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Buchtipp: Lebende Legenden

Ich habe über die Jahre sehr viel an Fantasy- und Science-Fiction-Literatur gesammelt. Aber wenn ich in meinen Regalen nach Romanen suche, in denen es um das Spielen oder Spieler an sich geht, sei es digital oder analog, dann finde ich tatsächlich nur zwei.


Da wäre zum einen Ready Player One (2011) von Ernest Cline, in dem das Videospiel quasi zur eigenen Welt mit Geschichte geworden ist; die Verfilmung von Steven Spielberg dürften die meisten kennen. Etwas weiter unten (und reichlich verstaubt) liegt zum anderen Die Welt des Meisters (1983) von Joel Rosenberg. Da geht um eine Pen&Paper-Gruppe, die plötzlich vom Tisch in eine Fantasywelt katapultiert wird; daraus entstand eine mehrteilige Reihe namens Die Hüter der Flamme.


Diesen nicht besonders guten, aber super nerdigen Roman über Rollenspieler habe ich während meiner Unizeit in Bochum gekauft. Und zwar in einem kleinen Fantasyladen, direkt hinter dem Hauptbahnhof. Kaum öffnete man die Tür, roch es nach Papier und Abenteuer, ich spazierte quasi aus dem Ruhrgebiet in andere Reiche. Dort gab es auf engstem Raum alles von Büchern bis hin zu Farben, von Miniaturen bis hin zu Rollenspielen sowie Sammelkarten.


Lebende Legenden, Roman, 2023. Das Cover wurde von der KI Stable Diffusion unter der Vorgabe "Albert Camus and Fjodor Dostojewski playing Magic: The Gathering" erstellt.

Damit komme ich zu Lebende Legenden von Sebastian Golla. Er ist Juniorprofessor für Kriminologie, Strafrecht und Sicherheitsforschung an der Ruhr-Uni Bochum. Das ist sein erster Roman, er ist 2023 erschienen, kostet 20 Euro als Hardcover und entführt in die Welt der Trading Card Games. Genau darüber spreche ich am Freitag in Auf einen Whisky mit ihm.


Worum geht es? Aus der Perspektive eines eher atypischen Zockers, des Polizisten Rufus Klipsch, der sich in seinem langweiligen Bürojob mit Geldwäsche befasst und in die Zeit vor dem Internet zurücksehnt, erlebt man eine Reise zurück in die faszinierende Welt der Kartenhelden. Auf dem Spaziergang einer Dienstreise entdeckt er in einer Gasse einen kleinen Laden, der seine Erinnerungen an die schöne Zeit mit Sammelkarten weckt - und damit eine alte Leidenschaft neu entfacht. Zwar geht es im Roman um fiktive Spiele, aber die Vorbilder wie Magic: The Gathering und vor allem Flesh and Blood, in dem man ein Deck um eine Heldenklasse herum aufbaut, sind gut zu erkennen.


Was Sebastian richtig gut darstellt, ist neben dieser kaum besprochenen Kultur der Kartensammler die Strategie und Psychologie dahinter, wenn man also sein Deck zusammenstellt, um sich auf Turnieren zu beweisen, wo man auf ganz unterschiedliche Charaktere trifft, die auch unlautere Tricks am Tisch einsetzen. Dabei geht es richtig ins Detail, bis hin zum Grading sowie teils unfassbaren Marktwert von Karten - kürzlich wurde ja Der Eine Ring aus Magic für 2,36 Mio. Euro verkauft. Aber auch die Kritik an der Branche, die einem das Geld mit Boostern & Co nur so aus der Tasche ziehen will, kommt nicht zu kurz. Außerdem wird die Entfremdung zwischen Rufus und seiner Gegenwart in Beruf und Alltag deutlich, da geht es auch um das Thema KI in der Software der Polizei.


Gerade für mich, der nie professionell oder auf Turnieren, sondern immer nur mit Freunden gespielt hat, waren einige interessante Einblicke dabei. Und an einigen Stellen musste ich an jene Zeit in den 90ern zurückdenken, als Fantasyläden meine zweite Heimat waren. Da hab ich zwar auch Magic: The Gathering, aber noch mehr Spellfire: Master the Magic von TSR gesuchtet, das inkl. Elminster und Drizzt Do'Urden auf Dungeons & Dragons beruhte. Und dahin kehre ich jetzt wieder zurück, denn Baldur's Gate 3 auf PS5 ruft. Ich bin mal gespannt, wann das erste Kapitel endet; und werde dann mit der Rezension beginnen. Und wie gesagt: Am Freitag begrüße ich erstmal Sebastian im Podcast.

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