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Landnama: Legetaktik im alten Island

Als ich das erste Mal im Landnámabók (Landnahmebuch) las, das muss so Mitte oder Ende der 90er an der Uni gewesen sein, hätte ich nie gedacht, dass sich mal ein Spiel mit der dort beschriebenen Besiedlung Islands beschäftigen würde. Heutzutage klingt das vielleicht seltsam, denn mittlerweile werden viele historische Themen in digitale Unterhaltung verwandelt.


Aber erstens stand anno dazumal meist der Kampf oder die Eroberung am Bildschirm im Vordergrund, wohingegen Landnama den friedlichen Aufbau einer Siedlung inszeniert. Und zweitens gab es noch keine florierende Szene unabhängiger Entwickler, in der man sich getraut hätte, ein Spiel nach einer altisländischen Handschrift des Mittelalters zu benennen - deren Original leider nicht erhalten ist.


Auch das Spieldesign hätte es nicht leicht gehabt: Immerhin geht es nicht um ein Rollenspiel, Action oder 4X-Strategie, sondern um Legetaktik im Brettspielstil. Die erinnert auf den ersten Blick ein wenig an Dorfromantik. Auch Landnama sorgt zwar für angenehm gemütliches Flair, wenn man bei rieselndem Schnee die Karte aufdeckt, aber es ist doch wesentlich anspruchsvoller und kompetitiver.



Immerhin geht es darum, einen Clan von der Ankunft auf Island über mehrere Generationen hinweg durch den Winter zu bringen. Nachdem man seine erste Hütte gebaut hat, kann man die umliegenden Hexfelder erkunden, aufdecken und bewirtschaften. Es gibt übrigens keine Rohstoffpalette, also weder Holz noch Stein: Je nach Gebäude bekommt man lediglich Herzen, die auch die universelle Gesundheit der Familie symbolisieren.


Und die hat im Winter mit immer höheren Abzügen zu kämpfen. Während das Jahr in pausierbarer Echtzeit voranschreitet, muss man also genug Herzen ernten. Manchmal kann man diese über mehrere Weiden auf angrenzendem Grasland oder das Entwickeln von Gebäuden erhöhen. Manchmal deckt man aber auch Gletscher auf, die sich nur als Lagerstätte anbieten. Es gibt eine Vielzahl an Gebäuden mit unterschiedlichen Effekten.



Wann man wie viele Herzen bekommt, wird in einer Leiste angezeigt. Dort erkennt man auch, wie viele man im Winter verlieren wird, wobei diese Zahl zwischen einem Minimal- und Maximalwert schwankt, so dass etwas Spannung entsteht. Auf jeden Fall kann man sehr gut planen, was man ausgeben möchte, zumal auch das Erkunden Herzen verbraucht. Und je weiter ein Gebiet von der Heimathalle entfernt ist, desto teurer wird es.


Mir gefällt nicht nur die legetaktische Reduzierung auf das Wesentliche gut, sondern auch das dezente Abenteuerflair. Man kann nicht nur besondere Wahrzeichen finden, die wertvolle Boni liefern. Es gibt auch kleinere Ereignisse wie Pfusch am Bau oder den Besuch des Allthings, die eine Entscheidung erfordern. Und selbst ein Zauber ist dabei, der so genannte Vegvísir (Wegweiser), den man einmal am Ende des Jahres einsetzen kann, um mehr Herzen zu behalten, falls der Winter doch zu hart wird.



Allerdings stammt dieser aus einem isländischen Manuskript des 19. Jahrhunderts. Das Landnámabók wurde hingegen im Mittelalter von Ari inn fróði (1068–1148) verfasst, also kurz nach dem Ende der Wikingerzeit, als Island schon über mehrere Generationen besiedelt war. Im Gegensatz zu den bekannteren Sagas hatte es eher historische Ansprüche und erwähnt hunderte, meist norwegische Siedler, die ab etwa 870 bis 930 dort landeten.


Das Spiel selbst verfolgt in dieser Hinsicht keinen simulativen Ansatz. Man kann zu Beginn aus diversen Clans wie Snorri wählen, die leicht unterschiedliche Fähigkeiten haben. Ziel ist es übrigens, alle sechs Regionen Islands zu besiedeln. Mir hat die Demo heute Morgen jedenfalls viel Spaß gemacht. Ich wünsche dem dreiköpfigen Team von Sonderland Games, bei dem übrigens kein Isländer, sondern ein Franzose, Kanadier und Deutscher entwickeln, viel Glück für den Release am 31. Juli auf dem PC. Landnama soll auch für PS4/5, XBS, SW und iOS erscheinen.



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