Capcom in diesem Remake zumindest versucht, mehr Zusammenhänge über Notizen anzubieten; und der Funkverkehr ist zwar weiter einseitig, aber läuft diesmal in Echtzeit ab.

Auf der Suche nach der Präsidententochter wird Leon von Hunnigan per Funk unterstützt.

Andererseits hatte die Story auch damals ihre Momente, es gab tolle Szenen. Und die Idee der bedrohten Präsidententochter weckte ähnlich wie in ICO (2001) umgehend Beschützerinstinkte, so dass man ein stückweit seine eigene Geschichte erleben konnte, wenn man im Duett mit Ashley unterwegs war. Letztlich überwog die Faszination deutlich: Dieses Abenteuer wirkte so grandios auf mich, weil es einer spielmechanisch stagnierenden Serie neues Leben einhauchte. Und zwar auf diese mutige und für Traditionalisten manchmal schmerzhafte Art, die aber für die kreative Entwicklung notwendig ist.

Aber wie kam es dazu, gerade auf dem GameCube? Drei Jahre zuvor hatte Nintendo mit Metroid Prime einen ähnlichen Sprung in die dritte Dimension gewagt, der im Vorfeld auf Skepsis stieß. Der enorme Erfolg von Samus Aran gab nicht nur Shigeru Miyamoto und den Retro Studios recht, sondern dürfte auch Shinji Mikami beflügelt haben. Der Erfinder von Resident Evil (1996) wollte seine Reihe und vier weitere Spiele sogar exklusiv an Nintendos Konsole binden - was für einige Kontroversen und schließlich ein gebrochenes Versprechen sorgte, als Capcom den vierten Teil später für PlayStation umsetzte.

Ein mutiger Meister

Der 1965 geborene Shinji Mikami war einer der Stars der japanischen Entwicklerszene, hatte über ein Jahrzehnt an Designerfahrung vorzuweisen und gerade das weltweit ausgezeichnete Devil May Cry (2001) produziert. Er gehörte als Manager längst zur Führung Capcoms, aber übernahm die kreative Leitung für das schon in Entwicklung befindliche Resident Evil 4. Dort sollten zunächst Geister spuken, aber die vertrieb er schnell und war auch sonst nicht zimperlich: Er wechselte in die Schultersicht, führte Reaktionstests ein, intensivierte die Action und selbst die Zombies mussten vor infizierten Kultisten weichen.

Im Gegensatz zu Zombies sind die infizierten Kultisten agiler, sie benutzen sogar Leitern Molotow-Cocktails.

Dabei verließ man endgültig den Weg des Grusels à la Alone in the Dark (1992), an dem sich das erste Resident Evil orientierte, und widmete sich dem Schrecken und Gemetzel im Angesicht einer brutalen Meute, die mit Mistgabeln und Molotow-Cocktails hantierte. Aber was nach einer Radikalkur klang, folgte in seinem Kern immer noch der Tradition, nicht nur was die erzählerische Anknüpfung an Umbrella sowie einige ruhige Passagen mit kleineren Rätseln betraf. Denn obwohl man sich dem Shooter näherte, bewahrte man hinsichtlich der Steuerung die Distanz: Man konnte aus der Schultersicht nicht aus einem Guss rennen, strafen und ballern, oder gar zielfixieren, sondern musste stehen bleiben, um manuell anzuvisieren.

Ich erinnere mich noch an die Debatte darüber. Im Kontext von Max Payne 2 (2003) und Red Dead Revolver (2004), die ebenfalls in Schultersicht um sich schossen, wurde das von einigen als behäbig kritisiert. Das war es natürlich auch. Aber genau das war eine geniale Entscheidung von Shinji Mikami, denn es erhöhte zusammen mit der gemächlichen Bewegung die situative Spannung. Leon war zwar irgendwann bewaffnet wie Rambo, selbst Granaten und Raketenwerfer waren ja dabei, aber er konnte nicht (immer) alles ratzfatz niedermähen. Und genau das war gut so.

