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Rezension: The Elder Scrolls IV: Oblivion Remastered (PC, PS5, XBS)

Aktualisiert: vor 2 Tagen

Eigentlich war keine Rezension zu diesem Remaster geplant, zumal es direkt am Tag der Ankündigung für PC, PS5 und XBS veröffentlicht wurde. Es gab ja Gerüchte, doch ich wurde wie viele andere überrascht. Zwar hätte ich mich über ein Comeback von The Elder Scrolls III: Morrowind noch mehr gefreut. Denn das Rollenspiel aus dem Jahr 2002, das ich in einer Vertiefung besprochen habe, ist für mich rückblickend der beste Teil der Reihe. Und es löst bis heute eine seltsame Sehnsucht aus. Allerdings knüpfte Oblivion vier Jahre später in vielen Bereichen daran an. Es hinterließ 2006 einen so starken Eindruck, dass ich für 150 Stunden darin versank und den zweithöchsten Award zückte. Also wollte ich nur mal kurz reinspielen, um ein wenig in alten Zeiten zu schwelgen.





Nur mal kurz reinspielen...


Tja, mittlerweile führe ich mit meinem Khajiit ein Doppel- oder Dreifachleben. Ich mache in der Diebesgilde subversive Karriere im Auftrag des per Steckbrief gesuchten Graufuchses, bestehle sogar die Toten, deren Geister mich verfolgen und hab den Hauptmann der Stadtwache im Nacken. Ich bin gleichzeitig als fahrender Katzenritter samt Schild und Wappen auf der Jagd nach Banditen und habe im verfluchten Gemälde eines Malers Trolle mit Terpentinpfeilen erlegt. Außerdem schwinge ich heroisch das Katana für die Bruderschaft der Klingen, schreite tapfer durch feurige Tore der Daedra, um sie zu schließen und ganz Tamriel sowie den einzigen Erben des verstorbenen Kaisers zu beschützen.


Zwar lachen Soulsveteranen mit ihren Bossnarben nur müde über die einfachen Kämpfe nach Schema F, in denen man zwar blocken, mal zwischen Hieben wechseln und auf seine Ausdauer achten muss, aber als Bogenschütze z.B. locker im Kreis laufen und Feinde in Igel verwandeln kann - falls man so schnell und agil ist wie ein Khajiit. Aber wenn man eines der Portale in der Ferne sieht, die wie ein übergroßes Hufeisen glühen, und die Leute über ihre Angst vor der Invasion reden, spürt man durchaus die Gefahr. Übrigens auch aus den Boxen bzw. Kopfhörern, denn in Portalnähe brummt und wummert es immer bedrohlicher. Allerdings sollte man dort weder den Horror einer Schandstadt noch den lebensfeindlichen Sumpf von Hidetaka Miyazaki erwarten.


Snorri, der diebische Khajiit.
Snorri, der diebische Khajiit.

Andererseits tut es auch mal gut, Hindernisse im ersten oder zweiten Anlauf zu beseitigen. Außerdem hatte Bethesda dazugelernt und inszenierte deutlich reifer: Einer der größten Kritikpunkte an Morrowind betraf ja eine vor sich hin plätschernde Hauptgeschichte, die den Spieler trotz ihrer apokalyptischen Aussicht für die Welt nicht wirklich tangierte. Man verpasste es, den Helden mal am Kragen zu packen und auf diese Gefahr hinzuweisen. So verloren sich die meisten Abenteurer in den epischen sowie spannender erzählten Gildenquests, und ahnten lange Zeit gar nicht, welches Unheil im Land der dunkelelfischen Dunmer lauerte. Zumal man dann meist so abstrus stark war, dass es gar keine Gegner mehr gab.


Es entstand ein Bruch im Spielgefühl, den Bethesda vier Jahre später auf zwei Arten kitten wollte. Zum einen sollte die Hauptgeschichte stringenter erzählt werden, zum anderen sollte die Balance durch das Mitleveln der Gegner sowie Beute auf lange Sicht gewährleistet werden - mit allen anderen Nebenwirkungen, die sowohl The Elder Scrolls als auch Fallout seitdem begleiten. Denn wenn der Goblin oder die Ratte so stark sind wie der über viele Quests gestählte Held mit all seiner Expertise und Ausrüstung, dann kann die Motivation ebenfalls einbrechen. In Fallout legte man irgendwann konzentrische Kreise mit wachsenden Levelgrenzen der Monster rund um den Startbunker, so dass ein all zu flotter Erkunder bald viel zu starken Mutanten begegnete. Trotzdem fand Bethesda selbst in Skyrim keine optimale Lösung, wo die Drachen viel zu leicht vom Himmel fielen.


