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Rezension: Der Kartograph (Brettspiel)

Das Brettspiel "Der Kartograph" erschien 2019 und entwickelte sich nicht nur unter Fantasyfreunden zum kleinen Geheimtipp. Die deutsche Version ist für knapp 20 Euro bei Pegasus Spiele erschienen und war hierzulande sogar als Kennerspiel des Jahres 2020 nominiert - was für meinen Geschmack allerdings etwas zu viel Komplexität suggeriert, denn das ist letztlich ein charmantes Spiel für zwischendurch. Aber der Ausflug in die Welt der bunten Karten lohnt sich.

Charmante Box, kreatives Konzept

Ein ergrauter Elf und sein kleiner Kobold brüten über einer Karte, Feder und Tinte stehen bereit, während im Hintergrund Wiesen in Wälder und ein Gebirge übergehen - die handliche Schachtel mit dem malerischen Cover dürfte so einige Abenteurer neugierig machen. Das charmante Artdesign stammt von Lucas Ribeiro, das Spiel selbst hat Jordy Adan konzipiert. Und die beiden Brasilianer haben einen Nerv getroffen, denn im Gegensatz zum Trend der immer komplexeren und üppiger ausgestatteten Boxen präsentieren sie ein kleines, aber feines Brettspiel mit einem innovativen Ansatz.


In der kleinen Schachtel steckt ein kreatives Taktik-Malspiel.

Hier wird nämlich nicht gekämpft oder erobert, sondern tatsächlich gezeichnet bzw. ausgemalt. Man schlüpft in die Rolle eines Kartographen, der im Auftrag seiner Königin fremde Länder erkundet. Das funktioniert so: Man zieht eine Karte vom Stapel, auf der ein Terrain wie Ackerland sowie eine oder zwei Formen erkennbar sind, von denen man eine in ein 11 mal 11 Felder großes Raster skizziert. Aber schon bevor man das macht, weht ein Hauch von Rollenspiel, denn auf dem freien Blatt Papier darf man ganz oben links seinen Namen, seinen Titel sowie in der Mitte ein Wappen eintragen.


Noch ist alles leer...

Das ist zwar für das Ergebnis des Spiels egal, denn es geht um die meisten Ruhmpunkte und nicht die schönste Karte, aber es regt doch die Fantasie an. Denn wenn man schonmal bunte Stifte vor sich liegen hat, kann man auch gleich einen amtlichen Charakter mit Hintergrund erstellen. Das Spiel basiert ja auf der Fantasywelt von Roll Player aus dem Jahr 2016 von Keith Matejka, in der man mit Würfeln, Gold und Training darum wetteifert, den besten Helden zu erschaffen. Jedenfalls entsteht hier schon direkt nach dem Auspacken eine kreative Atmosphäre. Aber wie spielt sich das? Sehr flott und kurzweilig.

Käsekästchen trifft Tetris

Es gibt ja das beliebte Malen nach Zahlen, bei dem man je nach Nummer andere Farben verwendet. Das hier ist ein bisschen ähnlich, nur malt man hier quasi frei nach Muster - das können Quadrate, Rechtecke, Kreuze oder Reihen sein. Da diese zufällig erscheinen, erinnert das ein wenig an Tetris, denn auch hier darf man diese geometrischen Figuren drehen, um sie dann in sein Raster einordnen. Außerdem gehören diese Figuren einer Farbe bzw. einem Geländetyp an: Es gibt Bäume, Bäche, Häuser etc., so dass daraus zusammen hängende Wälder, Flüsse oder Siedlungen entstehen können. Ein schöner Kniff: Man hat zwei Formen zur Auswahl, wobei einem die kleinere jede Runde zusätzlich Gold bringt - hier muss man abwägen, ob das Abdecken größerer Flächen oder die regelmäßige Einnahme letztlich lukrativer ist.

Das Artdesign ist bunt und charmant.

Zwar verschwinden hier keine Reihen gleicher Art wie ein Tetris, aber man bekommt durch geschicktes Platzieren schließlich mehr Punkte. Dabei ist aber nicht die Ordnung nach Farbe, sondern die Flexibilität Trumpf: In jeder der vier Jahreszeiten werden zwei andere aus vier ausliegenden Aufgaben belohnt, so dass man im Frühling vielleicht Punkte für jeden Wald am Rand der Karte sowie jedes Dorf aus mindestens sechs Feldern bekommt. Im Sommer, Herbst und Winter gelten dann jeweils andere, wobei sich über eine Spielrunde jede Aufgabe einmal wiederholt, so dass man durchaus etwas planen und taktisch skizzieren kann. Ein nettes Detail ist auch, dass man Richtung Winter immer weniger Zeit zum Kartografieren hat.