Das System der Annäherung erinnerte entfernt an den Einsatz der Kamera von Project Zero (2001), wenn man die Geisterfratzen für ein gutes Bild an sich heran lässt. Man musste beim Zielen etwas warten und Geduld beim Justieren des Fadenkreuzes beweisen, während die infizierten Mutanten, die sich auch noch tückischer bewegten als Zombies, langsam immer näher kamen. Es entstand diese Ungewissheit, dass sie einem gleich an den Hals springen, bevor der Kopfschuss sitzt. Trotz der explosiven Nähe zu Call of Duty & Co entwickelte sich hier ein ganz anderes Spielgefühl, zu dem nicht nur der taktische Rückzug, sondern auch die Flucht gehörte.

Ein bekanntes Spielgefühl

Allerdings war der Shooter Anfang der 2000er der heiße und vor allem gut verkaufte Scheiß, mit dem Capcom auch aus finanziellen Gründen kokettierte. Und die Passagen mit Geschützen deuteten schon an, wie Schmal dieser Grat sein würde, über den Teil 5 im Jahr 2009 erst stolpern und Teil 6 im Jahr 2012 regelrecht stürzen sollte. Doch damals bewahrte sich dieses Resident Evil 4 neben dem Terror genug Horror und Schreckmomente. Und weil ich die Steuerung auf dem GameCube heute noch mag, war ich tatsächlich skeptisch, ob ihre Modernisierung mit dem gleichzeitigen Bewegen und Schießen, dem geduckten Schleichen sowie dem Kontern nicht genau diese Balance zerstören würde.


Mit dem Kampfmesser kann man die Kettensäge abwehren.

Aber hier kann ich Entwarnung geben, denn Capcom gelingt die Balance. Schon im ersten Gebiet zeigt sich, wie schnell man trotz des Komforts überwältigt werden kann. Und wie nah einem die Meute auf die Pelle rückt, selbst wenn man jetzt öfter parieren und gezielter killen kann. Immer noch erhöht längeres Anvisieren samt Fadenkreuzverkleinerung den potenziellen Schaden. Zu Beginn hat man ja nur ein Messer, eine Pistole und vielleicht ein, zwei Granaten. Aber ich habe auf dem mittleren der drei Schwierigkeitsgrade mehrfach erfolglos versucht, über das clevere Schleichen und hinterhältige Attacken, über Positionswechsel und Kopfschüsse das erste Dorf zu säubern.

Natürlich liegt das auch an einem linearen Spieldesign, das trotz neuer Mechaniken keine komplett alternative Herangehensweise ermöglicht, sondern auf Trigger ausgerichtet ist. Sprich: Ab einem bestimmten Punkt oder beim Betreten eines Ortes löst man Ereignisse aus, die einem wiederum neue Waffen oder Wege öffnen. In diesem Fall sorgt die Schrotflinte nur kurz für das erste martialische Aha-Erlebnis, denn kaum freut man sich über ihren Wumms, naht der erste Kettensägenmann samt Anhang. Ab jetzt heißt es: in Bewegung bleiben, während einen der Mob selbst über Dächer jagt und Leitern benutzt. Verstecken und schleichen bringt einem jetzt gar nichts mehr. Und da ist er dann wieder, derselbe Nervenkitzel wie vor 18 Jahren.

Zwar kann man später ganze Areale von Feinden befreien, aber manchmal geht es nur um schnelle Reaktionen, das Überleben auf Zeit oder die Flucht. Der tückischen Ruhe folgt hier also immer noch die Panik samt der Frage, ob die Flinte geladen oder die Granate griffbereit ist. Übrigens: Die neue Schnellauswahl über alle vier Richtungen des Steuerkreuzes ist ein Segen. Capcom hat das Figurendesign sowie einige Todesszenen angepasst, um das Grauen im Angesicht der Feinde zu erhöhen. Die Kultisten sehen noch wahnsinniger aus, zerfetzen Leon regelrecht, wenn sie ihn zu fassen kriegen. Die reine Bildgewalt ist also gestiegen: Wenn es aus nächster Nähe kracht und scheppert, wenn Blut und Brocken fliegen, entsteht ein digitales Gemetzel.

