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Rezension: Hogwarts Legacy (PC, PS4/5, XBS)


Gleich vorweg: Meine Haltung gegenüber Hogwarts Legacy war neutral bis skeptisch. Ich mag Fantasy, ich mag Action-Rollenspiele in offener Welt, aber ich bin eben kein Potterfan. Ich habe die Bücher von J.K. Rowling nicht gelesen, weil sie mich thematisch nicht interessierten. Die Filme habe ich nur am Rande miterlebt, wenn meine Frau und Kinder sie geschaut haben; zwei von ihnen kennen auch die Romane in und auswendig. Also: das Genre ist mein Fall, das Thema ist mir fremd. Daher haben wir dieses Spiel in der Familie gezockt, um mehrere Perspektiven zu vereinen.




In der Ruhe liegt die Kritik

Das machen wir öfter und es läuft immer so, dass ich mich während des Spielens komplett zurückhalte, was die Analyse betrifft. Da sitzt also kein Meckerkopp und gibt seinen Senf zu allem ab, nur weil er das über zwanzig Jahre beruflich gemacht hat. Schon damals in der Redaktion habe ich es nicht gemocht, beim Spielen zu quatschen oder Kommentare von anderen dabei zu hören - schon gar nicht, wenn ich das erste Mal eine Welt betrete. Dieser Fachsprech war meist auf Schätzungen der Bildrate und die Lokalisierung beschränkt. Also: Es ruckelt! Oder: Die Sprecher gehen gar nicht!

Ich bevorzuge beim Spielen die Stille. Aber ich schnappe sehr gerne auf, was meine Frau und Töchter so denken. Jede Kleinigkeit kann da interessant sein, gerade weil sie auf andere Dinge achten. Außerdem bekomme ich hilfreiche Tipps und in Kämpfen profitiere ich von taktischen Hinweisen, wenn ich mal wieder was übersehe; so manchen Boss in Elden Ring hab ich so erledigen können. Ich hatte in diesem Fall auch noch Reiseführer mit literarischem Hintergrundwissen. Und nach dem spannenden Einstieg mit dem Drachen, der die fliegende Kutsche halb auffrisst, wollte ich doch wissen, ob mich dieser von finsteren Kräften gejagte Zauberlehrling und seine seltsame Verbindung zu alter Magie doch fesseln können.

Magische Vorfreude

Um mich herum war von Beginn an die Vorfreude zu spüren, denn als ich mit meinem frisch erstellten Charakter in Hogwarts ankam, bekam ich erstmal genealogische Hinweise dazu, dass Matilda Weasley eine Vorfahrin dieses rothaarigen Jungen ist, an den ich mich ganz vage aus den Filmen erinnerte. Zwar ist dieses Wissen um Bezüge nicht wichtig, zumal diese Geschichte ja Ende des 19. Jahrhunderts, also 100 Jahre vor den Ereignissen der Romane spielt. Aber für Kenner sind solche Rückbindungen natürlich wertvoll. Und davon gibt es einige, so dass sich Potterfans auch historisch zuhause fühlen dürften. Wer Fanservice sucht, der wird ihn hier reichlich finden.

Architektonisch und hinsichtlich des Interieurs kann Hogwarts überzeugen (PS5).

Jedenfalls konnten die Fans um mich herum nach der Ankunft in Hogwarts zunächst gar nicht still sein. Ich bekam etwa einhundertzweiunddreißig Vorschläge, was ich mir unbedingt als Erstes ansehen müsste: Gewächshaus, Eulerei, Pokalzimmer, Hogsmeade, Verbotener Wald! Ach so: Ich wurde nach kurzer Befragung dem Haus Ravenclaw zugeteilt, was zu einer recht lebhaften Diskussion führte, ob ich nicht eher ein Hufflepuff, Slytherin oder Gryffindor sei. Ich hab zwischen Häme und Gekicher nicht wirklich was verstanden, pochte auf mein Recht zur digitalen Selbstbestimmung und begab mich also als Ravenclaw ins Schulgebäude.