Dramatischer Einstieg


Bethesda beging die Fehler in Oblivion jedenfalls nicht nochmal. Man ließ Feinde zusammen mit dem Spieler stärker werden, was in diesem Remaster allerdings zu dessen Gunsten etwas abgeschwächt wurde, und appellierte mit dem sterbenden Kaiser sofort an die Verantwortung des Spielers, zumal Veteranen diesen Uriel Septim VII. seit Morrowind kannten. Auch dort lancierte er die Befreiung aus einem Gefängnis, von langer Hand geplant und von düsteren Alpträumen begleitet. Diesmal hält er sich nicht im Hintergrund, sondern taucht mit seiner Leibgarde vor der Zelle auf. Seine im Intro pathetisch staatstragende, aber dann ins Persönliche und Tragische wechselnde Ansprache geht direkt in die Szene über, in der er höchstpersönlich samt Leibgarde vor der Zelle des eingesperrten Spielers steht. Meuchelmörder sind hinter ihm her, haben bereits seine Söhne getötet.


Kaiser Uriel höchstpersönlich spricht im Einstieg mit dem Spieler.
Kaiser Uriel höchstpersönlich spricht im Einstieg mit dem Spieler.

Zunächst wirkt es wie ein hanebüchener Zufall, denn nur hier verläuft ein unterirdischer Fluchtweg aus der Stadt. Aber dann wundert sich die Leibgarde, dass diese Zelle überhaupt besetzt ist, denn sie sollte immer leer bleiben. Und plötzlich steht Uriel direkt vor dem Spieler, schaut ihm in die Augen und spricht davon, dass er ihn in seinen Träumen gesehen habe. Spätestens als er einem das Amulett der Könige überreicht, glaubt man ihm und folgt seiner Entourage irritiert in den Untergrund, wo man bald von maskierten Meuchlern angegriffen wird. Dieser Einstieg gehört vom Intro bis zum ersten Blick auf die offene Welt, wenn man die Katakomben verlässt und endlich Tageslicht sieht, zu den besten der Rollenspielgeschichte.


Außerdem brennt man dem Spieler die drohende Gefahr bald mit feurigen Portalen ins Auge. Sie entstehen manchmal an festen Orten, manchmal zufällig bzw. je nach Voranschreiten überall rund um die Kaiserstadt. Es gibt irgendwann dutzende, sie wirken wie Übergänge in ein Mordor und führen von der Welt Mundus, auf der sich der Kontinent Tamriel befindet, in eine andere Ebene des Chaos. Darunter das Reich des Vergessens namens Oblivion, aus denen die dämonisch wirkenden Daedra und ihre Schergen strömen - die übrigens eine recht differenzierte Gesellschaft mit eigenen Hierarchien besitzen, die von so genannten Prinzen angeführt werden, die untereinander wetteifern.


So ähnlich wie sich Sam und Frodo in einen dunklen Turm ins Herz von Saurons Finsternis wagen müssen, um den Ring zu vernichten, muss der Spieler jeweils einen Turm erklimmen, um die Tore zu schließen. Allerdings geht Bethesda mit dieser Invasion nicht so weit, zeitkritisch Druck aufzubauen und bleibt der zweigeteilten Dynamik von Morrowind treu. Sprich: Trotz Kalender und in Echtzeit ablaufender Tage kann man über die Wahl der Quest entscheiden, wann und wo das Drama weitergeht. Das führt natürlich dazu, dass die Angst vor der Invasion relativiert wird, denn so manche Schlacht wird quasi eingefroren. Aber genau diese unrealistischen Pausen machen den Reiz des Abenteuers mitsamt seiner freien Erkundung aus.


Hintergrund aus Büchern


Und während Morrowind auf der Insel Vvardenfell aufgrund technischer Limitierungen auf knapp neun Quadratmeilen beschränkt war, warten hier inklusive der beiden Erweiterungen über 20 Quadratmeilen, mit deutlich mehr Städten, Höhlen und Katakomben. Elden Ring kommt z.B. auf 30 und The Legend of Zelda: Tears Of The Kingdom bietet mit 46 Quadratmeilen die größte aktuelle Spielwelt, wenn man No Man's Sky außen vor lässt. Apropos prozedurale Welterstellung: In Morrowind war noch deutlich mehr von Hand platziert, waren die Dungeons viel kleiner, während man in Oblivion sowohl hinter den dämonischen Portalen als auch in der Tiefe durch mehr generische und teilweise weit verzweigte Gänge streift, die ohne automatische Kartierung sogar Städte und Höhlen verbinden.