Ein überraschendes Remake

Das Remake modernisiert nicht nur technisch, sondern intensiviert atmosphärisch und überrascht inhaltlich. Auf der Ebene der Geräusche und Kulisse, der Effekte und Texturen, waren die Fortschritte zu erwarten. Ich war aber verblüfft, wie schnell mich dieser Spielrhythmus, das halb offene Leveldesign und diese brachiale Action wieder fesseln konnten. Und wie viele kleine Unterschiede es zum Original gibt, denn genau das ist es, was ich manchmal an zu konservativen Remakes vermisse. Wenn ich ein Spiel in- und auswendig kenne, sind kleine Abweichungen sehr willkommen.


Sehr hilfreich und wie alles noch aufrüstbar: das Gewehr.

Das fängt schon im Einstieg mit dem veränderten Schicksal der beiden Polizisten an und setzt sich über die 15 bis 18 Stunden Spielzeit z.B. mit Aufträgen fort, die man auf Zetteln findet; meist geht es dort um Holen und Bringen. Capcom hat einige Situationen umgestrickt, sei es innerhalb der Story, des Leveldesigns oder der Kreaturen. Ich verrate an dieser Stelle nichts Konkretes, aber es gibt sowohl böse als auch hilfreiche Überraschungen und selbst Bosskämpfe können aufgrund des Schleichens anders ausgetragen werden. Allerdings wurde auch gestrichen, denn nicht jede Zwischensequenz und jeder Raum ist enthalten, auch einige Fluchtpassagen fehlen. Neben diesen offensichtlichen Anpassungen an der Regie gibt es einige spielmechanische Änderungen.

Schon damals wirkten die Infizierten im Vergleich zu Zombies agiler, wichen beim Anvisieren tückisch zur Seite oder stürmten plötzlich vor. Sie sind nicht schlauer als anno dazumal, aber ihr Verhalten wirkt noch etwas lebendiger und unberechenbarer, sie erspähen Leon sehr früh und rufen Verstärkung, wenn er nicht geduckt und leise vorgeht. Die Schleichmanöver und die hinterhältigen Attacken bereichern das Spielgefühl, zumal es innerhalb der Areale kleine Änderungen im Leveldesign gibt, die das geduckte Vorgehen sowie Ausschalten einzelner Gegner nahelegen. Aber die größte Stärke bleibt die panische Action in Unterzahl, wenn man von mehreren Feinden verfolgt oder umzingelt wird.



Im Nahkampf kann es schonmal hektisch werden.

Da hilft diesmal nicht nur die Blendgranate: Denn wer im richtigen Moment mit dem Messer pariert, kann wie gehabt auch Äxte oder Projektile abwehren, sogar die peitschenden Tentakel der mutierten Infizierten, und einfache Feinde geraten bei rechtzeitger Abwehr ins Taumeln. Statt der Reaktionstests tauchen Symbole auf, die einen Kick oder eine tödliche Attacke anzeigen. Ersterer ist nützlich, aber nicht mehr so stark wie auf dem GameCube, und bei Letzteren werden neuerdings auch kleinere Klingen eingesetzt. Diese Finisher sind als einmalige Animation eleganter als das ehemalige Gefuchtel am Boden, zumal sie Leon ein kleines Zeitfenster der Ruhe verschaffen.

Ein, zwei Defizite

Nicht nur einfache Hiebe, selbst die Kettensäge lässt sich spektakulär mit dem Messer abwehren, so dass einem die Funken von der Klinge quasi ins Gesicht springen. Wird man von hinten gepackt, kann man sich ebenfalls per Knopfdruck befreien - und auch hier wird das Messer eingesetzt, so dass man es sehr zu schätzen weiß und auf die Abnutzung achten muss. In diesen wilden Nahkämpfen kann die Übersicht trotzdem flöten gehen. Vor allem wenn man das Timing für einen Kick oder Finisher verpasst, stehen die Mutanten plötzlich direkt vor Leon auf, was einige schwammige Momente und auch Glitches nach sich ziehen kann.

