Rezension: Blades of Fire (PC, PS5, XBS)
- Jörg Luibl
- 21. Mai
- 15 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 27. Mai
Das Team von MercurySteam hat in den vergangenen Jahren vor allem mit Abenteuern in existierenden Welten gut unterhalten können: von Clive Barker's Jericho über Castlevania: Lords of Shadow bis hin zu Metroid: Samus Returns sowie Dread. Und die doppelte Arbeit mit der Kopfgeldjägerin Samus Aran hallt in Blades of Fire nach: Denn man ist als kämpfender Schmied namens Aran unterwegs in einer Fantasywelt, die von Motiven der Sword & Sorcery geprägt ist, mit reichlich Kampf, Monstern und Magie. Das spielhistorisch Interessante ist, dass sie mit diesem Action-Adventure auch an zwei großartige Klassiker anknüpfen, von denen sie einen sogar selbst entwickelt haben.
Der Waffenschmied
Im Einstieg bahnt man sich als glühende Kreatur aus der Tiefe einen Weg an die Oberfläche und steht plötzlich hinter einem bärtigen Mann, der offensichtlich fleißig an seinem Körper gebaut hat. Das ist weder Man-at-Arms noch He-Man, sondern Aran de Lira, ehemals Kommandant der königlichen Leibwache. In ihn wird schon bald die schöpferische Kraft eines legendären Hammers fließen, die er in den folgenden 60 Stunden als Held ohne Charakterentwicklung gut gebrauchen kann. Als er Hilferufe hört, geht er ihnen in Schultersicht nach und wird umgehend in einen Kampf verwickelt. Jemand wirft ihm ein Schwert zu, kurz bevor ebenso aufgepumpte wie schwer gerüstete Krieger auftauchen und um einen ersten Tanz bitten, bei dem es ordentlich kracht.
MercurySteam fackelt also nicht lange und kommt sofort zur Sache, sowohl mit der brachialen Action, einer märchenhaft simplen Geschichte und einer ebenso oft bemühten wie zeitlosen Motivation: Rache. Denn der ältere Herr namens Dorin, der einem die in diesen verfluchten Zeiten überaus seltene Klinge zuwarf, ist ein alter Bekannter von Aran und wird vor seinen Augen von den könglichen Schergen ermordet. Das muss auch Dorins Schüler Adso mit ansehen, der eigentlich in einer Abtei studiert und für einen Krieg nicht ausgebildet wurde. Aber nach diesem tragischen Zwischenfall begleitet er Aran als magiekundiger Gefährte mit Stift und Papier, um die böse Königin Nerea und ihre Armee der Finsternis aufzuhalten.
Der Gelehrte
Neben den Gefechten erinnert auch diese Begleitung umgehend an God of War Ragnarök. Zwar kann Adso nicht mitkämpfen oder als Charakter geformt werden, aber ähnlich wie zwischen Kratos und Atreus gibt es Gespräche. Nur entwickeln die sich nicht so angenehm harmonisch in Dialogen und die Beziehung der beiden Fremden ist lange nicht so interessant wie jene zwischen göttlichem Vater und Sohn, obwohl das Verhältnis offensichtlich daran angelehnt wurde. Aran hat das Sagen, nennt Adso meist einen Klugscheißer, aber entdeckt schon bald die Vorzüge seines intelligenten Gefährten, der überaus hilfreich ist. Der kann zwar auch mit Bemerkungen über dessen Größe kontern, aber so richtig zünden wollen weder die Konflikte noch der Humor. Die Kommunikation wirkt auch nicht so emotional oder natürlich wie in A Plague Tale, sondern zweckgebunden.
Man kann Adso direkt auf gerade entdeckte Symbole, Personen oder Bezüge ansprechen, so dass sich immerhin ein grobes Bild dieser Fantasywelt ergibt, in der Aran die Königin aus Kindertagen kennt. Aber sie kann aufgrund ihrer klassischen Motive nicht jene Neugier wecken wie das im Vergleich kreativere und wesentlich dramatischer erzählte Clair Obscur: Expedition 33. Sie wirkt im Ansatz jedoch interessanter auf mich als so manches Soulslike der zweiten Reihe wie etwa The First Berserker: Khazan, die sich manchmal in ihrer Düsternis verlieren. Leider kann MercurySteam das erzählerische Potenzial nicht ausnutzen, erreicht mit recht stereotypen Nebencharakteren und statisch anmutenden Gesprächen nicht die erzählerische Verdichtung eines guten Epos.