Da ist er, der Ausgang in die offene Welt...
Da ist er, der Ausgang in die offene Welt...

Und es ist cool, wenn man in einem Privathaus eine Falltür entdeckt, die dann nicht nur in einen Keller, sondern von dort zu einer Pforte mit einem böse blickenden Schädel führt. Zwar gibt es unter Tage auch Fallen, die meist offensichtlich an der Decke platziert sind und durch Druckplatten ausgelöst werden - man kann auch selbst welche auslösen. Hinzu kommen kleinere Rätsel, wenn man etwa den Hebel für einen Geheimgang in einem Fass finden oder andere Zugänge per Schalter öffnen muss. Aber das ist kein Spiel für anspruchsvolle Dungeon-Crawler und mir gefielen die wie Hügelgräber gestalteten Dungeons in Morrowind besser. Sie waren kleiner, aber dafür überaus stimmungsvoll samt einiger Überraschungen designt. Je nachdem, welcher Clan hinter dem Grab steckte, gab es mehr oder weniger zu finden, bis hin zu gar keiner Beute. Und genau das war wichtig, denn so fühlten sich die Orte echter und nicht so generisch an wie manche Höhle hier.


Klassische Fantasy

Trotzdem wirkte die Wildnis in Oblivion schon lebendiger als in Morrowind, wo man sich auf so mancher Wanderung durch die sterile Natur wie auf einem Mond fühlen konnte. Und ich jubelte damals: Das ist der erste Wald der Videospielgeschichte, der diesen Namen auch verdient. Tja, darüber muss ich heute natürlich schmunzeln, denn dieses Oblivion sieht zwar ordentlich aus, hat einige schöne zerfurchte Täler, lockt immer noch mit seinen verwitterten Ruinen, und wenn es abends im Lampenschein einer Gasse gewittert und regnet, fühlt sich das stimmungsvoll an. Aber trotz Unreal Engine 5 sieht diese Neuauflage in der Landschaft zwei Klassen schlechter aus als ein Dragon's Dogma 2 oder Assassin's Creed Shadows. Flora und Fauna wirken eher spröde als lebendig, zumal die Anziehungskraft der Geografie ein wenig darunter leidet, dass sie rund um die Hauptstadt in der Mitte manchmal künstlich konstruiert wirkt.


Die Kaiserstadt aus der Ferne.
Die Kaiserstadt aus der Ferne.

Trotzdem dürften sich klassische Fantasyfans wie Zuhause fühlen. Während durch Morrowind ein Hauch des Exotischen wehte, der auf ästhetischer Ebene sowohl Erinnerungen an das alte Ägypten als auch Dune wecken konnte, wenn man etwa an die violetten Hügeln oder außerirdisch anmutenden Riesenflöhe denkt, wirkt Oblivion mit seinem Fachwerk in den Städten, mit seinen Wappen und Schildern sowie den Burgruinen deutlich europäischer. Zwar gibt es auch entfernt japanisch inspirierte Motive, vom Katana der Klingen bis hin zu den verschiebbaren Wänden in ihrer verschneiten Festung, außerdem gibt es in den Dungeons leicht außerweltliche Momente, wenn man hellblau leuchtende Schalter bedient und sich plötzlich Wände bewegen. Aber das ist grundsätzlich westliche High Fantasy im Tolkien'schen Sinne.


Und an der Oberfläche dürfte sich niemand so verirren wie in Morrowind, wo man trotz Kompass und einiger Straßenschilder ein geografisches Gedächtnis brauchte. Denn Bethesda hat den Reisekomfort deutlich erhöht: Zwar muss man Höhlen und Dungeons erst entdecken, um sich später dorthin zu teleportieren, aber man kann in diesem Remaster sofort in einzelne Stadtbezirke auf der ganzen Karte reisen. Abraten muss ich allerdings vom Pferd: Selbst wenn es tapfer gegen Goblins kämpft, waren die Animationen schon damals schwach, überhaupt nicht zu vergleichen mit der Eleganz eines Shadow of the Colossus, und auch mit Unreal Engine 5 wirkt dieses Reiten wie ein steif stolzierender Anachronismus.


