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AutorenbildJörg Luibl

Schöne Aussicht: Grace Given: The Mythology of Elden Ring (Elliot Wells)

Ich habe großen Respekt vor Künstlern, die mit ihren Zeichnungen, Illustrationen und Malereien die Fantasie anregen. Weil sie damit manchmal erst die Tore öffnen, durch die Storywriter, Programmierer und viele andere gehen, um eine ganze Welt daraus zu formen. Manchmal schaut man ein Bild an und würde am liebsten sofort den Rucksack packen und losziehen.


In diesem Fall geht es um eine Reise zurück in ein vergangenes Abenteuer, um das Schmökern in all dem, was man vielleicht in der Hitze des Kampfes um den Elden Ring nur am Rande wahrgenommen hat. Ich habe in einer Vertiefung zwar einiges von dem angerissen, was bisher geschah. Aber die mythologischen und erzählerischen Zusammenhänge sind vielfältiger und wurden durch Shadow of Erdtree weiter verwoben.


Ich habe die Rezension zwar schon veröffentlicht, aber mich zieht es immer zurück, zumal es noch unentdeckte Orte und offene Fragen gibt. Und eine schönere Einladung zur Recherche als Grace Given, mit diesem wunderbaren Buchcover von Elliot Wells, kann es gar nicht geben. Umrahmt von Halbgöttern, die wie antike Totenmasken aus dem weißen Leder gemeißelt sind, blickt man auf überraschend hell und freundlich wirkende Zwischenlande:



Das ist ein romantisch idealisierter Kontrast zu all dem Monströsen, Dämonischen und Brutalen, das man mit dem Action-Rollenspiel verbindet. Aber der passt gut: Denn dieser Befleckte wirkt mit dem locker über der Schulter liegenden Schwert genauso entspannt wie ein Veteran, der mit seinen über 200 Stufen oder schon als Eldenfürst vielleicht all jene Orte besuchen will, die ihm auf seiner Karte fehlen. Und wer darüber hinaus die Schrecken aus Shadow of Erdtree überstanden hat, für den dürfte Limgrave in etwa so idyllisch ungefährlich sein wie das Land unter blauem Himmel auf diesem Bild.



Aber was noch ausschlaggebender für mein "wunderbar" ist, ist die hinter dieser Art der Illustration verborgene Tradition. Der Verlag hat sich in Museen und Ausstellungen inspirieren lassen, u.a. von einem prächtigen Quartett in dieser Vitrine von Chester Beatty in Dublin:



Ich liebe Bibliotheken und alte Bücher, die aufwändig gebunden und bearbeitet sind, mit Verzierungen oder Prägungen, mit Malereien oder Initialen, wenn selbst Buchstaben wie im Book of Kells zu kunstvoll verschnörkelten Bildern werden.


Und genau daran orientiert sich der irische Verlag Tune & Fairweather bei diesem Projekt. Dabei setzt man auf antike Vorbilder für die Galerie der Toten, und auf eine in orientalischen Werken verwendete Farbpalette von Minzgrün bis Lavendel, um Eleganz und Erhabenheit einzufangen - dazu gibt es hier ein interessantes Making-of sowie ein Video über Elliots' Arbeitsweise; hinzu kommen für diesen Band mit dutzenden Abbildungen weitere Illustratoren.



Was den Inhalt betrifft, handelt es sich nicht um offizielles Material von FromSoftware, sondern um Artikel des YouTubers Geoff "SmoughTown" Truscott. Er erzählt in 25 Kapiteln zunächst von den Göttern, dann von den Ereignissen vor Spielbeginn und geht auf nahezu alle Charaktere sowie Motive ein.



Das in weißes Leder gebundene, über 500 Seiten starke und nur auf Englisch erhältliche Schmuckstück hat allerdings mit 250 Euro einen stolzen Preis. Der geht weit über bisherige Bücher des Verlags wie Blood Echoes: A Bloodborne Anthology für 80 Euro, Demonic Archive: The Mythology of Demon's Souls für 90 Euro und selbst über Abyssal Archive: The Mythology of Dark Souls für 180 Euro hinaus. Wer es bis 10. August 2024 vorbestellt, bekommt kleinere Boni, ausgeliefert werden soll es Anfang 2025.




PS: Von Elliot Wells gibt es auch eine Sammlung düsterer Fotos britischer Ruinen und Lost Places namens Lands Between.


Es gibt bereits einige "Schöne Aussichten" im Archiv, ich werde versuchen sie alle zwei Wochen anzubieten.


Vielen Dank an alle Steady-Unterstützer, die dieses kleine Spiele-Magazin mit ihrem Abo möglich machen. Es würde mich freuen, wenn ihr auch an Bord kommt!

5 Comments


Andy
Andy
Jul 26

Uff, dieses Buch sieht wahnsinnig schön aus und würde sich in meinem Bücherregal bestimmt sofort wohl fühlen. Meine Englischkenntnisse sind ja ziemlich gut, dennoch fände ich eine deutsche Version angenehmer zum Lesen, weshalb ich nun schweren Herzens davon absehe.

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Qugart
Qugart
Jul 25

Grace Given sieht schon verdammt gut aus. Übersteigt aber leider mein Budget etwas. Aber zumindest das Buch selber wird wohl auch als ebook und auch als Audiobook erscheinen.


Die Chester Beatty Library kann ich nur empfehlen. wer mal in Dublin ist sollte da mal reinschauen. Als Tourist sieht man sich ja sowieso das Trinity College an. Und da ist Chester Beatty nur ein paar Straßen, ca. 10 Minuten, weiter.

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Ja, das möchte ich gerne mal sehen; auch die Bibliothek im Trinity. Dublin steht neben Edinburgh ohnehin ganz oben auf meiner Liste der gälischen Rundreise. Irgendwann mal.;)

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bronto
bronto
Jul 25

Wunderbar, welche schönen Erzeugnisse ein Werk wie ER nach sich ziehen können.


Der Einband erinnert an Godskin 🤐


Spass beiseite, ich hab mich noch nie so tiefgehend mit der Lore dieser Spiele vertraut gemacht aber bei Elden Ring dachte ich mir jetzt steige ich mal richtig rein. Hab dann eigentlich alle Item-Beschreibungen durchgelesen, Details der Architektur notiert, auf Reddit mitdiskutiert, über alte Mythologien nachgeforscht … und bin dann zum Schluss gekommen, dass man kaum die Geschichte ganz auserzählen kann. Ich hoffe direkt, dass die Entwickler für sich selbst alle Details geklärt haben, denn da bin ich mir gar nicht mehr so sicher. Wie auch GRR Martin vielleicht nicht alle Geheimnisse seiner Legenden ausbuchstabiert hat.


Aber egal. Die ganzen Detektive da…

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Ja, manchmal erkennt man nur Konturen im Nebel. Alleine die Tatsache, dass Elden Ring moderne Spieler in engagierte Archäologen, Etymologen, Völkerkundler und Historiker verwandelt, ist wunderbar. Und gar nicht so einfach. Wer am Ende mit welcher Deutung richtig liegt, ist eigentlich egal.;) Selbst das recht strukturiert erzählte Silmarillion lässt ja Fragen offen. Beides großartige Beispiel für phantastischen Weltenbau.

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