Trotzdem riecht es machmal danach und so manches erinnert auf charmante Art an märchenhafte Fantasy, wie sie früher mal war. Man darf Adso übrigens auch wegschicken, wenn er etwas gesehen hat und notieren will. Denn er führt als Gelehrter ein Tagebuch, in dem er Kreaturen zeichnet und hilfreiche Tipps bezüglich ihres Verhaltens aufschreibt. Die werden ergänzt, je öfter man auf sie trifft: So kann man z.B. nachschlagen, wie man am besten gegen einen Troll kämpft oder was Untote so machen. Schließlich beherrscht Adso alte Sprachen, kennt sich mit Geschichte und Magie aus, so dass er Symbole und Artefakte einordnen oder Tore über das einfache Rezitieren öffnen kann - fast so wie Gandalf anno dazumal die Minen von Moria.
Prächtige Sword & Sorcery
Zunächst war ich jedoch ein wenig irritiert von der ansehnlichen Kulisse mit ihren Bergen und Tälern, die auf den ersten Blick an Dragon's Dogma 2 erinnert, vielleicht nicht ganz dessen landschaftliche Anziehungskraft erreicht und so manche Unwuchten aufweist: die Hände von Adso wirken z.B. viel zu groß, der Griff von Arans Schwert ragt bei erhöhter Perspektive in die Kamera wie ein Baum und die Feinde springen aus dem Gebüsch wie geklonte Bodybuilder im Plattenpanzer. Außerdem wecken sie zusammen mit dem Muskel bepackten Held sofort Erinnerungen an die erwähnten Masters of the Universe, die hier anscheinend ein Comeback feiern.
Allerdings hab ich diese Spielzeugfiguren in den 80ern gerne rund um Castle Grayskull in meinem Kinderzimmer versammelt, so dass das fast wieder für einen Anflug von Nostalgie sorgte. Und dieser etwas plumpe ästhetische Eindruck vergeht überraschend schnell, denn je weiter man vordringt und je mehr man von der Landschaft, der Architektur sowie den Kreaturen sieht, desto mehr entfaltet sich eine ansehnliche Welt der Sword & Sorcery, in der Trolle versteinern und Hexen samt Haus auf Riesenkäfern davonfliegen. Zwar wurde sie laut Story von Riesen erschaffen und Aran schwingt immerhin einen Hammer, der mit seinem kurzen Stiel an Thors Mjöllnir erinnert.

Aber es geht trotz kleiner Bezüge zur nordischen Mythologie sowie einiger Gemeinsamkeiten mit dem letzten God of War um Fantasy ganz eigener Prägung. Die kann zwar weder erzählerisch noch dramaturgisch so überraschen wie aktuell Clair, wirkt dagegen in ihren Dialogen fast hölzern, aber lockt mit einem tollen Abenteuerflair. Geschichte und Hintergründe waren ja nie die größten Stärken des spanischen Studios. Und selbst wenn diese Story samt Finale nicht so begeistern kann wie das französische Final Fantasy, habe ich mich auf dem Weg dorthin gerne umgesehen.
Die Kulisse wird ja von der hauseigenen Mercury Engine 6 angetrieben, die nicht nur schöne Landschaften und große Monster bis hin zum Bildschirm füllenden Boss, sondern auch Kleinigkeiten fein darstellen kann. Dazu gehören neben in der Luft schwebenden Partikeln oder davon huschenden Eichhörnchen angenehme Übergänge in der Beleuchtung, wenn sich ein zunächst stockfinsterer Raum nach dem Betreten langsam erhellt. Es gibt viele kleine Gassen und Unterführungen, Treppen und Wehrgänge, Grotten und Türme, so dass die Erkundung der Umgebung immer Spaß macht.
Conan und sein Azubi
Ich ertappte mich jedenfall dabei, wie mich dieses Spiel auf charmante Art zurückbeamen konnte. Das Artdesign erinnert in seiner ebenso archetypischen wie zauberhaft farbenfrohen Gestaltung an klassische Fantasyfilme der 80er. Und das Spiel fühlt sich so an, als würde man mit Conan und seinem Auszubildenden losziehen, um irgendwo den Turm des Elefanten, Red Sonja oder Willow den Zauberer zu finden. Man bemerkt früh, dass diese Welt von Magie geprägt ist, begegnet geisterhaften Ladys in Blau, die plötzlich verschwinden, steht vor der rostigen Rüstung eines Paladins, dessen Seele man befreien kann, sobald man seinen Namen findet, oder sieht in der Ferne Wasserströme, die gegen jegliche Physik in Spiralen nach oben rauschen.