Spazierendes Abenteuer


Also bin ich lieber spaziert. Denn man kann das dämonisch Apokalyptische oder politisch Dringliche ja links liegen lassen, sich in obskuren Nebenquests treiben lassen oder dem Gemütlichen widmen, während die wunderbare Musik von Jeremy Soule im Hintergrund läuft. Wie wärs mit dem Sammeln von Büchern, die man seitenweise lesen kann? Sogar mit guten deutschen und in drei Stufen vergrößerbaren Texten? Da erfährt man mehr über diese Prinzen der Daedra und warum der Begriff Dämonen zu kurz greift. Oder was da eigentlich in Morrowind oder den anderen Provinzen los ist. Manchmal hat das auch praktischen Nutzen für den Spieler, vom Hinweis auf einen verlorenen Schatz bis zur Abhandlung über legendäre magische Artefakte und Waffen, denen man nachspüren kann.


Die Lokalisierung war ja im Original von 2006 ein Graus, aber jetzt macht das Schmökern Laune. Also sammle ich zwischendurch Bücher und bin seit dem Release tatsächlich jeden Abend in Tamriel unterwegs. Irgendetwas entspannt mich einfach, wenn ich dieses Spiel starte. Und zwar auf eine andere Art als aktuelle Rollenspiele wie z.B. Baldur's Gate 3 oder Dragon's Dogma 2. Dieses Oblivion ist mit seinem spazierend gemütlichen Abenteuergefühl ein Vorläufer des entfernt verwandten Kingdom Come: Deliverance, aber bietet darüber hinaus natürlich das magisch Phantastische, das witzig Groteske und teils brutal Unheimliche einer über Jahrzehnte gewachsenen Welt.


Ruinen und Höhlen findet man quasi überall.
Ruinen und Höhlen findet man quasi überall.

Für mich als passionierter Rollenspielhistoriker sind die Bücher diesmal sogar interessanter als anno dazumal. Denn sie bieten nicht nur eine literarische Vielfalt, vom derben Lied über die Dämonenbeschwörung, von der Anleitung zum Götzendienst über die historischen Abhandlung, sondern führen darüber hinaus zu den Wurzeln dieser Fantasy. Und die reichen zurück bis in die Pen&Paper-Welt von Glorantha. Der Amerikaner Greg Stafford (1948-2018) konzipierte diese mythisch geprägte Fantasy seit 1975 in White Bear and Red Moon, das 1981 als Dragon Pass international bekannter wurde.


Inspiriert von Glorantha


Im Gegensatz zum damals schon boomenden Dungeons&Dragons knüpfte sie nicht an die Tradition der Wargames an, sondern an jene das fantastischen Erzählens, so dass Glorantha bis heute als eine der dichtesten Pen&Paper-Welten gilt. Was hat sie mit Oblivion zu tun? Sie lieferte die direkte Inspiration für Ken Rolston und sein Team von Bethesda, als sie für Morrowind den Hintergrund aus über 300 Büchern samt vergangener Kulte, Schlachten und Halbgötter erschufen. Das war kein Fantasy-Kitsch, es gab eine innere Dynamik mit Gilden, Sekten und Geheimbünden, mit Drogen, Ausländerhass, dunklen Riten und religiösem Fanatismus, also eher düsteren Erzählstoff bis hin zu Kannibalismus und Nekrophilie.


Das war nach Planescape Torment und Baldur's Gate 2 die umfangreichste Lektüre überhaupt in einem Videospiel. Zwar war Todd Howard der Director, aber die Regie für Design und Story führte jener Ken Rolston, der 1985 den H. G. Wells Award für seine Mitarbeit am Regelwerk des dystopischen SciFi-Rollenspiels Paranoia erhielt und der federführend am Revival von RuneQuest beteiligt war. Vieles was auf den über 1200 Seiten in Morrowind zu lesen war, hat er dann für dieses Oblivion und später Skyrim wiederverwertet. Allerdings mit einem Unterschied, der Rolston nicht besonders gefiel, weil die Texte so weniger flexibel und verzweigt waren: und zwar der kompletten Vertonung der Dialoge.


Mit Drehscheibe und Gold


Er meinte später in einem Interview, dass die Kids von heute so etwas wohl bräuchten und verwies darauf, dass er nicht mehr das alleinige Sagen für die Erzählweise hatte, wie noch in Morrowind. Es gibt in Oblivion jedenfalls keine ausführlichen Multiple-Choice-Gespräche, man kann oftmals nur Stichpunkte durchgehen und in Entscheidungen annehmen oder ablehnen. Das wirkt gerade im Vergleich zur Erzählkultur des frühen BioWare recht hölzern und manchmal plump - dazu gehört eines der schlimmsten Dialogsysteme der Rollenspielgeschichte, was das Überreden angeht. Auch in diesem Remaster muss man damit umgehen, wenn man seinem Gegenüber eine wichtige Antwort entlocken will, denn sonst geht manche Quest nicht weiter.


