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Schöne Aussicht: The Art of Paradox in Bloodborne (Jaye Shepherd)

Ich habe großen Respekt vor Künstlern, die mit ihren Zeichnungen und Illustrationen die Fantasie anregen. Sie öffnen die Tore, durch die Erzähler, Programmierer und viele andere gehen, um die Welt dahinter zu formen. Manchmal schaut man ein Bild an und würde am liebsten sofort den Rucksack packen - selbst wenn einen das Grauen erwartet, so wie auf dem Cover von Grant Us Eyes: The Art of Paradox in Bloodborne.



Angesichts all der Kreaturen mit ihren Hörnern und Fangzähnen fühlt man sich vielleicht an mittelalterliche Bestiarien erinnert. Aber wenn man die in feinen schwarzweißen Strichen gezeichnete Höllenpforte mit ihren kleinen Türmchen und Giebeln, mit ihren Mutationen und Auswüchsen länger anschaut, werden natürlich schnell Erinnerungen an die verfluchte Stadt Yharnam wach, zumal der maskierte Jäger und andere bekannte Wesen klar zu erkennen sind:


Die 19 Illustrationen kommen vom englischen Künstler Jaye Shepherd, der in Basildon in Essex einen Tattoo-Shop hat. Er bietet u.a. Motive zu Comics wie Berserk und Videospielen von FromSoftware an. Sein markanter Stil passt sehr gut zu diesem Buchprojekt des Verlags Tune & Fairweather, das im zweiten Quartal 2025 für 65 Euro erscheinen soll - unabhängig von Markeninhaber Sony und ohne Beteiligung von FromSoftware enthält es kein offizielles Artwork.



Auf den etwa 300 Seiten geht es unter dem Motto "Die Kunst des Paradoxen" um Analysen von Nathan Wainstein über Bloodborne, das im März 2015 für PlayStation 4 erschien und bis heute eine starke Faszination ausübt. Der Literaturwissenschaftler der Universität Utah hat schon einige lesenswerte Aufsätze über Videospiele, u.a. über Deathloop oder Glitches, in der Los Angeles Review of Books veröffentlicht.



Diesmal konzentriert er sich auf Bloodborne, dem er sich bereits aus unterschiedlichen Perspektiven näherte, darunter eine Betrachtung über den Wind und die Atmosphäre in Yharnam. Neben der Spielmechanik hat bekanntlich die Ästhetik sowie die Erzählweise einen großen Anteil an der Anziehungskraft des Spiels, zumal der vampirische Schrecken aus Bram Stokers Dracula und der kosmische Horror eines H.P. Lovecraft zu verschmelzen scheinen. Aber es geht nicht nur um Literatur, denn Wainstein möchte ein breites kulturelles Spektrum betrachten:


"Grant Us Eyes setzt die oft diskutierte Schwierigkeit des Spiels in Beziehung zu einer viel längeren Tradition schwieriger Kunst - surrealistische Malerei, der Roman der Moderne usw. Wainstein untersucht die Schwierigkeit der fragmentierten Erzählung von Bloodborne, die Schwierigkeit der grafischen und akustischen Störungen, die Schwierigkeit der philosophischen Probleme, die das Spiel aufwirft, und die Schwierigkeit, eine genaue Analyse in einem Medium vorzunehmen, für das es noch keine etablierten, anerkannten Interpretationsmethoden gibt wie in der Literatur und im Film."



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4 Comments


Sven
Sven
Nov 09

Ich erinnere mich noch genau an diese zentralen Zeilen aus dem Spiel: "Grant us eyes, GRANT US EYES!". Die Augen symbolisieren eines der Hauptmotive im Spiel, ausgedrückt u.a. durch die Lore, die "Insight" Mechanik, aber auch durch das Bestien- und Leveldesign. Das nimmt man gerade beim mehrfachen Durchspielen sehr stark wahr. Das Symbol der Augen ist ja ein ganz zentrales, dass vielfach in Literatur und Film thematisiert wird. Man denke an den ersten Shot aus Blade Runner. Dort geht es ja um die Mehrfachbedeutung der Augen als Tor zur (menschlichen) Seele und als das eine Organ, dass die Replikanten äußerlich vom Menschen unterscheidbar machen (via Voight-Kampff Test). Womöglich weit hergeholt, aber in Bloodborne erinnert es mich in gewisser Weise an…

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