Die Story ist wie gesagt alles andere als mysteriös, sondern klingt eher nach Schneewittchen mit Testosteron. Die böse Königin hat die Welt so verflucht, dass sich Stahl überall in Stein verwandelt hat - außer bei den Waffen ihrer Soldaten. Also macht sich das Duo auf nach Westen zum Königspalast. So einfach wird das natürlich nicht. Die Reise beginnt zwar gradlinig, aber wenn man die hübsch illustrierte Weltkarte öffnet, liegt vieles im Nebel des Unbekannten und es führen z.B. zwei Wege aus der ersten Siedlung hinaus. Schon bald hat man mehrere Ziele zur Wahl und in einigen Regionen wird es bis hin zum Dungeon labyrinthischer, so dass man sich regelrecht verirren kann, da es keine lokalen Karten gibt.
Ein Hauch von Metroidvania
Manchmal muss man mehrstöckige Gebäude von innen entriegeln, um Abkürzungen zu öffnen, oder Hebel für einen Mechanismus finden, um Fallgitter hochzuziehen. Hinzu kommen finstere Keller, in die man sich per Seil hinab lassen kann, während es dort verdächtig still ist, bis es plötzlich aus einer Ecke faucht. Es gibt neben Schatzkisten meist böse Überraschungen, bis hin zu Elementaren, die aus dem Wasser empor steigen oder Kreaturen, die sich unsichtbar machen können und die man anhand ihrer Geräusche orten kann. So etwas und mehr erfährt man im hübsch illustrierten, ständig erweiterten Bestiarium von Adso.
Es gibt einige Geheimnisse und kleinere Rätsel, so dass man dazu animiert wird, die Orte in ihrer verwinkelten Struktur samt freischaltbarer Abkürzungen zu erkunden, was für einen Hauch von Metroidvania sorgt. Allerdings bewegt man sich dabei alles andere als sportlich, denn Aran kann zwar spurten und im Kampf wegrollen, außerdem kann er wie ein Rammbock durch manche Türen preschen, aber nicht mal hüfthohe Hindernisse überwinden oder aktiv springen. Falls es akrobatische Möglichkeiten gibt, wie etwa einen überwindbaren Abgrund oder ein Seil, wird diese Aktion per Knopfdruck angezeigt, was für ein statisches Gefühl in der Erkundung sorgt.

Auf jeden Fall kann man seine Route anpassen und zwischen entdeckten Ambossen teleportieren, die großzügig verteilt als Rast- und Speicherorte dienen, so dass es keine besonders langen Laufwege gibt. Aber bevor sich die überraschend umfangreich gestaltete Welt öffnet, muss man das erste Dorf säubern, in dem die Schergen der Königin patrouillieren und einige coole Monster lauern. Die Betonung liegt auf einige, denn viel mehr an Kreaturen ist nicht mehr als Kroppzeug oder wird in Varianten kopiert, so dass sich die visuelle Abwechslung sowie das Staunen auf Dauer in Grenzen hält. Und in den Gefechten bekommt man früh einen intensiven Vorgeschmack auf die süßsaure Wirkung dieses Abenteuers. Denn parallel zum kämpferischen Fokus erlebt man schon hier den zügigen Verschleiß sowie das Schmieden der Waffen. Und weil Ersteres der deutlich motivierendere Teil dieser seltsamen Mischung ist, der ich eine pure Variante vorgezogen hätte, fange ich damit an.
Taktisches Hack'n Slay
Aufgrund von Zielfixierung samt Ausweichen, Wegrollen, Blocken sowie Riposten bei Ausdauerverlust wird man natürlich an die Phalanx all der Soulslikes erinnert. Zwar sammelt man keinerlei Energie von Feinden und verliert keine Seelen, aber wenn man stirbt wird die aktive Waffe am Ort des Todes versteinert. Dort kann man sie wieder aufsammeln, falls sie es einem wert ist. Das ist eine nette Hommage und passt natürlich wunderbar zum Fluch, der über dem Stahl der Welt liegt. Die Kämpfe selbst erinnern zwar an Soulslikes, aber fühlen sich auf durchaus erfrischende Art anders, arcadig wuchtig und teils so wunderbar überzeichnet an, als würde man in einem blutigen Comic kämpfen.
Die gefühlte Schwere von Aran wird von flotten Manövern samt Richtungswechseln ergänzt. Ohne dass man dabei jedoch wie in einem Devil May Cry oder Stellar Blade in einem all zu schnellen Rhythmus tanzen oder gar mit zig Kombos agieren könnte, sondern fast so erdverbunden wuchtig wie kürzlich in The First Berserker: Khazan. Nur letztlich weniger anspruchsvoll, denn es gibt trotz der Fülle an Waffen nur vier Schlagarten in zwei Härtestufen, deren mehrfache Kombination für komplexe Manöver kaum erforderlich ist. Dieses Blades of Fire geht je nach geführter Waffe deutlich schneller in ein flottes Gemetzel über, so dass man selbst mittlere Bosse, an denen man eben noch in mehreren Runden mit vorsichtigem Hit & Run eher defensiv knabberte, plötzlich mit dem Claymore-Schwert in wenigen Hieben filetiert.