Damals wirkte das blutige Handgemenge schon intensiv. Und Capcom hat es jetzt sinnvoll modernisiert, so dass es weniger Brüche gibt. Aber die Übergänge von Fern- und Nahkampf werden nicht so flüssig und natürlich choreografiert wie in einem The Last of Us Part 2. Zwar sieht dieses Resident Evil 4 noch realistischer aus, aber es fühlt sich manchmal doch wieder so arcadig an wie das Original; inklusive der Lotterie bei der Frage, wann der Kopfschuss endlich tödlich einschlägt. Aber genau dieses Unberechenbare gehört ja auch zum Spielgefühl dieses Klassikers.


Ashley wirkt lebendiger und es gibt weniger Trial&Error beim Beschützen.

Da ich gerade die ansehnliche Kulisse erwähnte: Ganz so eindrucksvoll wie 2005 auf dem GameCube kann dieses Remake im Jahr 2023 nicht mehr wirken. Damals hat man das System quasi ausgereizt und en detail nahezu alles alt aussehen lassen, was auf PC, Xbox & PlayStation erschien. Dieses Resident Evil 4 sieht auf der PlayStation 5 klasse aus, was Architektur, Beleuchtung, Animationen und Trefferwirkungen angeht. Alle Charaktermodelle wirken lebendiger, manche Feinde deutlich markanter.

Eine gelbe Spur

Man erkennt im angepassten Artdesign sowie den Farben und dem Licht, dass Capcom alles düsterer und beängstigender gestalten wollte. Daher hat es mich gewundert, dass man die knallgelbe Signalfarbe auf Kisten, Fenstern und manchen interaktiven Gegenständen benutzt. Sie zeigt natürlich an, dass man dort interagieren oder zerstören kann. Und die meisten Spiele sind in ihrer Oberfläche so offensichtlich designt, wie uns Shooter über drei Jahrzehnte konditioniert haben: Man traut dem Spieler selbst in einem Raum die freie Erkundung nicht zu.

Ich habe nichts gegen das System an sich, dass man den Spieler also auf irgendeine Weise auf Interaktionen hinweist. Aber ich bin eher ein Freund der Reduzierung und diese gelbe Spur stärkt in ihrer Deutlichkeit eher das Arcade-Gefühl. Das hätte man auch dezenter gestalten können, indem man die Kisten in hellerem Holzfarbton darstellt. Aber auch bei den Schätzen und den neuen Aufträgen will Capcom das Offensichtliche: Sobald man eine Schatzkarte beim Händler kauft, wird wirklich alles auf der Karte markiert - jede Position eines Artefaktes oder Ziels. Man kann quasi nichts übersehen.



El Gigante wartet in der Arena.

Vielleicht wollte Capcom für die Balance sicher stellen, dass der Spieler die in Kisten versteckte Beute sowie die Belohnungen des Händlers für erledigte Aufträge auch wirklich einsammelt. Geld, Munition und Rohstoffe sind auf dem normalen Schwierigkeitsgrad nicht spärlich verteilt. Aber auch nicht ausufernd und manchmal gerade so, dass man nur gut munitioniert durchkommt, wenn man wirklich alles mitnimmt, kauft und tauscht. Apropos: Zwar wirkt die lila Stehlampe vor den Ruhezonen mit der Schreibmaschine wie ein Fremdkörper aus einem Fantasyspiel, aber der Händler im Kapuzenmantel ist ein kommunikatives Highlight. Wenn er seine Ware anpreist und das Tunen der Waffen empfiehlt, kann man kaum anders, als sein Geld auszugeben.