Hinter den Portalen muss man einen Weg in den Turm finden und sie deaktivieren.
Hinter den Portalen muss man einen Weg in den Turm finden und sie deaktivieren.

Zwar bestimmt das eigene Charisma den Grundwert wie in guten Rollenspielen. Aber um jemanden zu überreden, muss man nicht etwa geschickt Antworten auswählen oder rhetorische Fähigkeitenproben bestehen wie in Baldur's Gate 3, sondern ein wirklich blödes Minispiel absolvieren, um den eigenen Sympathiewert beim Gegenüber auf etwa 70 von 100 zu drehen, indem man prahlt, schmeichelt, droht oder witzelt. Das sieht fast so aus wie ein Glücksrad, nur dass es keine Zufälle, sondern sofort sichtbare Prognosen über die Mimik für das Ergebnis gibt. Sobald jemand vor der Wahl einer Antwort lächelt oder grinst, wird das Charisma steigen.


Aber ganz so leicht ist es nicht, denn er findet nicht alles toll und einen Witz oder andere der vier Aktionen darf man nur einmal wählen. Tja, dann steht man da und die Quest ist eine Sackgasse. Falls das Überzeugen so nicht klappt, darf man seinen Charme jedoch einfach durch Bestechung per Gold erhöhen - und niemand findet das doof, selbst rechtschaffene Leute nicht. So kann man quasi jeden Charakter vom Fürsten bis zur Magd primitiv überzeugen. Immerhin funktioniert das nicht bei einigen wichtigen Schlüsselfiguren, so dass die Story nicht über die total künstliche Korruption ausgehebelt werden kann.


Gute Dialoge, viele Anekdoten


Außerdem bieten die Dialoge abseits dieses hanebüchenen Überzeugens so viele Überraschungen, dass man im Gegensatz zu aktuellen Action-Rollenspielen, in denen man nur seine Quests abholt, genauer und teilweise verblüfft zuhört. Als ich vor einigen Tagen mit meinem Khajiit durch Skingard spazierte, sprach mich eine Dunmer, eine Dunkelelfin mit blutroten Augen, einfach so auf Nekrophilie an. Und als ich gestern in Leyawiin unterwegs war, erzählte mir ein Argonier einen überaus unterirdischen Witz über die Essgewohneiten meines Volkes, bevor ich nur wenige Dialoge später dem Rassismus der Khajiit gegenüber diesen Echsenwesen begegnete. Eine Nebenquest führte mich dann in die Abgründe eines versteckten Folterkellers, den man diesem Fürsten nicht zugetraut hätte.


Häufig gestaltete sich eine Situation oder Aufgabe nicht so, wie es zunächst schien und es gab nicht selten alternative Lösungswege, auch wenn viele Quests linear abliefen. Man konnte manches jedoch subtil, magisch oder brutal lösen, um z.B. Beweise oder Zeugen zu finden, wenn man wie ein Detektiv im Auftrag der Gräfin durch eine Burg stromert. Man konnte der Magiergilde selbst ein gefährliches Buch beschaffen oder die Suche einer Frau überlassen, die den Ruf einer Hexe genießt. Die Belohnung fällt in allen Fällen anders aus: die Kriegergilde rechnet Verluste nur Zähne knirschend ein und zahlt weniger, während die Diebesgilde einen mordenden Langfinger entweder Blutzoll zahlen lässt oder ganz rausschmeißt.


Man kann von Beginn an in Stadtteile auf der kompletten Karte teleportieren.
Man kann von Beginn an in Stadtteile auf der kompletten Karte teleportieren.

Hinzu kommen Anekdoten und Geheimnisse, die vom Politischen ins Alltägliche reichen, die den Reiz einer Welt ausmachen, in der vier menschliche Völker (Bretonen, Kaiserliche, Nord, Rothwardonen) und drei Elfenvölker (Altmer, Bosmer, Dunmer) zusammen mit den katzenartigen Khajiit, echsenähnlichen Argoniern und barbarischen Orks leben. Apropos: Ich wurde gestern zusammen mit einer Ork-Lady im Plattenpanzer zum Ritter geschlagen und musste auf der Nebenquest mit ihr unweigerlich an Brienne von Tarth aus George R.R. Martins Das Lied von Eis und Feuer denken. Zwar unterscheidet sich die Fantasy in elementaren Bereichen, vor allem was die Magie und Wesen betrifft, aber es gibt einige Bezüge zwischen den Motiven aus The Elder Scrolls und Game of Thrones, von den moralischen Graustufen über die alltägliche Grausamkeit bis zum politischen Realismus à la Machiavelli.