Prächtiges Schulgebäude

Und das war tatsächlich beeindruckend: Sowohl in seiner labyrinthischen Struktur, seiner famosen Architektur sowie dem üppigen Interieur mit seinen prächtigen Wandteppichen und Skulpturen. Als braver Fünftklässler folgte ich erstmal dem Tutorial von A nach B und C, zumal es während dieser geführten Spaziergänge schon viel zu sehen gab. Das Erlernen der Zauber über das Nachahmen von Symbolen mit dem Analogstick samt Knopfdruck wirkte zwar seltsam unspektakulär und überflüssig, aber das Enthüllen von kleinen Geheimnissen und die barocke Kulisse zogen auch mich zunächst in den Bann.

Vor allem die spukhaften Animationen von salutierenden Ritterrüstungen bis zu den bewegten Malereien, von den aus dem Nichts auftauchenden Treppen oder sprechenden Türen bis hin zu den misstrauisch blickenden Schatztruhen sorgten immer wieder für Hingucker. Hinzu kamen die umher stromernden Katzen sowie all die Schüler, die teilweise in Grüppchen über etwas sprachen. In diesem Einstieg war die Vorfreude jedenfalls ansteckend und ich war neugierig auf diese Umgebung, die mich auch dank verschlossener Türen mit ihren Symbolen immer wieder anhalten und stöbern ließ.

Der Zauber verfliegt

Doch dieser Zauber sollte Stunde um Stunde verfliegen, bis unter der ansehnlichen Kulisse immer deutlicher die Sammelhülle mit all ihren generischen Aufgaben zum Vorschein kam. Natürlich gibt es diesen Effekt auch in anderen offenen Welten. Aber gerade weil hier die Magie das zentrale Thema ist, weil das Geheimnisvolle und Zauberhafte ja den Kern der Faszination ausmachen könnte, bin ich doch überrascht, wie plump die Entwickler trotz all ihrer Hingabe für visuelle Reize in spielmechanische Gewöhnlichkeit, recht banale Hol-und-Bring-Quests sowie schwache Charakterzeichnung verfallen.

Die Figuren in Malereien bewegen sich, die Schnellreisedamen reden mit einem.

Von Beginn an schlichen sich Kleinigkeiten ein, die nicht nur mich störten, und die zusammen mit dem gewöhnlichen Spieldesign zu einer gewissen Ernüchterung führten. Natürlich in unterschiedlichem Ausmaß, aber selbst die Potterfans waren nach zwei Abenden schon ein wenig enttäuscht und überlegten, ob sie sich Hogwarts Legacy überhaupt kaufen sollten - was vorher gar kein Thema war, sondern Pflicht. Es fielen Kommentare wie:

"Ach, wenn mir langweilig ist, kann ich das mal zocken."

"Schade, das sieht so toll aus, aber ist so durchschaubar."

"Ich mag Harry Potter, aber keine Ubisoft-Spiele."

"Das ist ja ein ganz schlichtes Kinderspiel."

"Warum reden die wie im ZDF-Fernsehgarten?"

Ich kann komplett nachvollziehen, wenn man dieses Action-Rollenspiel als Fan unterhaltsam findet. Und es gibt ja genug positive Besprechungen, die ausführlicher auf die Vorzüge dieser Welt eingehen. Aber ich möchte anhand von einigen Punkten erläutern, was bei mir schließlich zur totalen Entzauberung führte. Es hätte ja auch sein können, dass mich dieses Spiel zumindest auf solidem oder guten Niveau unterhalten kann, aber Hogwarts Legacy zündet aus folgenden Gründen einfach nicht.

Mega-Power-Trank

Fangen wir mit der scheinbaren Kleinigkeit an, dass es in einem Spiel über Magie im 19. Jahrhundert einen Mega-Power-Trank gibt. Ich fand das plump, weil es irgendwie nach Ninja Turtles klingt, aber um mich herum wurden die Potterfans erst bleich und waren dann regelrecht wütend, dass man das so übersetzt. Im Original heißt das Gebräu wohl Wiggenweld Potion, aber scheinbar fiel das niemandem negativ auf. Wenn das nur einmal im Menü auftauchen würde, wäre das nicht schlimm, aber er ist auch gesprochen in Dialogen zu hören und kann als Heilmittel gebraut werden. Natürlich ist dieser Kritikpunkt minimal, zumal die deutsche Übersetzung samt Sprachausgabe ansonsten gelungen ist.

