Summer Game Fest 2025: Meine fünf Favoriten
- Jörg Luibl
- 7. Juni
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 8. Juni
Geoff Keighley hat sich im Einstieg bemüht, seiner zig Millionen Dollar schweren Show die Aura von Gemeinschaft, Gleichberechtigung und Auswahl zu verleihen: Gleich seht ihr das Große und das Kleine fair nebeneinander! Gleich seht ihr die Stars und sogar das Geheime, das ihr in der schrecklichen Flut der Spiele verpassen könntet!
Es roch (fast) nach Investigativjournalismus, als er über die zehn meist verkauften Spiele auf Steam sprach, sogar ein Bild dazu an die Wand warf, auf dem von R.E.P.O. und Schedule bis The Elder Scrolls IV: Oblivion und Monster Hunter Wilds nicht nur Triple-A-Prominenz zu sehen war. Es gibt sogar Solo-Entwickler und kleine Studios, die richtig erfolgreich sein können ...
Okay, das ist seit weit mehr als einem Jahrzehnt so. Aber was weiß man in diesen hektischen Zeiten noch von dem, was gestern war? Außerdem ist die Story vom kreativen Underdog eine zeitlos gute. Selbst wenn es dreißig kreative Underdogs sind, kann sie so gut sein, dass selbst Emmanuel Macron jubelt. Und genau wie er muss Geoff seine Game Credibility pflegen, sonst wächst die Distanz zur Basis.
Denn letztes Jahr klang es eher nach Glitzer, Gold und Dubai, als die Preise von 250.000 bis 550.000 Dollar für Trailer von einer bis zweieinhalb Minuten öffentlich wurden. Und das in einer Zeit, in der die so verzweifelt mit der schwierigen wirtschaftlichen Situation - also mit den eigenen Fehlentscheidungen sowie der Gier - kämpfenden Publisher zig Studios schließen und tausende Menschen auf die Straße werfen.
Aber nachdem sein langes Schweigen als gut bezahlter Branchenfreund doch zu peinlich wurde, hob Geoff erstmals den mahnenden Finger, appellierte 2024 sogar auf der Bühne an die Verantwortung:"It’s a reminder to big companies they have to treat their developers right, because today there are money paths to sustainability and success and that’s what makes this industry so, so great."
Am besten spricht man darüber in aller Ruhe auf einem gemütlichen kalifornischen Sommerfest, und zwar in einer Tagungskabine mit Sitzplätzen für sechs Leute samt Tischservice für schlappe 20.000 Dollar pro Tag. Falls das für ein Independent-Studio etwas viel ist, kann man für 500 Dollar normale Biz-Dev-Partner-Tickets kaufen. Außerdem werden immer einige Gratis-Trailer ausgestrahlt, für die von Geoff ausgewählte Indies nix zahlen!
Doch diese redaktionelle Großzügigkeit ging im Wirbel der Millionenumsätze noch etwas unter. Also muss man die Show nach dem Appell weiter erden, näher ran an den normalen Spieler und den zockenden Untergrund, der von Leidenschaft und Inspiration, wenn nicht sogar Revolution lebt. Spürt ihr ihn nicht auch, diesen trotzigen Hauch? Natürlich tut ihr das. Geoff sogar schon seit letztem Jahr, immerhin ist er ein Journalist, der sogar dem Red Ring of Death nachspüren wollte.
Ja, da liegt eine Veränderung in der Luft, die Physik des Spiels ist eine ganz andere. Sie schweben in digitalen Wolken, leicht und locker von der Macht der Unreal Engine angetrieben - und schon kosten prächtig großartige Spiele nur 50 statt 90 Dollar! Dann zückt der Showmaster den Joker namens Publikumsliebling und sagt: Manche Entwickler, wie jene von Clair Obscur: Expedition 33, haben "sich mutig vom großen Publisher abgesetzt", um ihren eigenen Weg zu gehen.
Jubel im Saal!
