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Breitseite #3: Sechs Spiele, sechs Kurzkritiken

Herzlich willkommen zur dritten und letzten Breitseite des Jahres - jetzt auch als eigene Kategorie unter Berichte. Das ist ja ein Format, mit dem ich all das anvisieren möchte, was es vermutlich nicht in eine Rezension schafft. Das liegt manchmal an der Qualität, aber meist an der Zeit, weil ich die Themen stark auswählen muss. Die Breitseite ist eine Sechserfolge an Kurzkritiken zu Spielen, die ich mindestens eine, maximal drei bis vier Stunden gezockt habe. Das heißt, dass sie schon irgendwie in mein Beuteschema gepasst haben. Ich werde also nichts einordnen, das schon im Vorfeld gar kein Interesse wecken konnte.


Ob ich mit diesen frühen Einschätzungen den Kern treffe, ist natürlich nicht sicher. Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel, aber in der Vergangenheit haben mich tatsächlich nur wenige Spiele nachträglich faszinieren können, die nicht schon in den ersten Stunden überzeugten. Ich versuche übrigens auch bewusst mal ältere Titel oder einen Geheimtipp einzubinden, damit neben den vielleicht weniger berauschenden Treffern auch immer etwas Empfehlenswertes dabei ist.


Um die Spannung ein wenig zu erhöhen und zumindest eine Gewichtung anzubieten, werde ich mich jeweils vom schwächsten bis zum stärksten Eindruck hochschießen. Okay, denn man tau und Feuer frei - hier kommt die dritte Breitseite:




Saint Kotar...


...ist für PC, PS4/5, XBS und Switch erschienen und kostet knapp 15 Euro. Es ist ein Point&Click-Adventure vom kroatischen Entwickler Red Martyr Entertainment, in dem es um Okkultismus und Horror geht. Als Saint Kotar im Sommer 2020 über Kickstarter angekündigt wurde, hat es mich neugierig gemacht, weil es ein wenig an Black Mirror: Der dunkle Spiegel aus dem Jahr 2003 erinnerte. Zwar ist man nicht in England unterwegs, sondern im kroatischen Hinterland. Aber auch dort gibt es ein Schloss. Und rundherum geschehen seltsame, bizarre sowie überaus schreckliche Dinge.


Dieses Jahr ist es für Konsolen erschienen, mit deutschen Untertiteln und englischer Sparcehausgabe. Natürlich beamt einen die statische Kulisse mit ihren steif dahin schlurfenden Charakteren erstmal gefühlte zwanzig Jahre zurück; vor allem, wenn man vorher God of War Ragnarök laufen hatte. Aber das Artdesign kann mit seinen handgezeichneten Schauplätzen einige stimmungsvolle Akzente setzen, inszeniert Schauerliches zwischen Nacht und Nebel. Das Besondere ist, dass man zwischen zwei Charakteren wechseln kann: dem Mönch Benedek und seinem Schwager sowie Ex-Priester Nikolay. Die wurden eigentlich von der Schwester bzw. Ehefrau eingeladen, weil es auf dem Schloss eine Ausstellung über die Inquisition geben soll.


Aber kaum wachen die beiden auf, ist sie spurlos verschwunden und auf der Suche nach ihr ergeben sich ratzfatz alptraumhafte Erkenntnisse, die mit der unheilvollen Geschichte des Ortes verwoben sind. Die religiösen und okkulten Hintergründe werden ausführlich behandelt und man fühlt sich angesichts der bizarren Bewohner wie in einer Geschichte von H.P. Lovecraft. Aber der Einstieg ist leider viel zu plump, die Referenzen an Horrorklassiker sind zu offensichtlich und die Dialogphasen nehmen kein Ende. Man erlebt auch zunächst kaum spielerische Interaktion, während man sich in Räumen zig Hotspots oder auf der Gebietskarte die Orte anzeigen lässt. Die Laufwege dorthin sind nicht nur ermüdend, weil man nicht schnellreisen kann, sondern weil man auch schon ahnt, dass gleich noch mehr erzählt wird.