In Hogsmeade kann man einkaufen und so manchen magischen Schabernack erleben.

Aber er deutet schon eine gewisse Oberflächlichkeit an, die sehr früh neben all den liebevollen Animationen und Zaubereien sichtbar wird. Avalanche Software hat sich visuell wirklich viel Mühe gegeben, aber zeigt zu selten einen Blick für die Magie hinter dem Offensichtlichen. Spiele wie Tunic haben demonstriert, dass man selbst das Handbuch in ein zauberhaftes Mysterium verwandeln kann, das es zu entschlüsseln gilt. Auch hier bekommt man ein Handbuch samt Landkarte, aber damit dechiffriert man quasi ganz Hogwarts, öffnet den typischen Sammelkatalog und spoilert schon einiges von dem, was von Reittieren bis zum Raum der Wünsche noch kommt.

VIP statt Schüler

Recht früh findet man in Truhen zig Schals, Handschuhe, Umhänge und Mützen, so dass man sich neu einkleiden kann - ich sah bald aus wie Kermit der Frosch. Allerdings reagiert niemand darauf, weder die Schüler noch die Lehrer, obwohl sie alle in ihren Schuluniformen samt Hausabzeichen unterwegs sind. Selbst wenn ich mich so kleide wie ein Anhänger der dunklen Künste oder ein Feind von Hogwarts, ist das egal. So darf ich als Fünftklässler an diesem arkanen Elite-Internat meine exklusive Modenschau veranstalten.

Das geht so weit, dass man unabhängig vom eigentlichen Aussehen eines Kleidungsstücks ein anderes Outfit nach außen anzeigen kann, was als so genannte Transmogrification aus World of WarCraft bekannt ist. Warum sollte man das machen? Vielleicht hat der hässliche Umhang ja tolle Eigenschaften, denn jedes Ausrüstungsteil verfügt über Seltenheitswerte und defensive sowie offensive Fähigkeiten. Und man findet so schnell neues Zeug, dass man sich quasi ständig umziehen kann, wenn man denn auf maximale Werte für den Kampf achtet. Das hat mich übrigens schon an God of War Ragnarök gestört.

Auch die Landschaft ist ansehnlich, wenn auch nicht so beeindruckend wie in Horizon Forbidden West.

Schlimmer ist, dass ich mich nicht wie ein Neuling fühle, der sich erstmal in Hogwarts beweisen muss, sondern wie ein VIP mit Sonderrechten. Der auch noch als Schlaumeier alle Probleme löst, sich fast keinerlei Regeln unterwerfen muss und von den Professoren nebenbei Zauber erlernt. Letzteres kann man natürlich erzählerisch begründen, schließlich ist man als einer der wenigen in der Lage alte Magie zu sehen. Aber es gibt im Einstieg auch keinerlei Anbindung an die eigene Vergangenheit als Kind, so dass man sich als Charakter schon vollständig fühlt. Als ein Rollenspiel, das aus einem hochbegabten Schüler einen Helden auf seiner Reise entwickeln möchte, scheitert dieses Hogwarts Legacy recht früh.

Schwaches Figurenverhalten

Dazu tragen auch die fehlenden Reaktionen bei, denn nicht nur das eigene Aussehen bleibt unkommentiert: Wenn man im Dörfchen Hogmeads unterwegs ist, reden lediglich die Inhaber der Läden mit einem, die gerade für die Story relevant sind. Aber in den anderen Shops bleiben die Verkäufer stumm wie Fische, was sofort negativ auffällt, denn ansonsten ist dieses Dorf liebevoll designt: Kinder spielen, Leute flanieren und manche Bonbons lassen einen schweben. Aber in allen Läden darf man einfach so hinter die Theke oder in Hinterzimmer gehen, um dort Truhen zu öffnen, um noch ein paar Schals oder Gold abzustauben. Davon hat man schnell so viel, dass die zwanzig Plätze belegt sind, so dass man sie verkaufen oder vernichten muss, weil man zunächst keine eigene Kiste hat.