Es fehlte nur noch die Marseillaise. Die gab es zwar nicht, obwohl Geoff immerhin Kanadier ist, aber dafür etwas rebellische Gänsehaut. Na also, das ist der Weg! Zumindest so lange, bis sich zu viele große Publisher vom Gastgeber absetzen. Aber warum sollten sie das? Diese Branche war schon immer ein knallhartes Business, bei dem das Marketing- und PR-Geld genau dorthin fließt, wo die meisten Spieler hinsehen und wo man sie am besten beeinflussen kann.
Jetzt aber los, die Show mit knapp 50 Spielen kann ...
[Sorry, kurzer Einschub: Vom großen Publisher Ubisoft war natürlich kein Spiel dabei. Die haben sogar ihre eigene Show abgesagt und diskutieren die Zukunft von Assassin's Creed, Rainbow Six und Far Cry nicht in Paris oder Hollywood, sondern im chinesischen Shenzen.]
... beginnen:
Mortal Shell 2, Fortnite’s Death Star Sabotage Event, Death Stranding 2, Chronicles: Medieval, Sonic Racing Cross Worlds, Code Vein II, End of Abyss, Mouse P.I. for Hire, Game of Thrones: War For Westeros, Atomic Heart II, The Cube: Atomic Universe, Marvel Cosmic Invasion, Onimusha: Way of the Sword, Felt That Boxing, Killer Inn, Arc Raiders, Dune Awakening, Chrono Odyssey, Mio: Memories in Orbit, Out of Words, Mafia: The Old Country, Lego Voyagers, Nicktoons and the Dice of Destiny, Lies of P Overture, Fractured Blooms, Jurassic World Evolution 3, Mina the Hollower, Deadpool VR, Dying Light: The Beast, Mixtape, Towa and the Guardians of the Scared Tree, Acts of Blood, Scott Pilgrim EX, Mind’s Eye, 007 x Hitman Crossover, Lego Party, Wildgate, Blighted, ILL, Mecha Break, Infinitesimals, Street Fighter 6, Last Flag, Wuchang: Fallen Feathers, Wu-Tang: Rise of the Deceiver, Into the Unwell, Splitgate 2, Stranger Than Heaven, Resident Evil 9: Requiem.
Na, war das nicht eine kuratierte Flut? Wie man erkennen kann, fehlte da mehr als Ubisoft. Von Nintendo war kein Spiel dabei. Auch nicht von Microsoft. Oder von Sony. Oder FromSoftware. Oder CD Projekt RED. Auch keine Rockstars, wobei Capcom tatsächlich im letzten Akt den Saal rockte. Zwar gab es schon vorher grafisch beeindruckenden Ekelhorror in ILL. Aber bei aller Liebe zum expliziten Gemetzel erinnerte mich der wandernde Körperfleischsalat an die Ernüchterung von The Callisto Protocol - nein, brauch ich nicht. Dagegen wirkte Resident Evil 9: Requiem auch im Kontext seiner eigenen Tradition angenehm frisch, eher vom gediegen mysteriösen Flair à la Akte-X getragen - das macht mich neugierig auf den 27. Februar 2026.
Aber das war der finale Tusch, dem kaum etwas vorherging. Schon letztes Jahr war das ja eine eher unspektakuläre Veranstaltung, aus der ich kaum neun Favoriten finden konnte - diesmal sind es nur fünf. Wenn man Soulslikes der zweiten Reihe sehr gerne mag, könnte noch was dabei sein: Code Vein II, Chrono Odyssey, Wuchang: Fallen Feathers - aus China gibt es immer Hingucker. Und man lernt mit all den Studios immer mehr Städte kennen, in denen sie vom Staat kontrolliert werden, um als Soft Power in die Welt der Games zu wirken - diesmal ist es übrigens Chengdu im Südwesten, da gibt es Pandas. Hab ich ein Soulslike vergessen? Ja, aber ich bin kein Freund der neuen Wummen in Mortal Shell 2, auch wenn es mir musikalisch sympathisch ist und ich den Vorgänger durchaus mochte. Aber ganz ehrlich? Es wird zu viel, jetzt kommen schon die Nachfolger der Epigonen. Bloodborne 2 wäre das einzige Soulslike außerhalb der direkten Macht von FromSoftware, das ich wirklich gerne spielen würde. Also bitte Sony, füllt die Live-Service-Lücke endlich mit diesem überfälligen Seelenservice. Ach so: Der DLC von Lies of P wurde zeitglich mit der Show veröffentlicht.
