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Mythologie in Ghostwire: Tokyo - Die Maske der Rachsucht

Ich spiele gerade Ghostwire: Tokyo von Tango Gameworks (The Evil Within) und freue mich zwischen all der exorzistischen Action über die Bezüge zur japanischen Mythologie und Kulturgeschichte. Im Rahmen meiner Besprechungen von Sekiro sowie Ghost of Tsushima konnte ich mich etwas intensiver damit beschäftigen und erkennen, wie stark sich alte Traditionen bis heute in der Gesellschaft Japans gehalten haben. Nicht nur im Shintoismus mit seinen Ritualen und heiligen Orten, sondern auch in der Folklore sowie in der Gegenwartskultur vom Manga bis zum Videospiel.


Der Antagonist trägt eine weiße Hannya-Maske.

Auch in Ghostwire: Tokyo öffnen sich ja die Tore für Geister, die im kompletten Stadtteil von Shibuya spuken - es geht um Leben und Tod, um Beschmutzung und Reinigung, wobei man sich wie ein Hightech-Ghostbuster fühlt, der befreite Seelen über das Telefon in ihre Körper zurückschickt. Man begegnet neben fiktiven Dämonen auch einigen historisch überlieferten der so genannten Yokai vom vogelhaften Tengu (der einen quasi auf die Dächer beamt) bis zur katzenhaften Nekomata, die einem Spezialitäten verkauft. Sehr schön ist übrigens, dass Katzen und Hunde in diesem Spiel als hilfreiche Wesen dargestellt werden. Aber im Zentrum steht der Konflikt mit einem Bösewicht, der eine markante Maske mit einem gequälten Grinsen und Hörnern trägt.


Hannya-Maske, Nationalmuseum Tokyo, gemeinfrei.

Dahinter verbirgt sich eine bekannte Dämonin namens Hannya, die innerhalb der Yokai der Gruppe der Oni zugerechnet wird. Zwar werden sie oft als plumpe Trolle mit riesigen Keulen dargestellt, aber es gibt auch hilfreiche Arten oder eher graziler aussehende wie die Hannya, die sich erst in ihrer letzten Phase in eine Schlange mit Frauenkopf verwandelt. Obwohl in dem Wort selbst die Bedeutung Weisheit steckt, symbolisiert sie so viel wie Rache, Wut und Eifersucht. Sie taucht übrigens auch in einem der ersten Romane Japans auf, in der „Geschichte vom Prinzen Genji“, der vermutlich um das Jahr 1000 n. Chr. herum von einer Hofdame verfasst wurde.


Laut der Legende entstand dieser Dämon aus enttäuschter Liebe und eignete sich damit natürlich hervorragend als Figur für die Bühne. Im japanischen Noh-Theater ist diese Maske daher sehr beliebt und auch in Filmen wie Onibaba - Die Töterinnen (1964) sowie einigen Mangas und Animes war sie zu sehen. Hier wird wieder deutlich, wie tief verankert manche Motive und Symbole in der japanischen Kultur sind.


Der Antagonist in Ghostwire: Tokyo trägt sie ebenfalls - und zwar in weißer Variante. Auch die Art, wie man sie trägt, sowie ihre Farbe hat wie so oft eine Bedeutung. Grün steht eher für Wut, Rot für Eifersucht, Schwarz für das Dämonische und Weiß für das Aristokratische. Ob das Team von Tango Gameworks das auch in die Storys integriert hat, werde ich natürlich nicht verraten. Aber ich bin schon überrascht, wie viel Kulturgeschichte in diesem Action-Spiel steckt.


Ich überlege noch, ob ich eine Rezension anbiete, denn diese Hintergründe sowie die Geschichte hinter der Maske des Bösewichts machen bisher neugieriger als das Spieldesign selbst, das trotz Neonlichtkaskaden und Glitterzauber recht konventionell in seiner offenen Welt sowie dem Kampfsystem ist. Es sah vielleicht so aus wie ein rasantes Bayonetta mit Komboflow, aber man zerlegt die Dämonen doch weitaus gemächlicher und stringenter. Aber irgendetwas lässt mich noch nicht los. Vielleicht weil ich Gedanken von Katzen lesen, Hunde füttern und einen Bogen einsetzen darf? Ich bleibe noch etwas länger Ghostbuster in Shibuya.


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