Ich lese ja sehr gerne, aber die Texte sind einfach nicht gut genug und Multiple-Choice mit anregender Grübelei ist zu selten vorhanden. Die beiden Protagonisten wirken als Charaktere so steif wie Theologen, sie reagieren teilweise komplett unglaubwürdig und manche Situationen wirken nahezu abstrus - da war Black Mirror wesentlich harmonischer und ermöglichte eine bessere Identifikation mit der tragischen Hauptfigur. Zwar können die obskuren Entdeckungen und Gestalten manchmal überraschen, aber die Hoffnung, dass zwischen bizarrer Folklore endlich mal das Rätseldesign punkten oder der Charakterwechsel wirklich kreativ eingesetzt werden kann, wird in den ersten Stunden nicht erfüllt. Das einzig Positive war ein plötzliches frühes Spielende, nachdem ich als geschockter Bruder in einem Gespräch mehrmals die Heimfahrt forcierte. Es soll zwar mehrere Ende geben, aber mich hat Saint Kotar mit seiner Statik und der fehlenden Harmonie ernüchtert und nicht weiter ins Hinterland locken können.


Marvel's Midnight Suns...


...ist für PC, PlayStation, Xbox und Switch erschienen; es kostet knapp 50 Euro. Im Vorfeld der Veröffentlichung fiel meist das Stichwort XCOM, denn das Spiel kommt ja von Firaxis. Aber nur damit keine Missverständnisse aufkommen: Mit der gefeierten Deckungstaktik gegen Außerirdische hat Marvel's Midnight Suns nichts zu tun. Ich wurde dennoch neugierig, weil es auch hier um Rundengefechte geht. Und zwar in sehr kleinen Arealen, in denen man seine Aktionen möglichst effizient ausspielen muss. Diese Art der Taktik mag ich und sie erinnert an Spiele wie Into the Breach oder auch Nitro Kid.


Gerade Letzteres ist vergleichbar, denn auch die Superhelden werden von einem Pool aus Karten befehligt, die man zu einem immer stärkeren Deck ausbauen kann. Falls ihr also Spiele wie Slay the Spire mögt, könnte sich ein Blick lohnen. Freund und Feind werden recht zufällig in einer kleinen Arena verteilt, in der man Handkarten für Angriffe einsetzt und auch Gegenstände in Wurfgeschosse verwandeln kann. Manches ist gratis, andere kosten bis zu drei Punkte und man muss möglichst effizient Karten einsetzen, um auch Kombos für weitere Aktionen einzuleiten.


Da man meist in der Unterzahl ist und sich nur einer der drei Superhelden pro Runde bewegen darf, um z.B. mit seinem Wurf oder Laser eine ganze Reihe an Feinden zu treffen, entwickelt sich ein unterhaltsames Taktik-Puzzle, auch wenn ich die Wellen immer gleicher Gegner etwas einfallslos fand. Aber jetzt kommt die eigentliche Kehrseite, denn aus dem Hauptquartier hat man tatsächlich eine vollkommen künstliche Rollenspielwelt gemacht, in der man nicht nur sein Deck oder seinen selbst erstellten Hauptcharakter managt. Nein, man simuliert tatsächlich Social Media, bietet sinnlosen Sammelkram an, zwingt zu Dialogen und Beziehungspflege, als wäre das ein Mass Effect. Und Hilfe, man sollte auf der Couch abhängen oder Filme zusammen gucken, denn davon profitieren die Aktionen im Gefecht!


Das fühlt sich so an, als hätte jemand ohne Not ein Action-Rollenspiel über eine Kartentaktik gestülpt. Das ist nicht deshalb schlimm, weil die Story rund um die Dämonin Lilith mal wieder von der bedrohten Welt erzählt, sondern weil sie auf groteske Art nahezu alles an Themen in einen Topf wirft, so dass man sich selbst als Comic-Leser wie in einem All-you-can-imagine-Zirkus fühlt. Hier werden Magie und Technik, Okkultismus und Science-Fiction, Mittelalter und Zukunft, Hightech und Alchemie, Demokratie und Faschismus zu einem kitschbunten Brei verrührt.



Und für alles gibt es einen Charakter, der etwas inhaltlich Hanebüchenes oder noch schlimmer: emotional Persönliches erzählen will. Ich hab mich lediglich auf Wolverine gefreut und gehofft, dass man mit ihm aus dieser Sekte ausbrechen kann. Stattdessen hat man im Hauptquartier das Gefühl, dass gleich noch Harry Potter, Gandalf, Luke Skywalker und Captain Future auftauchen. Also: Die reinen Kartengefechte haben mich gut unterhalten, ich hätte mein Deck gerne weiter verfeinert. Aber dieses überflüssige Action-Rollenspiel hat mich mit seiner schrecklich aufgeblähten Superhelden-Soap-Opera so richtig in die Flucht geschlagen.