Die seit 1996 erschienen Fantasyromane waren den Autoren von Bethesda natürlich schon seit Morrowind bekannt - Band 4, A Feast for Crows, erschien z.B. ein Jahr vor Oblivion in den USA. In der Tonalität gibt es Gemeinsamkeiten, die vielleicht dem Fantasy-Zeitgeist entsprachen, der sich schon etwas länger vom märchenhaft-klassischen Abenteuer entfernte, aber wesentlich wichtiger für die interessanten Hintergründe war die erwähnte Pen&Paper-Welt Glorantha. Auf jeden Fall merke ich selbst nach zwanzig Jahren, dass man sich da richtig gut reinschmökern kann, weil man das Gefühl bekommt, dass es da um Konflikte und Realitäten geht, hinter denen nicht nur ein Leveldesign, sondern eine gewachsene Geschichte steckt.


Kein virtuoses Remaster


Allerdings gehört zu dieser Tradition aus dem Hause Bethesda spätestens seit The Elder Scrolls II: Daggerfall aka Buggerfall eine Welt voller Fehler. Wie so oft plagten auch Oblivion nicht wenige Bugs zum Release und die deutsche Lokalisierung war wie erwähnt ein Graus. Davon gibt es in diesem Remaster deutlich weniger, aber es gibt sie. Manche sind ärgerlich, andere amüsant, wenn etwa ein Feind nach dem finalen Schlag durch den Raum jagt wie ein Kreisel. Außerdem ist es mir in zehn Tagen auf der PS5 etwa ein halbes Dutzend mal abgestürzt - was zumindest bei mir ein trauriger Konsolenrekord ist.


Das Remaster bietet viel bessere deutsche Texte als das Original.
Das Remaster bietet viel bessere deutsche Texte als das Original.

Bethesda hat diese Remaster zusammen mit dem in Shanghai von einem ehemaligen Ubisoft-Manager gegründeten Entwickler Virtuos konzipiert. Der Firmensitz liegt zwar in Singapur, aber das Unternehmen ist seit 2004 schnell gewachsen, hat mittlerweile 25 weltweite Standorte und zählt laut eigenen Angaben über 4200 Mitarbeiter. Sie haben sich von China aus erfolgreich auf Portierungen diverser Art für große Kunden von Microsoft bis Square Enix spezialisert. Dazu gehörte z.B. auch für Bandai Namco das Dark Souls: Remastered für PC und Konsolen, das 2018 erschien und gute Kritiken erhielt.


Allerdings ist dieses Remaster von Oblivion im aktuellen Zustand auf der PS5 alles andere als virtuos. Denn mal abgesehen von den Crashes läuft es nicht sauber. Und zwar weder im hübscheren Grafik- noch in dem eigentlich auf Leistung optimierten Performance-Modus. Es gibt neben Rucklern auch Texturnachlader in XXL sowie Pop-ups in der Wildnis, die manchmal fast vom Himmel fällt. Immerhin kommt so für Veteranen richtig altmodisches Bethesda-Release-Gefühl auf, denn kein Rollenspiel aus dem Hause erschien jemals in einem flüssigen und polierten Zustand.


Das kann man jedoch von einem Remaster nach zwanzig Jahren erwarten. Natürlich sieht die Welt von Tamriel deutlich besser aus als anno dazumal auf der Xbox und profitiert von technischen Verbesserungen hinsichtlich der Auflösung und Beleuchtung, von der fein genähten Lederrüstung bis zur verschneiten Festung im Hochland samt Polarlicht. Richtig ansehnlich ist z.B. das Wandern der Schatten im Sonnenverlauf. Und die Beleuchtung von Gassen am Abend ist ebenso schummrig wie das Knistern des Lagerfeuers in einer Taverne gemütlich ist. Zusammen mit der Musik von Jeremy Soule entsteht also trotz der erwähnten Defizite eine stimmungsvolle Atmosphäre.


Die Städte können sich sehen lassen, aber sind schrecklich leer.
Die Städte können sich sehen lassen, aber sind schrecklich leer.

Allerdings ist dieses Oblivion trotz Unreal Engine 5 eher eine spröde Schönheit, der man ihr Alter deutlich ansieht. Das Figurendesign samt Kleidung und Wappen ist gut, aber wenn es um die kantigen Gesichter, die Mimik und Gestik im Speziellen sowie Animationen im Allgemeinen geht, muss man trotz sichtbarer Verbesserungen gegenüber dem Original immer ein Auge zudrücken. Hinzu kommt die teils gespenstische Leere in den Gassen, selbst in der Hauptstadt, so dass von Leben und Trubel keine Rede sein kann; das fühlt sich fast so an, als hätte es eine Epidemie gegeben.