Später gibt es übrigens Szenen, wo Ladenbesitzer auch Diebe hinaus jagen, aber zwischen diesen Inszenierungen und dem selbst Gespielten gibt es immer wieder Brüche. Zwar inszeniert man z.B. den Erwerb des ersten Zauberstabs als etwas Besonderes, aber alles andere an Ausrüstung wird zur Beute im digitalen Konsumkreislauf. Das teils unrealistische Figurenverhalten plagt zwar viele Action-Rollenspiele, aber da sich Hogwarts Legacy eben nicht nur auf den Kampf fokussiert oder eine dämonische Welt inszeniert, fällt das in diesen friedlichen Erkundungsphasen besonders auf. Und man hätte zumindest in Hogwarts, wo zunächst alles so lebendig und zauberhaft wirkt, mehr glaubhafte Reaktionen und weniger Truhen zum Abstauben einbauen können. Denn selbst wenn man in den Fluren vor aller Augen die großen Doppeltüren öffnet, die über Symbole samt Zahlenrätsel verschlossen sind, interessiert das direkt davor niemanden.

Vo dem Verbotenen Wald wird man gewarnt.

Es gibt also weder ein anerkennendes Nicken noch eine Reaktion, so dass sich dieses Aufdecken und Lösen manchmal wie eine künstliche Parallelwelt anfühlt, in der man als einziger Schüler überall verborgene Handbuchseiten aufsammelt, Koboldsteine findet oder schwarze Spiegel befüllt. Manches ist im Ansatz richtig gut, aber von kreativen Geheimnissen oder selbst einer längeren Suche kann irgendwann keine Rede mehr sein, denn alles wiederholt sich und man wird im Zweifel idiotensicher vom goldenen GPS zur gesuchten Skulptur oder zum Schmetterling geführt. Dieses anspruchslose Erfüllen von Kleinigkeiten führt dann dazu, dass man fast automatisch Erfahrungspunkte gewinnt und wie in einem Fahrstuhl im Level aufsteigt.

Levelfahrstuhl und Uzizauber

Der ist auch irgendwann relevant, wenn man sich in die weite Welt außerhalb von Hogwarts begibt. Da alle den Verbotenen Wald sehen wollten, bin ich natürlich so schnell wie möglich dorthin. Und bevor man ihn betritt, sorgt er mit all den Warnschildern und dem düsteren Blätterwald noch für angenehme Ungewissheit. Auch die Landschaft kann sich übrigens sehen lassen, vor allem Flora und Fauna, auch wenn Gewässer aus weiter Sicht mit ihrer künstlichen Oberfläche qualitativ abfallen und es manchmal zu Pop-ups kommt. Man erreicht auch nicht die Qualität eines Horizon Forbidden West, aber das sind Peanuts, denn es macht Spaß, sich zwischen Bergen und Wäldern umzusehen.

Also zurück zu diesem Verbotenen Wald: Sobald man sich hinein begibt, lässt die Struktur von World of WarCraft grüßen, so dass man z.B. anhand der Farbe und Level über einer Riesenspinne erkennen kann, dass man hier noch nicht stark genug ist. Auch das ist etwas, das viele Spiele machen, auch ein Fallout in konzentrischen Kreisen rund um das Startgebiet. Allerdings könnte man die Illusion der Gefahr länger aufrecht erhalten, wenn man den Spieler all die Kreaturen und Strukturen nicht so offensichtlich durchschauen ließe. Oder anders: Ich hätte mich gerne mal gegruselt oder plötzlich in diesem Wald erschrocken. Denn dann wäre ich auch später gerne langsam durch die Welt gewandert, anstatt irgendwann nur noch die Teleportfunktion zu entdeckten Orten zu nutzen.

Neben Hogwarts und der Siedlung gibt es viele kleine Orte.

Nach der Entdeckung eines Monsters oder Feindes folgt natürlich der Kampf, der umgehend die nächste Entzauberung einleitet: denn der Zauberstab ist in seiner Grundfunktion eine Uzi, mit der man schnell hintereinander ballern kann. Immerhin reicht stupides Dauerfeuer nicht aus, denn je nachdem, wie sich die Gegner schützen, muss man ihre Deckung aufbrechen, Kombos ausführen oder die Spezialfähigkeit aktivieren. Man kann sie z.B. in die Höhe schleudern oder mit Feuer eindecken, sie mit Gegenständen bewerfen und ihren Attacken ohne Ausdauerverlust über eine Rolle ausweichen. Diese Kampfmechanik ist recht gewöhnlich, aber sorgt bei stärkeren Feinden wie Trollen sowie Bossen für einigermaßen taktische Gefechte. Trotzdem kann die Steuerung nicht nur bei der Zielfixierung der Feinde, sondern auch beim Besenreiten und Klettern mal zicken.