Master of Magic..


...ist für PC erschienen und kostet knapp 40 Euro. Dabei handelt es sich um eine Neuauflage von Master of Magic, das anno 1994 bei Microprose erschien. Das ist also Rundenstrategie in einer Fantasywelt, in der zwei Traditionen aufeinander treffen: Auf der einen Seite Civilization mit seinem epischen Aufbau, auf der anderen Seite Magic: The Gathering mit seinem Fokus auf vielfältige Magie und das arkane Duell. Was damals überaus innovativ war, wirkt heute natürlich ein wenig altbacken, weil sich die 4X-Strategie natürlich in den letzten dreißig Jahren entwickelt hat. Für mich ergeben sich hier aber auch nostalgische Reize.


Man wählt einen von 14 Zauberern samt Portrait aus fünf Schulen und rekrutiert dann Söldner wie Zwerge, Orks oder Drakonier aus über einem Dutzend Völkern. Mit diesen oder herbei gezauberten Helfern kann man das Land um seine Basis herum erkunden, wobei man sehr schnell auf Dungeons, Festungen, Portale oder neutrale Siedlungen trifft, die meist gut bewacht werden. Also gilt es Kasernen & Co in der eigenen Stadt zu errichten, um langsam eine Armee aufzubauen. Aber auch die Forschung sowie das Einkommen darf man nicht vergessen, das ist also als mehr als reine Militärstrategie.


Die polnischen Entwickler von MuHa Games haben die Oberfläche deutlich veredelt und sind dem Spieldesign des Klassikers weitgehend treu geblieben - das ist also kein Remake mit frischem Ansatz. Es gibt nur kleinere Änderungen, dazu gehören z.B. die neuen Kämpfe auf Hexfeldern, die in einem Gelände stattfinden. Man kann seine Truppen hier automatisiert oder manuell bewegen, wobei vorher eine prozentuale Gewinnchance angezeigt wird. Höhenunterschiede oder Untergrund spielen hier keine Rolle, man muss leider nur die Reichweiten der Fernkämpfer beachten und sollte als Magier natürlich in die Gefechte eingreifen. Für anspruchsvolle Taktik-Tüftler ist das also eher nix.



Aber die arkane Auswahl ist groß: von der Beschwörung über Naturzauber oder Feuerchaos, von der Kontermagie bis hin zu Teleportationen oder der Erschaffung wandernder Inseln ist sehr viel dabei. Man kann also ganz unterschiedliche Ansätze verfolgen. Das Besondere ist, dass es mit Arcanus und Myrror zwei Parallelwelten gibt, so dass man doppelt aufpassen muss. Diese Neuauflage ist durchaus gelungen, aber es gibt einige offene Komfortwünsche, was etwa die Benutzeroberfläche, die Auflösung sowie die unübersichtliche Stadtkarte betrifft. Und natürlich hat man anno 2022 weit bessere und modernere 4X-Strategie wie Old World zur Verfügung oder das direkter vergleichbare Sorcerer King von Stardock. Aber unterm Strich hinterlässt Master of Magic knapp 30 Jahre nach seiner Premiere immer noch einen ordentlichen Eindruck.


Ixion...


...ist für PC erschienen und kostet knapp 35 Euro. Die französischen Bulwark Studios konnten 2018 mit Warhammer 40.000: Mechanicus gute taktische Rundengefechte inszenieren. Diesmal wagen sie sich mit Ixion in einer Raumstation ins Echtzeitall, wo Management, Aufbau und Survival aufeinander treffen. Im Einstieg verströmt diese Science-Fiction eine angenehme Atmosphäre, die mich mit ihren Durchsagen und Soundeffekten an die futuristische Ästhetik eines Homeworld erinnert hat. Man fühlt sich auch hier wie ein Pionier, der sich mit seinem Mutterschiff auf eine Odyssee begibt - schließlich soll man neue Kolonien für die von der Erde flüchtenden Menschen finden.