Immerhin könnte man sich als Rollenspieler den Tod des Kaisers sowie die Invasion der dämonischen Daedra als erzählerischen Grund für die Angst der Leute einreden, aber diese Leere habe ich schon damals ebenso kritisiert wie das Dialogsystem. Dafür hatte sich das Figurenverhalten gegenüber Morrowind deutlich verbessert, wo es keinerlei Tagesabläufe im statischen Alltag gab und man recht einfach Händler bestehlen und fliehen konnte - das war kein Vergleich zum reaktiven Niveau eines Gothic 2 aus dem Jahr 2002. Und das hatte sich Bethesda offensichtlich gut angeschaut.


Auch wenn das Pferd tapfer kämpft: das Reiten macht keinen Spaß.
Auch wenn das Pferd tapfer kämpft: das Reiten macht keinen Spaß.

In Oblivion kann man beobachten, wie die Leute am Morgen in ihre Geschäfte oder abends nach Hause ins Bett gingen, wie sie auf der Straße oder in der Taverne ein Schwätzchen halten, aus dem man auch mal einen Hinweis auf Beute aufschnappen kann, wenn man es sich notiert. Denn das Gesagte wird wie damals nicht immer umgehend in eine Quest des Tagebuchs verwandelt. Jeder hat einen Namen und ist ansprechbar, wobei manche sehr unwirsch darauf reagieren oder einem sogar drohen können. Auch das Lesen von Notizen auf einem Tisch oder Taschendiebstahl kann sich lohnen, zu einer Quest oder über einen Schlüssel zu lukrativer Beute führen.


Verbrechen und Schlösser knacken


Außerdem wird deutlich besser auf Verbrechen reagiert. Man wird sogar durch Türen und die ganze Stadt verfolgt, wenn man einfach so flieht. Und so manche Wache warnt einen böse, falls man sensible Bereiche betritt, bis sie irgendwann die Faxen dicke hat und zuschlägt, während Zivilisten bei einem Einbrecher fliehen und Hilfe holen. In manchen Häusern hat man nur ein kurzes Zeitfenster von etwa einer halben Minute, um sie ungestraft zu verlassen und Diebstahl wird ebenso bestraft wie Mord. Zwar kann man sich freikaufen oder per Dietrich aus der Zelle fliehen, aber parallel zum Ruhm für edle Taten wächst auch die Verrufenheit für kriminelle Aktionen.


Apropos Dietriche: Die braucht man in reichlicher Zahl für das Schlösser knacken, das als Minispiel inszeniert wird und auch im Remaster so manchen ungeduldigen Dieb ebenso fluchen lassen wird wie in Kingdom Come: Deliverance 2. Man sieht das Schloss z.B. mit vier Bolzen im Querschnitt, muss sie mit seinem Dietrich nach oben stupsen und darauf achten, wie schnell sie wieder nach unten sinken. Dann muss man vom langsamsten bis zum schnellsten Bolzen alle nacheinander arretieren, indem man mit gutem Timing noch mal drückt, kurz bevor sie ganz oben sind. Schafft man es einmal nicht, zerbricht der Dietrich und alle sinken wieder herab.


Kann man etwa in das Gemälde reisen?
Kann man etwa in das Gemälde reisen?

Das klingt nach reinem Timing, aber selbst wenn man es korrekt macht, brechen die Dietriche bei höheren Schwierigkeitsstufen anscheinend willkürlich, was nervig ist. Immerhin kann man es auch automatisiert versuchen, dann zählen die eigenen Fähigkeiten als Dieb. Magier können verschlossene Schatzkisten auch öffnen, indem sie zaubern. Und zu den wunderbaren Momenten in Oblivion gehört immer noch, wenn man auf Grundlage seiner Taten plötzlich von der Diebesgilde oder der Dunklen Bruderschaft kontaktiert wird. Erst danach öffnen sich die Wege in ihre geheim operierenden Organisationen mit eigenen Quests und Rängen.