Schlimme Charaktere und Gespräche

Im Kampf habe ich auch tatsächlich nicht mehr erwartet, aber was mich richtig enttäuscht hat, waren die teils stupiden Nebenquests, die gewöhnlichen Dialoge und die vielen belanglosen Charaktere - das Drehbuch dieser offenen Welt ist jedenfalls recht flach. Ich hätte z.B. gedacht, dass sich die Zugehörigkeit zu einem Haus, die Tagesezeit, kombinierte Zauber oder andere Dinge mal kreativ auswirken, aber davon war in den ersten sechs Stunden nur ganz selten etwas zu sehen. Trotzdem blitzt es ab und zu auf, wenn man den Spieler endlich mal alleine etwas rätseln lässt. Aber warum geschieht das nicht öfter? Ganz unterhaltsam waren die kleinen Schleicheinlagen samt Ablenkung der Wachen, aber ansonsten wirkte vieles zu gewöhnlich oder teilweise schrecklich stupide.

Da soll ich z.B. für eine andere Schülerin ein versunkenes Familienartefakt bergen, wobei sie scheinbar Angst vor dem See hat. Da denkt man beim Kraulen im Wasser natürlich an Loch Ness und Seeschlangen, aber nichts passiert und man muss lediglich in einem deutlich sichtbaren Farbenkreis markierte Luftblasen erreichen, kann dort per Knopfdruck tatsächlich weitere Schals und Handschuhe (!) abstauben, bevor man endlich das geschätzte Astrolabium bergen kann. Immerhin darf man sich in der anschließenden Dialogoption weigern, es auszuhändigen. An dieser Stelle baten mich übrigens alle darum, möglichst gehässig zu sein, weil sich immer mehr über die schlichten Charaktere und Aufgaben aufregten.

Die magischen Kleinigkeiten sind oftmals das Highlight.

Meist bieten die Gespräche eine weniger nette Antwort, aber sie sind weder verschachtelt noch erzählerisch interessant, außerdem werden zu oft Sätze wiederholt. Die peinliche Hexe im Gewächshaus brachte dann auch die Potterfans mit ihrer kitschigen Attitüde auf die Palme; hier fiel übrigens das Stichwort: ZDF-Fernsehgarten. Für mich war die Begegnung mit der Archäologin ähnlich schmerzhaft, denn ihr pseudomysteriöses Gerede über Notizen und Geheimnisse rund um Merlin führte letztlich dazu, dass ich einen Meter weiter weg drei Feuerschalen entzünden musste, um mich ein wenig wie Indiana Jones zu fühlen. Sie erwähnte allerdings noch einige andere Säulen, die es zu finden gilt. Als sie mir schließlich zuraunte, dass der legendäre Merlin auch mal ein Schüler in Hogwarts war, brauchte ich einen Whisky und wollte erstmal nicht weiterspielen, um nicht noch was von Gandalf zu hören.

FAZIT

Ich mag Action-Rollenspiele, ich mag offene Welten und Fantasy. Aber Hogwarts Legacy hat mich komplett ernüchtert. Natürlich bin ich kein Potterfan, so dass viele Bezüge zur Hintergrundwelt bei mir nicht zünden können. Und ich muss Avalanche Software für die visuelle Hingabe hinsichtlich der vielen charmanten Kleinigkeiten ausdrücklich loben, die auch meine Neugier geweckt haben. Aber Stunde um Stunde sammelten sich mehr Kritikpunkte und nagten derart an der Faszination, dass unter der zauberhaften Oberfläche immer mehr die gewöhnliche Sammelhülle sichtbar wurde. Hogwarts Legacy ist letztlich kein archaischer Magier, sondern ein geschickter Gaukler. Und es kann bekanntlich Spaß machen, seinen Tricks und Kunststücken zuzusehen, vor allem wenn man in seinem Umhang all die bekannten Flicken und Muster aus den Büchern erkennt. Aber mich kann weder die Story noch die Spielwelt fesseln, ich sehe weder interessante Charaktere oder Antagonisten noch kreative Rätsel oder Herausforderungen. Hogwarts Legacy ist mir als Fantasy-Abenteuer einfach zu wenig zauberhaft und zu schnell durchschaut.