Neben dem manuellen Speichern an der Schreibmaschine werden häufiger Schnellspeicherungen eingesetzt, außerdem kann man dort Ausrüstung deponieren, um im Koffer Platz zu schaffen. Es gibt diesmal mehrere davon für Waffen und Zutaten, die je nach Farbe die Häufigkeit bestimmter Beute beeinflussen. Neu ist auch, dass man aus Schießübungen gewonnene Talismane daran anbringen kann, um Leon kleine Vorteile zu verschaffen: Wer z.B. den Hahn als Anhänger nutzt, wird von einem Ei komplett geheilt. Richtig gut gefallen hat mir auch der neue Bolzenwerfer, mit dem man lautlos töten und haftende Sprengsätze verschießen kann. Das ist ideal, wenn sich Feinde hinter Schilden verstecken oder irgendwo explosive Fässer warten.

Ein sauberes Duo

Ansonsten gibt es nur kleinere Defizite: Genau so wie im Original wiederholen sich einige Figurentypen der Dörfler recht schnell. Der Regen prasselt etwas zu plump auf Oberflächen, aber wird wohl mit dem ersten Patch abgeschwächt. Und sowohl Leon als auch Ashley werden zwar nass, aber manchmal wirkt das auch in der Umgebung wie eine künstlich glänzende Schicht. Und beide verschmutzen auch nicht wirklich an Körper und Kleidung. Das mag sich pedantisch anhören, aber selbst wenn Leon durch dutzende Pfützen sprintet und durch Fenster in den Matsch springt, sieht er aus wie frisch geduscht und frisiert.


Luiz kämpft manchmal an Leons Seite.

Das gilt auch für Ashley, die als Figurenmodell überzeugt und gegenüber dem Original lebendiger wirkt. Sie ist wie gehabt hilfreich beim Herablassen von Leitern, sie warnt vor Gefahr, kann sich in Schränken verstecken und wird schreiend verschleppt. Zudem ist sie häufiger interaktiv und es gibt jetzt weniger frustrierende Trial&Error-Situationen: Sie kann aufs Wort eng oder distanziert folgen, wobei Letzteres ideal in Schussgefechten ist, weil sie sich dann recht zuverlässig in Deckung begibt. Sie stirbt nicht mehr mit sofortigem Game Over, ist nach einem Treffer zunächst bewegungsunfähig und muss auch nicht geheilt werden.

Im Zusammenspiel mit Leon erreicht sie jedoch nicht diesen Grad an Natürlichkeit, den man in den letzten Jahren von Sidekicks kennt. Wenn man mit ihr nur langsam die Umgebung erkundet, ächzt und hadert sie, als hätte sie eine panische Flucht hinter sich. Das kann aufgrund der monotonen Akustik nerven, obwohl ich die deutsche Sprachausgabe tatsächlich loben muss. Zwar gibt Leon einige zu flapsige Bemerkungen ab, so dass manch bedrohliche Situation entwertet wird, und so mancher Witz will im Gegensatz zum Englischen nicht zünden, aber die Stimme passt auf Deutsch sehr gut zu seinem Charakter.

Auch der Spanier Luis Navarro wurde gut besetzt, taucht übrigens öfter als Helfer auf, teilt jedoch als Gefährte ex machina dieselben Probleme hinsichtlich grob geschnitzter Auftritte, immer sauberer Lederjacke und etwas zu flotter Sprüche mit Leon. Trotzdem habe ich mich wie ein Schnitzel über den ersten gemeinsamen Kampf mit ihm gefreut. Wenn man zu zweit Fenster vernageln und Feinde aus allen Richtungen abwehren muss, erinnert das einfach wunderbar an die Filmszene aus Butch Cassidy and the Sundance Kid (1969).



Erwirbt man die sehr günstige Schatzkarte, wird auf der Karte alles an Funden angezeigt.

Zwar erreichen Leon und Luis nicht den Charme von Paul Newman und Robert Redford, aber es gab damals in der Videospielgeschichte nichts Vergleichbares. Selbst in der Paradedisziplin der Shooter, in einem Schussgefecht gegen Wellen von Gegnern, ließ dieses Resident Evil jedes Call of Duty wie ein schnödes Moorhuhn aussehen. Natürlich hat sich auch da einiges getan, und die Interaktion wurde so erweitert, dass ein Rainbow Six: Siege aus der taktischen Barrikade seine Meisterschaft entwickelte.

