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AutorenbildJörg Luibl

Game Studies: Wie es wirklich war? Ist die falsche Frage...

Was denken Historiker, Soziologen, Philosophen und Kulturwissenschaftler über Spiele? Über was wird in den Game Studies diskutiert? Vor zwei Wochen habe ich die Reihe mit "Auf Abwegen - Folk horror, Videospiel und das Problem der Natur" von Daniel Illger begonnen, in dem er sich u.a. mit Red Dead Redemption 2 beschäftigte; mehr dazu im Podcast.


Heute stelle ich den Aufsatz "Wie es wirklich war" von Eugen Pfister vor, in dem es um die oft diskutierte Frage nach historischer Authentizität geht. War es so in der Antike, im Mittelalter oder in der Neuzeit, wie man es in Rome: Total War, Kingdom Come Deliverance oder Medal of Honor erlebt? Und falls nicht, wie nah kommen Spiele ran?


Ich spiele gerade Rise of the Ronin auf der PS5, das ins 19. Jahrhundert nach Japan entführt. Und meine Tochter fragte mich, ob es damals in Yokohama schon diese Villen aus Stein gab, die dem architektonischen Stil Europas nachempfunden sind. Ich war mir nicht sicher, aber eine Fotorecherche zeigte zumindest ähnliche Häuser im Hafenviertel. Aber selbst wenn man das authentisch nennen würde, ist das natürlich nur eine Facette.


Und Eugen Pfister antwortet auf die Frage, ob die Welt wirklich so war, wie sie in Videospielen dargestellt wird:


"Nein. Nein es war damals nicht so, sondern anders."



Und damit führt der Aufsatz zum eigentlichen Kern, der gegenwärtigen Perspektive auf Spiele. Denn er bezeichnet die Frage selbst als falsch, weil sie auf einem "fehlgeleiteten Verständnis von Geschichte" beruht. Außerdem würden häufig gebrauchte Begriffe wie "Realismus" oder "Authentizität" dazu führen, dass sich eine verzerrte Wahrnehmung von Geschichte einschleicht und Historiker auf Fehlersuche zu Gutachtern degradiert werden.


Dabei sei der Faktencheck auch deshalb nicht nötig, weil es den Spielern und Entwicklern in der Regel nur um ein Gefühl von authentischer Geschichte geht. Bezüglich der Bilder in Resident Evil Village hatte auch die Kunsthistorikern Sophia Kunze in der GEE#70 erläutert, warum gerade Stereotype dazu beitragen, einen vertrauten Stil zu erzeugen, der vielleicht authentisch wirkt, aber wenig mit der historischen Realität zu tun hat.


Ähnlich argumentiert Eugen Pfister und verweist darauf, wie stark sich Spieler mit Kleinigkeiten und Symbolen in Spielen identifizieren, so dass daraus kulturell oder national aufgeladene Debatten entstehen können. Die verraten mehr über die Mentalität sowie das Geschichtsverständnis der Gegenwart, zumal Aussagen von Historikern über die Vergangenheit gerne instrumentalisiert werden:


"Wenn Historiker*innen sich nur Gedanken über die Authentizität historischer Repräsentationen in Spielen machen, können sie nur wenig richtig, aber sehr viel falsch machen."


Eugen Pfister wendet sich also nicht komplett gegen die historische Betrachtung oder Forschung zu Spielen, sondern bevorzugt andere Fragen, die die aktuelle Wahrnehmung von Geschichte berücksichtigen.


"Ist die realistische Flugbahn einer von einem Trebuchet geworfenen Steinkugel 'autenthisch' oder aber der unbeirrbare Glaube an den 'eigenen' Gott eines Kreuzritters? Wie soll man letzteren z.B. 'authentisch' in einem Spiel inszenieren?"


Der Aufsatz "Wie es wirklich war" erschien auch im Sammelband Verspielte Vergangenheit im vwh-Verlag. Ach so, vielleicht kann ich Eugen Pfister, Projektleiter des SNF-Ambizione Projekts “Horror-Game-Politics” an der Hochschule der Künste Bern, bald vor dem Mikro begrüßen.


(Bild: Rise of the Ronin, PS5, Sony, offizielles Pressematerial)


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6 comentários


dave_mania
13 de mar.

Es gibt in Inuyama ein außerordentlich gut kuratiertes Freilichtmuseum mit hervorragenden Beispielen an Architektur und Kunstgegenständen aus der zweiten Hälfte des 19. bzw. ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Falls es euch jemals nach Aichi verschlägt und euch sowas reizt, kann ich das Museum wärmstens empfehlen: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Meiji_Mura

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Jörg Luibl
Jörg Luibl
13 de mar.
Respondendo a

Danke! Japan bleibt ein fernes Traumziel.;)

Curtir

Qugart
Qugart
12 de mar.

Der Aufsatz ist wirklich gut.

Ich finde es witzig, dass es zu solchen Geschichten wie einem No-Horo-Mod kommt, es wundert mich aber nicht. Wie üblich wird im Internet über völlig belanglose Nebensächlichkeiten diskutiert und oft bis aufs sprichwörtliche Blut gestritten. Und in der Regel dann auch von denjenigen, die selber das Wissen über das Thema nur aus dem Internet haben.

Aus rein historischer Sicht interessiert es mich z.B. bei einigen Spielen dann aber doch, ob, und wenn ja, wie akkurat die Darstellung tatsächlich ist. Das Ergebnis dieser Frage ändert aber am Spiel und an meinem Empfinden des Spiels so rein gar nichts.

Bestes Beispiel aus der näheren Vergangenheit ist da Pentiment. Rein historisch betrachtet ein furchtbares Spiel. Einfachste Sachen wie…


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Jörg Luibl
Jörg Luibl
13 de mar.
Respondendo a

Pentiment ist auch wertvoll, weil es auf diese kaum beachtete historische Epoche samt ihrer Konflikte aufmerksam macht. Josh Sawyer musste bei seinen Bossen lange für diese ungewöhnliche Zeitreise bohren. Natürlich sind da Kompromisse und Unschärfen drin, aber es ist - gerade für ein amerikanisches Spiel - fast schon altdeutsch bibliophil. Und du beschreibst es ja: So entsteht dieses "authentische Gefühl", das im Spiel wichtiger ist als ein Faktencheck mit null Fehlern. Dass Perchta in einem Spiel von Obsidian überhaupt erwähnt wird, ist fast unheimlich.;)


Mehr zu Pentiment, das ja auch für PlayStation zu haben ist, in der Rezension zum Lesen und Hören: https://www.spielvertiefung.de/post/pentiment-in-der-rezension-zum-lesen-und-h%C3%B6ren

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Sven
Sven
12 de mar.

Spannendes Thema! Würde mich über ein Podcastgespräch freuen. Ich mag Spiele, die ihren historischen Bezug wichtig nehmen. Daraus gewann z.B. Kingdom Come: Deliverance ungemein. Ob das jetzt akademische Präzision hat? Naja, das sollte man vielleicht von keinem Spiel erwarten. Aber es entführt gekonnt in eine mittelalterliche Welt, wie ich sie mir aus Schulbüchern, Kunstwerken und Filmen versatzweise vorstellen konnte. Und das ist wunderbar und einzigartig.

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