Buchtipp: Lebende Legenden
- Jörg Luibl
- 13. Sept. 2023
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 15. Sept. 2023
Ich habe über die Jahre sehr viel an Fantasy- und Science-Fiction-Literatur gesammelt. Aber wenn ich in meinen Regalen nach Romanen suche, in denen es um das Spielen oder Spieler an sich geht, sei es digital oder analog, dann finde ich tatsächlich nur zwei.
Da wäre zum einen Ready Player One (2011) von Ernest Cline, in dem das Videospiel quasi zur eigenen Welt mit Geschichte geworden ist; die Verfilmung von Steven Spielberg dürften die meisten kennen. Etwas weiter unten (und reichlich verstaubt) liegt zum anderen Die Welt des Meisters (1983) von Joel Rosenberg. Da geht um eine Pen&Paper-Gruppe, die plötzlich vom Tisch in eine Fantasywelt katapultiert wird; daraus entstand eine mehrteilige Reihe namens Die Hüter der Flamme.
Diesen nicht besonders guten, aber super nerdigen Roman über Rollenspieler habe ich während meiner Unizeit in Bochum gekauft. Und zwar in einem kleinen Fantasyladen, direkt hinter dem Hauptbahnhof. Kaum öffnete man die Tür, roch es nach Papier und Abenteuer, ich spazierte quasi aus dem Ruhrgebiet in andere Reiche. Dort gab es auf engstem Raum alles von Büchern bis hin zu Farben, von Miniaturen bis hin zu Rollenspielen sowie Sammelkarten.

Damit komme ich zu Lebende Legenden von Sebastian Golla. Er ist Juniorprofessor für Kriminologie, Strafrecht und Sicherheitsforschung an der Ruhr-Uni Bochum. Das ist sein erster Roman, er ist 2023 erschienen, kostet 20 Euro als Hardcover und entführt in die Welt der Trading Card Games. Genau darüber spreche ich am Freitag in Auf einen Whisky mit ihm.
Worum geht es? Aus der Perspektive eines eher atypischen Zockers, des Polizisten Rufus Klipsch, der sich in seinem langweiligen Bürojob mit Geldwäsche befasst und in die Zeit vor dem Internet zurücksehnt, erlebt man eine Reise zurück in die faszinierende Welt der Kartenhelden. Auf dem Spaziergang einer Dienstreise entdeckt er in einer Gasse einen kleinen Laden, der seine Erinnerungen an die schöne Zeit mit Sammelkarten weckt - und damit eine alte Leidenschaft neu entfacht. Zwar geht es im Roman um fiktive Spiele, aber die Vorbilder wie Magic: The Gathering und vor allem Flesh and Blood, in dem man ein Deck um eine Heldenklasse herum aufbaut, sind gut zu erkennen.
Was Sebastian richtig gut darstellt, ist neben dieser kaum besprochenen Kultur der Kartensammler die Strategie und Psychologie dahinter, wenn man also sein Deck zusammenstellt, um sich auf Turnieren zu beweisen, wo man auf ganz unterschiedliche Charaktere trifft, die auch unlautere Tricks am Tisch einsetzen. Dabei geht es richtig ins Detail, bis hin zum Grading sowie teils unfassbaren Marktwert von Karten - kürzlich wurde ja Der Eine Ring aus Magic für 2,36 Mio. Euro verkauft. Aber auch die Kritik an der Branche, die einem das Geld mit Boostern & Co nur so aus der Tasche ziehen will, kommt nicht zu kurz. Außerdem wird die Entfremdung zwischen Rufus und seiner Gegenwart in Beruf und Alltag deutlich, da geht es auch um das Thema KI in der Software der Polizei.
Gerade für mich, der nie professionell oder auf Turnieren, sondern immer nur mit Freunden gespielt hat, waren einige interessante Einblicke dabei. Und an einigen Stellen musste ich an jene Zeit in den 90ern zurückdenken, als Fantasyläden meine zweite Heimat waren. Da hab ich zwar auch Magic: The Gathering, aber noch mehr Spellfire: Master the Magic von TSR gesuchtet, das inkl. Elminster und Drizzt Do'Urden auf Dungeons & Dragons beruhte. Und dahin kehre ich jetzt wieder zurück, denn Baldur's Gate 3 auf PS5 ruft. Ich bin mal gespannt, wann das erste Kapitel endet; und werde dann mit der Rezension beginnen. Und wie gesagt: Am Freitag begrüße ich erstmal Sebastian im Podcast.
Vielen Dank an alle Steady-Unterstützer, die dieses kleine Spiele-Magazin mit ihrem Abo möglich machen. Es würde mich freuen, wenn ihr auch an Bord kommt!
Hach das gute alte Magic. Habe ich damals in den 90ern als Teenager auch oft gespielt und selber Decks zusammengestellt. Magic verflüchtigte sich dann irgendwann, der Spieltrieb blieb zum Glück.
Zu Literatur, in denen es (im entfernten Sinn) ums Zocken geht, könnte evtl. auch noch "Miami Punk" von Juan S. Guse empfohlen werden. Es dreht sich zwar nicht in erster Linie um Games und das zocken von diesen, dennoch gibt es anscheinend immer wieder Querverweise, es findet ein Counter-Strike-Turnier statt und eine Figur ist eine Game-Entwicklerin, die an einem Spiel arbeitet. Ausserdem ist das Buch unter anderem auch im Cyberpunk-Genre anzusiedeln.
Selber habe ich das Buch noch nicht gelesen, aber es steht bereits seit längerem in meinem Bücherregal und guckt…
@Jörg Luibl
Jörg der Titel deiner Buchvorstellung: „Legende Legenden“. 😂🫣
Hm...TCG haben mich noch nie interessiert und ich kann ehrlich auch nicht den Hype darum nachvollziehen. Daher lassen mich auch Spiele wie Inscryption völlig kalt. Und auch Gwent ist so ein Dings, das mich anfangs nur nervte. zum Glück ists optional in The Witcher 3 gewesen.
Als ich mich dann mal kurz mit der Mechanik befasst habe, wars dann aber fast so leicht, dass ich eher alle Spiele, die ich dann gemacht habe, gewonnen hab. Entweder bin ich da so gut (wobei ich absolut vom Gegenteil ausgehe), oder aber es ist da eine schlechte Mechanik gewesen. Das Würfelspiel aus Teil 1 war ja auch so angelegt, dass man es immer gewinnen konnte.
Aber muss ich ja auch nicht alles mögen.
Das ist ja im Gegensatz zum Bestand fast schon zuuuu aktuell :-) Auf jeden Fall mutig auch vom Verlag ein Cover zu nehmen, wo Copyrights von KI Bildern noch gar nicht zu Ende diskutiert ist :-)
btw: Freue mich schon auf den Mehrteiler zu Baldurs Gate 3 :-)
Mein Lieblingsladen (der eine ähnliche Wirkung auf mich hatte) hier in Bremen, hat leider vor vielen Jahren geschlossen. Hatte meine (Regel-)Bücher viel lieber da gekauft und kann somit die Sehnsucht des Protagonisten gut nachvollziehen, da man immer auch ein paar Tipps des Händlers mitgenommen hatte oder den Blick über alternative RPG-Systeme schweifen lassen konnte...
Ps.: Es hat sich ein Tippfehler in der Headline eingeschlichen.