Aber nicht nur in dieser Szene demonstriert das Remake seine Anziehungskraft, hinzu kommen auch die mittleren und großen Bosse, die vom Kapuzenmann mit Kettensäge über blinde Monster mit Klauen bis zum Seeungeheuer und natürlich den mächtigen Riesen reicht, die als El Gigante bekannt wurden und in der Arena mal eben ganze Hütten plattwalzen. Ab und zu gibt es auch unerwartete Hilfe oder ganz andere Möglichkeiten, wie etwa in einem Messerkampf, der jetzt richtig ausgespielt wird, während er damals nur eine Zwischensequenz mit Reaktionstests war. Unterm Strich sind diese Gefechte in meiner Wahrnehmung nicht mehr ganz so knifflig wie damals, zumal einer der schwierigsten gegen die alienartige Kreatur U-3 sogar gestrichen wurde.


Der sehr gesprächige Händler bietet auch Rabatte an.

Einige fehlende Inhalte

Apropos: Damals fehlten in der deutschen Fassung auf dem GameCube bekanntlich die zwei Bonuslevel The Mercenaries (ein Shootout gegen die Zeit, in dem man Bonuscharaktere freischalten konnte) und Assignment Ada (eine Episode mit Ada Wong auf einem Militärgelände). Später konnte man auf anderen Systemen wie PlayStation 2 sowie in den HD-Versionen noch die Zusatzkampagne Seperate Ways freischalten, in der man über mehrere Kapitel in die Rolle von Ada schlüpfen konnte. Tja, all das fehlt in diesem Remake. The Mercenaries soll immerhin kostenlos nachgeliefert werden. Ob es auch kostenpflichtige Inhalte in Form der ebenfalls fehlenden Separate Ways oder gar Mikrotransaktionen geben wird, wie einige spekulieren, wurde bisher nicht bestätigt.

Fazit

Capcom präsentiert mit Resident Evil 4 ein sehr gutes Remake, das mich mit vielen sinnvollen Änderungen sowie ganz neuen Elementen positiv überrascht hat. Was mich besonders freut ist, dass sich trotz dynamischer Manöver wie dem Konter sowie dem gleichzeitigen Bewegen und Schießen ein ähnlich intensives Kampfgefühl einstellt wie im Original. Dieser Survival-Terror spielt sich also immer noch anders als ein gewöhnlicher Shooter, weil einem die Meute wie anno dazumal so richtig auf die Pelle rückt, so dass brachiale Gefechte inklusive Panik und Flucht entstehen. Hinzu kommen ganz neue Schleichpassagen, eine prächtige Kulisse, klasse Soundeffekte und eine gelungene Lokalisierung. Es gibt lediglich kleinere Defizite wie manch schwammige Momente im Nahkampf, Ashleys übertriebenes Ächzen in ruhigen Situationen, die zu dominante gelbe Signalfarbe oder Charaktere, die durch die Hölle gehen, aber einfach nicht verschmutzen. Etwas ärgerlicher sind die fehlenden Zusatzinhalte. Mir hat dieses Abenteuer jedenfalls richtig Spaß gemacht. Und selbst wenn Charaktere sowie Story höchstens einem B-Movie gerecht werden, wird das vom Nervenkitzel kompensiert. Vor 18 Jahren habe ich sehr laut gejubelt, jetzt nicke ich anerkennend und kann diesen blutigen Trip nur empfehlen. Capcom hat den Klassiker nicht nur vorbildlich modernisiert, sondern das Spielgefühl intensiviert. Im direkten Vergleich übt Metroid Prime Remastered allerdings eine zeitlosere Anziehungskraft auf mich aus. Und spätestens The Last of Us hat diese Art von Überlebenskampf nicht nur erzählerisch auf eine ganz neue Ebene gehievt. Oder anders: Resident Evil 5 oder 6 brauche ich nicht als Remake.


(Bilder: Resident Evil 4 Remake, Capcom, offizielles Pressematerial)


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