Nur dass man keine Jäger und Zerstörer für den Kampf gegen außerirdische Angreifer baut, sondern dass man das Innere einer zylindrischen Raumstation managt: Dort errichtet man Gebäude, erntet Rohstoffe und zieht Wege, so dass Arbeiter von A nach B kommen. Dabei gilt es auf genug Wohnraum, Nahrung, Energie & Co zu achten, damit alle zufrieden sind und ein Stromausfall nicht zu einem Shutdown führt. Ein Tech-Visionär à la Musk führt das Unternehmen und es gibt Spezialisten, die einem Anweisungen geben. Zunächst wird man mit vielen Anweisungen recht linear geführt, bis man Sonden und Raumschiffe aussenden und die externe Ansicht sowie das Weltall freier erkunden kann.


Allerdings gibt es dort kaum Interaktionen. Und sobald man nach einem Sprung ins unbekannte All von der Leine gelassen wird, tauscht Ixion die Zügel gegen eine Trial&Error-Peitsche. Denn das Managen mehrerer Sektoren unterliegt einem Dauerdruck, indem die Stabilität der Bevölkerung quasi ständig dezimiert und die Raumstation beschädigt wird. Also verbringt man viel Zeit damit, die städtische Infrastruktur im Detail zu managen, Gebäude neu zu platzieren, Arbeiter zu verschieben und zu reparieren. Dabei kann man einige falsche Entscheidungen treffen, vor allem was die Rohstoffe betrifft, die sich fatal auswirken.



Das Feedback besteht meist aus Mahnungen, hinzu kommen Entscheidungen, die einen oft zwischen Pest und Cholera wählen lassen, so dass permanenter Stress entsteht. Spätestens hier muss sich Ixion dem Vergleich mit Frostpunk stellen, das offensichtlich ein Vorbild war. Das ist ja auch ein anspruchsvolles Aufbaupiel mit Druck auf die eigene Bevölkerung. Aber dort wird er von einem befriedigenderen Spielfluss aufgefangen, bei dem das Versuchen und Scheitern nicht so extrem forciert wird. Ich habe auch innerhalb der Forschung kaum alternative Wege gefunden, so dass man nicht einfach seine Strategie umstellen kann. Es kann sein, dass gerade bei diesem Fokus der Eindruck der ersten Stunden trügt, und dass sich der Spaß irgendwann einstellt, wenn man die geforderten Abläufe beherrscht. Ixion könnte anspruchsvolle Aufbautüftler mit Geduld solide, vielleicht sogar gut unterhalten, aber mich konnte es auch mit seinem Szenario und der Story nicht so fesseln wie Frostpunk.


Dwarf Fortress...


...ist als überarbeitete Version für PC erschienen und kostet knapp 30 Euro. Tja, vorhin habe ich das Scheitern in Ixion als frustrierend beschrieben, in Dwarf Fortress erlebe ich den Untergang meiner Festung ganz anders. Denn wenn ich mit den sieben Zwergen die Reise beginne, erlebe ich zwar auch Trial & Error, die Nahrung wird zum Winter hin knapp, es kann Überfälle und Seuchen geben. Aber ich werde nicht von dieser Peitsche der perfekten Reaktion getrieben, sondern kann von Anfang an herrlich frei entscheiden, auf welche Art ich überleben will. Dabei gibt es so viele Parameter und Unbekannte, dass man sich wie in einem historischen Universum von Paradox fühlt und selbst der beste Architekt unter Tage böse überrascht werden kann.


Denn das Faszinierende an Dwarf Fortress ist, dass man sich tatsächlich als Teil einer epischen Geschichte fühlt, in der eine ganze Welt simuliert wird. Schon bevor man sich ein Plätzchen sucht, um den ersten Tunnel zu graben, wird eine Chronologie mit historischen Ereignissen und tausenden Gestalten erstellt, werden Namen und Schlachten, Kulte und Krönungen eingeblendet. Zwar besteht die Chance, dass man diese Geschichte mal selbst beeinflussen kann, dass man ein berühmter Fürst oder König wird, aber wer zu tief buddelt, der kann seine Festung fluten, von Geistern heimgesucht werden, von irgendetwas Unbekanntem oder seinem eigenen Versagen vernichtet werden.