Miese Monsterüberfälle

Allerdings können einem die anderen Spieler im wahrsten Sinne des Wortes einen Strich durch die Rechnung machen: Laut Story erkundet man unbekannte Länder, die ja auch die Dragul für sich beanspruchen. Und hier wird der kompetitive Aspekt des Spiels um einen fiesen kleinen Eingriff verschärft. Denn sobald man eine Karte wie "Goblinattakce" oder "Grottenschratüberfall" zieht, tauscht man die bisherigen Karten untereinander aus und die anderen dürfen die geometrische Form irgendwo hinein zeichnen - und damit können sie natürlich gewisse Planungen durchkreuzen und aktive Ziele blockieren. Falls diese Angriffe nerven, lässt man die Karten mit Monstern einfach weg.

So unterschiedlich können die Karten am Ende aussehen.

Auf jeden Fall entsteht ein kunterbunter Wettbewerb, bei dem jeder möglichst effizient sein Raster füllt. Dabei wird nach jeder Jahreszeit abgerechnet, so dass vier Zwischenstände aus erwirtschaftetem Gold sowie entstehen, bevor das Endergebnis daraus addiert wird. So ein Durchgang läuft über eine gute Viertelstunde und meist hat man danach Lust auf eine Revanche, zumal sich nicht nur die vier von sechzehn Aufgaben, sondern auch die Landkarte ändern kann. Dreht man sein Papier um, gibt es neben der freien Landschaft auch eine mit einem Krater, um den man herum zeichnen muss. Auf beiden sorgen übrigens Gebirge sowie Ruinen für mehr Gold bzw. Sonderaktionen.

Zwei Varianten, unendliche Spielerzahl

Es gibt keine limitierte Spielerzahl - theoretisch kann man also mit zehn, zwanzig oder dreißig Leuten gleichzeitig loslegen. Allerdings gibt es in der Box "nur" 100 Landkarten auf dem Block; neben den 41 Karten sind auch vier kleine Bleistifte dabei. Schließlich seien noch zwei Varianten erwähnt: Zum einen kann man acht Fertigkeitskarten hinzufügen, von denen man drei pro Spiel aktiviert. So haben die Kartographen einmal pro Jahreszeit die Möglichkeit, ihr Gold für Spezialaktionen auszugeben, um z.B. größere Flächen, zusätzliche Formen oder andere Geländetypen zu zeichnen - so entsteht etwas mehr taktische Vielfalt, aber wir haben meist darauf verzichtet. Zum anderen kann man gegen eine Rangliste auch solo loslegen, wobei die Angriffe der Monster in vorgegebenen Bereichen stattfinden. Ab 30 oder mehr Ruhmpunkten hat man es auf Platz 1 zum Meisterkartographen gebracht.

FAZIT

Manchmal sind es die kleinen Ideen, die für großen Spaß sorgen. Vor allem, wenn man Besuch hat, den Kindern langweilig ist und man etwas Schnelles, aber Charmantes zocken will, ist "Der Kartograph" ideal. Das ist ein kompaktes Spiel, das man zwischendurch immer wieder gerne aus dem Regal holt, zumal man sich an zeitlose Minispiel-Klassiker wie Käsekästchen und Tetris erinnert fühlt. Vor dem Hintergrund einer Fantasywelt zeichnet man seine Karte, freut sich über vollendete Formen, hortet Gold und ärgert sich über garstige Monster. Es gibt genug Raum für taktische Planung auf dem Raster, dazu einen gewissen Glücksfaktor und auch nach zehn, zwanzig Partien genug Abwechslung. Zwar entfaltet sich nicht die Sogwirkung und Tiefe eines Hadrian's Wall, bei dem man ja auch zu Stift und Papier greift, aber in einer guten Viertelstunde entsteht ein ebenso kurzweiliger wie kreativer Wettbewerb. Für knapp zwanzig Euro kann man hier gar nichts falsch machen. Wer das Spielprinzip mag, könnte auch am Nachfolger "Die Kartographin" interessiert sein, der erweiterte Regeln anbietet und direkt kombinierbar ist. (Bilder: Der Kartograph, Pegasus Spiele, eigene Aufnahmen)

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