Viel mehr Lust hätte ich auf ein großes Rollenspiel, aber das Genre war leider nicht zu sehen - wie gesagt: Kein CD Projekt RED, kein Larian und so weiter. Moment, da gab es diese Ritter im Plattenpanzer, die so aussahen, als hätte man sie samt Streitross aus Kingdom Come: Deliverance II entführt? Richtig: Chronicles: Medieval. Der Held sah fast so aus wie Heinrich, als er da durch das Lager schlenderte, aber hui - da sprach tatsächlich Tom Hardy (Taboo, Mobland). Das Mittelalter-Rollenspiel ist vom Hundertjährigen Krieg zwischen Franktreich und England inspiriert. Obwohl das wie ein Total War aussieht, soll es im 14. Jahrhundert nicht nur um Kampf, sondern in offener Welt bis Nordafrika um Erkundung, Diplomatie, Spionage, Handel und Entscheidungen mit Konsequenzen gehen. Und das alles im ersten Spiel? Sieht technisch kompetent aus, entsteht bei Raw Power Games in Dänemark für den PC, soll Anfang 2026 in den Early Access gehen und für Mods offen sein.
Überhaupt wird das grafisch Eindrucksvolle immer relativer, denn immer mehr Spiele erreichen - zumindest auf den ersten Blick - ein visuelles Niveau, das man vor ein paar Jahren nur den großen Studios zutraute. The Cube: Atomic Universe und Atomic Heart II von Mundfish erinnerten in ihrer Präsentation an eindrucksvolle Immersive Sims wie BioShock & Co. Aber hier fällt mir der Verzicht leicht, denn es geht um Soft Power aus Moskau: Zwar inszenierte der Vorgänger in seiner halb offenen Welt einen guter Shooter, der auch musikalisch ablieferte. Aber Spiel und Politik gingen eine faule Symbiose ein. Nicht aufgrund der offensichtlichen Verherrlichung der Sowjetunion, die rein ästhetisch sehr gut gelungen war. Aber der ständige Verweis auf echte Männer und eine Story, die nahezu komplett das politische Narrativ des Kreml, auch mit all seinen gesellschaftlichen Feindbildern transportierte, haben diese im Ansatz interessante Utopie immer wieder entzaubert. Im Spiel wurde gerne über Weicheier und Feiglinge gelästert, aber den Mut zu einer kreativen russischen Utopie im Kontrast zum aktuellen Putinismus hatten die Entwickler nicht. Im Gegenteil: Sie unterstützten ihn. Und deshalb ist der Nachfolger für mich kein Thema. Da spiele ich im Zweifel lieber die echte Mafia: The Old Country im alten Sizilien, aber so richtig lockt mich das bisher Gezeigte nicht an.
Einiges war dabei, auf das ich mich so richtig freue. Da wäre natürlich ganz weit oben Death Stranding 2: On the Beach, das ich hier aber weglasse, weil es bald erscheint und noch viel Platz in Vertiefung sowie Rezension bekommt. Und als alter Freund der Reihe komme ich um Onimusha: Way of the Sword natürlich nicht herum. Erst kürzlich hab ich in der Flaschenpost 149 das Remaster Onimusha 2: Samurai's Destiny vorgestellt, das 2002 auf der PlayStation 2 erschien. Und wer weiß, vielleicht steckt da ja auch einiges von den Rollenspiel-Impulsen drin, mit denen es Keiji Inafune damals zum besten Teil der dämonischen Samurai-Saga machen konnte? Mal abwarten, aber was auf jeden Fall besser ist: die Kamera.