Ich bin nämlich weit weg davon, dieses Spiel zu kennen. Aber jetzt verstehe ich, warum es seit 2006 und trotz seiner extrem spröden Kulisse so begeistern, warum es Spiele wie Minecraft inspirieren konnte. Diese Neuauflage sieht ohne ASCII-Runen etwas moderner aus und vor allem hört sie sich klasse an: Ich mag den skurrilen Soundtrack, der manchmal fast ein wenig wie Fantasy-Country klingt und für eine trügerische Entspannung sorgen kann. Zwar gibt es ein kleines Tutorial und viele Hinweise, allerdings sind Benutzeroberfläche und Steuerung immer noch ein Graus, weit weg von kontextsensitivem Komfort - ich habe so oft geflucht!



Obwohl es zwickt und nervt, überwiegt jedoch die Anziehungskraft. Ich mag diese prozedurale Fantasywelt, in der von der Geographie über die Geologie, von Gedichten bis zur Genealogie alles simuliert wird. Zwar fühle ich mich wie ein Blinder, der durch ein von bösen Zauberern erschaffenes Labyrinth irrt. Aber Dwarf Fortress sorgt mit seinem Stil und seiner Ungewissheit auch für eine behagliche Gemütlichkeit - und das liegt nicht nur an den Katzen, die durch die Gänge huschen. Es beamt mich mit all seinen Zahnrädern zurück in eine Zeit, als Spiele noch nicht nach wenigen Minuten entschlüsselt und dechiffriert waren.


Ich will das jetzt auch nicht glorifizieren, schließlich gibt es mit Rimworld und anderen genug Beispiele, wie man Komplexität und Komfort besser vereinen kann. Und ich bin vermutlich viele Monate weg von einer kompetetenten Besprechung des großen Ganzen. Aber was ich hier aktuell erlebe, ist im wahrsten Sinne des Wortes ein monumentales Urgestein, ein renoviertes Stück megalithischer Spielkultur, das mich einfach sehr gut unterhält.


Norco...


...ist im März für den PC erschienen und seit November auch für Xbox und PlayStation mit deutschen Texten verfügbar. Und ich kann nur sagen: Es lohnt sich. Und es kann auch sein, dass ich zu Norco noch eine komplette Rezension anbiete. Ich möchte nicht zu viel versprechen, aber wer sich einen Hauch von True Detective mit ordentlich surrealer Science-Fiction vorstellt, die Richtung sozialkritischem Cyberpunk tendiert, bekommt vielleicht eine Vorstellung. Es geht um einen dystopischen Roadtrip durch Louisiana, tragisch und verträumt.


Obwohl diese Adventure ein Genre mit Saint Kotar teilt, obwohl sie Premieren für das jeweilige Studio darstellen und sich beide mit lokaler Geschichte ihres Landes beschäftigen, trennen diese Point&Clicks letztlich qualitative Welten, was Storytelling und Rhythmus betrifft. Die Gespräche sind sehr gut geschrieben und es gibt trotz der fiktiven Welt reale Bezüge und kritische Töne, die mit dem Status quo der amerikanischen Gesellschaft zu tun haben.


Die Geschichte selbst kommt als detektivische Heimatreise ins Rollen. Als junge Frau kehrt man nach dem Tod der Mutter in seine Geburtstadt Norco zurück, wo der Bruder vermisst wird. Die ersten Hinweise führen dann auf eine Odyssee durch den amerikanischen Süden in einer alternativen, aber nicht all zu fernen Realität mit still gelegten Fabriken und Industriebrachen, mit Robotern und Elektrobeats. Norco gelingt es sehr gut, den Spieler in die Vergangenheit der Heldin mitzunehmen und situativ mitzufühlen zu lassen.



All das wird in einem ausdrucksstarken Pixelstil inszeniert, der zwar eher gröber, aber hinsichtlich der Farben, des Lichts und der Architektur sehr stimmungsvoll ist, so dass man sich manchmal wie in einer Art Südtstaaten-Bladerunner fühlt. Es gibt auch Rätsel und Überraschungen, aber rein spielmechanisch wird man wohl weniger begeistert als erzählerisch. Norco hat mir mit seiner klaren Sprache und dem Humor in den ersten Stunden jdenfalls besser gefallen als das etwas verkopftere Kentucky Route Zero. Ich würde ihm aktuell eine sehr gute Einschätzung geben und freue mich darauf, es zuende zu spielen.

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