Spielmechanisch muss man als Action-Rollenspieler der Soulslike-Ära ohnehin Abstriche machen: Es gibt keine Zielfixierung und weil Friendly Fire wirkt, haut oder schießt man in den Kämpfen schonmal auf einen Verbündeten, so dass die einen angreifen und man eine Quest vielleicht neu starten will. Schleicher profitieren ein wenig von der visuellen Hilfe des Remaster, wenn sie sich im Schatten verbergen und heran pirschen. Bogenschützen können so dreifachen Schaden anrichten und wer einen Dolch führt und von hinten attackiert, sogar achtfachen Schaden und damit meist sofort töten. Auf die Leichen oder fallen gelassene Ausrüstung reagiert übrigens niemand, so dass man seine Beute auch später abholen kann.


Mit diesem Ork ist  nicht zu spaßen.
Mit diesem Ork ist nicht zu spaßen.

Für Sammelnaturen gibt es nicht nur Bücher, sondern über 9000 Objekte vom Schädel über Krüge und Vasen bis hin zu Knoblauch und Brot, die man theoretisch einstecken oder in sein Haus schaffen kann, falls man denn eines kaufen durfte. Apropos Zutaten: Das Alchemiesystem gehörte damals zu den besseren des Genres, denn man muss sich die Wirkung all der Pflanzen und Mittel langsam erschließen, um daraus Tränke zu brauen. Aber ich habe diesmal komplett darauf verzichtet und auch so genug Tränke gefunden. Neben dem manuellen Speichern wird übrigens auch häufig automatisch gesichert.


FAZIT


Als The Elder Scrolls IV: Oblivion am 20. März 2006 auf PC und Xbox 360 erschien, etwa ein halbes Jahr vor Gothic 3 und Neverwinter Nights 2, füllte es als Rollenspiel mit offener 3D-Welt eine große Lücke. Und trotz seiner Defizite habe ich es mit dem zweithöchsten Award ausgezeichnet. Das ist fast zwanzig Jahre her, aber ich erinnere mich sehr gut daran, was mir neben der dicht verwobenen Fantasywelt und den vielfältigen Quests besonders gefallen hat: das Erkunden in der weiten Landschaft, die Wälder und Ruinen. Diese visuelle Anziehungskraft kann das Remaster trotz Unreal Engine 5 nicht mehr entfalten, auch wenn es ansehnlich modernisiert und um Animationen sowie Beleuchtung bereichert wurde. Man muss nur mal in den Sattel steigen, um sofort die Lust am Reiten zu verlieren. Auch andere Kritikpunkte von damals wie das schlimme System des Überzeugens in Dialogen tauchen wieder auf. Die Kämpfe sind zwar ein wenig reaktiver, aber als Soulsfan dürfte man nur müde lächeln und eher fröhlich pfeifend als angespannt durch die vielen Dungeons stromern. Die sind zwar im Vergleich zu Morrowind viel größer, aber auch generischer designt. Und die Abstürze auf der PS5 haben bei mir einen Rekord von über einem halben Dutzend erreicht. Dennoch spiele ich dieses Remaster seit Release gerne, sogar täglich, weil es mich auf seltsame Art entspannt. Das liegt nicht nur an der wunderbaren Musik von Jeremy Soule, sondern am pseudohistorischen Flair einer Welt, die mehrere Zeitalter und Kaiser, Umwälzungen und Kriege hinter sich hat, die mich als Rollenspieler in ihrer Vielfalt an Göttern, Völkern, Anekdoten und Quests schon seit Morrowind angelockt hat. Es war im Gegensatz zum eher lokalen Abenteuer eines Gothic eine Art von Grand Fantasy, in der man frei sein eigenes Abenteuer suchen konnte. Schon Morrowind definierte sich, ganz in der Tradition von Wizardry sowie eines Pen&Paper-Rollenspiels, konsequent über diese Freiheit. Dabei führt die Regie in Oblivion die Zügel deutlich reifer und die Story wird besser erzählt als in Morrowind, das ich rückblickend trotzdem höher einschätze, weil es mich tiefer in seine exotische Welt hinein zog. Aber weil dieses Oblivion auf diesen Fundamenten aufbaut, ist seine Wirkung bis heute ähnlich stark. Trotz des heroischen Pathos dreht hier jeder sein eigenes Ding, vom mordenden Kult bis zur politischen Revolte, so dass man gerne vom Weg abzweigt und teilweise toll überrascht wird. Im Kontext moderner Rollenspiele und in diesem fehleranfälligen Zustand ist das keine sehr gute Neuauflage, und technisch nicht zu vergleichen mit jener von Demon's Souls. Aber dieses Abenteuer kann vieles mit seiner Atmosphäre kompensieren und ich tauche gerne ab, um mich für ein oder zwei Stündchen gut unterhalten treiben zu lassen. (Bilder: The Elder Scrolls IV: Oblivion, Bethesda, PS5, eigene Aufnahmen)


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