Überaus sympathisch war mir als Freund von Jim Henson das Puppenboxen in Felt That Boxing, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass das spielmechanisch abliefert. Da könnte ich mir schon eher vorstellen, mich durch das schwarzweiße Comicuniversum von MOUSE: Privatdetektiv im Stile der 30er Jahre zu ballern. Es gab nur ein Spiel in der Show, das mein Retroherz etwas höher schlagen und gleichzeitig auf Substanz hoffen ließ, obwohl ich bei Pixelwelten sehr wählerisch bin: Mina the Hollower. Dieses Action-Adventure ahmt den Stil des Game Boy Color nach und entführt in eine Gothic-Horror-Welt mit Tierwesen, in der man an einige spielerische Tugenden von Klassikern wie The Legend Zelda und Castlevania anknüpft. Es kommt von Yacht Club Games aus Los Angeles, die seit 2014 mit ihrem Plattformer Shovel Knight so große Erfolge feierten, dass sie selbst als Publisher aktiv sind.
Last but not least ist mein kleiner Geheimtipp der Show End of Abyss, denn dieses Action-Adventure von Section 9 Interactive aus Schweden hatte ich bisher nicht auf der Uhr. Man hat nicht viel gesehen, aber es versprüht angenehm maritimes Horrorflair in Top-Down-Perspektive und soll 2026 für PC, PS5 und XBS erscheinen.
Ich heiße Jörg Luibl, bin freier Journalist und biete mit Spielvertiefung seit November 2021 ein unabhängiges Magazin an, in dem die Kultur und nicht der Klick relevant ist. Ich arbeite alleine und verzichte komplett auf Werbung, Kooperationen sowie über KI erstellte Inhalte. Diese Alternative zum Reichweiten-Journalismus ist nur dank der Unterstützer über Steady möglich.
Gerade mal durch die Trailer auf dem IGN Youtube Kanal gezappt. Kurz: in Summe langweilig.
Für Freunde des gepflegten Horrors/ Horrorgemetzelz war sicher einiges dabei. Ich kann damit gar nichts anfangen. Auch mit Extraction-Shootern oder PvP Shooter geben mir so gar nichts.
Charmant fand ich Mixtape und Out of Words. Stranger Than Heaven sieht nach Film Noire und der japanischen Variante von Phillip Marlow aus. Das macht zumindest neugierig.
Wuchang sieht wie Wukong aus, nur ohne den Affen. Sieht aber verdammt schick aus. The first Descendant lässt mich gleich an Stellar Blade denken. Beides finde ich nicht uninteressant.
Am Ende gibt es aber kein vorgestelltes Spiel, dass mich so richtig neugierig macht und diesen unbedingt-haben-wollen Effekt auslöst.
Für mich sah ILL und Westeros am interessantesten aus. Der Rest war irgendwie mehr vom Gleichen.
Mina the Hollower sieht echt nett aus.
Ich hol gerade so nach und nach auf, was ich verpasst habe. Mortal Shell war ja seinerzeit eine angenehme Überraschung und Code Vein war einer der wenigen Souls-Klone, den ich noch mitgemacht habe und der - mit Ausnahme der DLCs - durchaus überzeugen konnte. Aber schon als ich nur davon las, dass beide einen Nachfolger bekommen, dachte ich mir: Muss das sein?
Die Trailer haben an dem Eindruck erst mal nichts geändert, eher im Gegenteil. Hat mich beides komplett kalt gelassen.
Dann lieber endlich Lies of P samt DLC nachholen. :)
Ansonsten nur wenig dabei.
Resident Evil: Requiem ist natürlich ein Highligt, aber dass die 9 kommt, war nun schon lange bekannt. Aber der Ersteindruck kann sich schon mal sehen…
Moin. Die erste Hälfte des Textes ist ungewohnt zynisch mit einem Hauch Bitterkeit. Ich hoffe die Steuererklärung wird bald fertig!
Ich fand die Show so mittel. In ihrer Form fand ich sie angenehm fokussiert auf die Trailer, was man ja bei Geoff aber auch gewöhnt ist. Nur es waren nicht viele Highlights dabei für mich. Ich finde Chronicles Medieval sehr spannend irgendwie. So eine Mischung aus strategischem Befehlen großer Armeen und dem ausgefochtenen Duell mitten im Geschehen. Nur ich fürchte, dass das dennoch gar nichts mehr für mich ist. Tom Hardy ist natürlich ein klasse Griff.
Daher hier meine Top 3, der Spiele, die ich wirklich spielen möchte:
Death Stranding 2 - Der "Trailer" hat bei mir sofort wieder voll…