(Bilder: Hogwarts Legacy, PS5, eigene Aufnahmen)

36 Comments


Labrador Nelson
Labrador Nelson
Feb 23, 2023

Danke für die Review. War angesichts der Potter-Lobhudelei andernorts sehr erfrischend, aber hauptsächlich und erwartungsgemäß ernüchternd. Da ich die Romanvorlagen und die Filme im Großen und Ganzen albern fand, da es sich in meinen Augen lediglich um ein Fantasy-Patchwork und einen bemühten und wild zusammengemixten, aber letztlich verwässerten Magie- und Zauber-Cocktail handelt und ich mit den menschenverachtenden Ansichten von J.K.Rowling nicht konform gehe, werde ich das Spiel wohl weiterhin links liegen lassen.

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Dr Kuolun
Dr Kuolun
Feb 22, 2023

Sehe ich das richtig? Im Großen und ganzen handelt es sich um einen hübschen Schalsammel-Simulator?

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Shake_s_beer
Shake_s_beer
Feb 18, 2023

Eine schöne Rezension! Ich selbst habe mit dem Potter Universum auch nichts am Hut und allein daher schon kein großes Interesse an dem Spiel.

Und was ich in dieser und anderen Rezensionen gelesen habe, scheint es kein Spiel zu sein, was man auch als Nicht-Fan unbedingt gespielt haben muss.


Da bleibe ich lieber bei Metroid Prime Remastered. Das hat aktuell sogar Last of Us 2 von der Bank geschubst, was ich eigentlich aktuell gespielt habe.


Eine Anmerkung hätte ich übrigens noch zur eingesprochenen Rezension: Das Wort "Legacy" wird überlicherweise mit einem G wie Gustav gesprochen und nicht "lätschäsie". Es tut mir leid, dass ich da so pingelig bin, aber so etwas triggert mich leider und stört dann aktiv meinen Hörgenuss…

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erugaming77
erugaming77
Feb 17, 2023

Danke vielmals für die Rezension. Sehr schön. Vor allem die Perspektive deiner Familie 😊. Ich zähle mich auch zu den Fans des Potter Universums, Filme wie Bücher. Ich habe das Spiel noch nicht gekauft, werde es früher oder später aber sicher holen. Ich denke, dass ich nach all dem Weltraum Horror und ev. nach dem baldigen RE4 Remake etwas Erholung in Hogwarts ganz gut gebrauchen kann🤣.

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Jörg Luibl
Jörg Luibl
Feb 16, 2023

Auf Twitter hat Jason Schreier das Spiel übrigens auch hinsichtlich der politischen Debatte entschärft und ganz gut eingeordnet:


Having now played most of Hogwarts Legacy I am here to inform you all that the story is not antisemitic, it's just dull. The most impressive part of the game is Hogwarts Castle, which is meticulously designed. But the combat is repetitive and unwieldy (you have to swap between four different spell wheels) and, like most games these days, the whole thing is way too bloated. I'm sure hardcore Harry Potter fans will get a lot out of this thing, but if you've decided to boycott Hogwarts Legacy or you're done with the franchise because of Rowling, I don't think you're missing…


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Dr Kuolun
Dr Kuolun
Feb 22, 2023
Replying to

Ich mochte den - wenn auch recht langen - Artikel auf Kotaku zu der Rowling-Debatte.

https://kotaku.com/hogwarts-legacy-review-harry-potter-rowling-transphobia-1850127849

Hier hat jemand sehr genau hingeschaut und findet im Umgang mit den Goblins eine interessante parallele zwischen Erhalten eines Staus Quo zwischen traditioneller Mehrheit (Wizards) gegenüber einer Minderheit (Goblins) und damit einer zentralen Sichtweise von Rowling.

Ansonsten interessiert mich die Potter-Welt nicht die Bohne, aber als Spielefreund schaut man sich diesen nicht nur popkulturellen problematischen Diskurs dann doch an.

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