Und mit weit ausholenden Schwüngen pflügt man sich mit einer Riesenklinge durch Untote wie Guts in Berserk. Solche Momente kennt man auch aus Elden Ring und dieses Abenteuer ist kein Buttonmasher, zumal man recht flott Ausdauer verliert und einige Gegner so schnell angreifen, dass man auf seine Verteidigung achten muss. Außerdem verlangen einem die Bildschirm füllenden echten Bosse alles ab, was man bis dato gelernt hat. Apropos Ausdauer: Um sie zurückzugewinnen, muss man eine defensive Stellung einnehmen, so dass sich Aran quasi auflädt. Ich würde Blades of Fire jedenfalls als taktisches Hack'n Slay mit stark spürbarer Progression bezeichnen, dem es ein wenig an simulativer Konsequenz und Vielfalt fehlt. Man muss sich ein wenig an die Abstände und gefühlt trägen Bewegungen von Aran gewöhnen, aber dann spielt sich das richtig gut, ohne dass man besonders viel verinnerlichen muss wie etwa unterschiedliche Haltungen oder spezielle Kombinationen.
Trefferzonen und Schlagwirkungen
Zwei für die Kampfführung entscheidende Besonderheiten fallen jedoch positiv auf: Erstens kann man vier Körperteile mit leichten oder schweren Hieben angreifen und erkennt auf einen Blick anhand der grünen, orangen oder roten Umrandung, wie gut z.B. der rechte Arm des Feindes gegen die aktuelle Waffe geschützt ist. Aber es geht nicht nur darum, ob man entweder den Kopf (Dreieck), den Körper (Kreuz), die linke (Quadrat) oder rechte Seite (Kreis) attackiert, sondern auch darum, mit welcher Art von Schaden. Denn zweitens ändert sich das Manöver sowie der Schaden, je nachdem ob man mit der Spitze des Schwertes zusticht oder mit der Klinge zuschlägt. Komplettiert wird das Trio der Trefferwirkung durch stumpfen Schaden, der z.B. durch Streithämmer entsteht. Während diese verheerende Wirkung gegen gepanzerte Ritter zeigen, wirken sie sich gegen Trolle kaum aus.
Das einfache Blocken funktioniert je nach Waffe nur eine gewisse Zeit, so dass man in Bewegung bleiben und im Idealfall kontern sollte. Gelingt der Block kurz vor dem Einschlag der Treffers, wirft man den Feind etwas zurück, bekommt selbst einen Energieschub und kann gleich mehrfach zuschlagen. Es gibt allerdings weder Haltungen, Tritte noch Schilde oder Wurfwaffen, so dass sich die möglichen Manöver in Grenzen halten. Hinzu kommt jedoch, dass sich die Waffen sehr stark hinsichtlich ihres Tempos sowie der Reichweite unterscheiden, so dass man sich an die optimalen Abstände gewöhnen muss, zumal die Trefferzonen teils unrealistisch großzügig wirken. Sprich: Selbst mit einem kurzen Schwert scheint man manchmal aus gefühlt zu weiter Distanz zu treffen.

Zwar kann man einfache Feinde selbst in Gruppen irgendwann mit einem Rundumhieb vernichten, aber gegen Ritter, Elementare oder größere Monster oder Bosse entstehen ebenso flotte wie taktische Gefechte. Letztere gilt es in mehreren Phasen zu bekämpfen, wobei man bei Ausdauerverlust ausweichen oder wegrollen kann. Sehr schön ist, dass die Höhe im Gelände eine Rolle spielt, denn von oben schlägt man härter zu. Und so richtig brachial wird es, wenn man taumelnden Feinden einen schweren Hieb versetzen und sie so verstümmeln kann, dass sie einen Arm verlieren. Was einen Troll übrigens nicht davon abhält, weiter mit dem anderen zuzuschlagen, der einen auf einen Hieb zermalmen kann. Allerdings gehört er mit seinem dynamischen Verhalten, denn er versteinert sich z.B. nach zu vielen Treffern, zu den eher seltenen Highlights.
Außerdem wird die Unterschiedlichkeit der Treffer leider nicht in diesen Animationen berücksichtigt, so dass der Arm des Trolls auch bei Gebrauch einer stumpfen Waffe genauso abfällt, was natürlich schade ist. So richtig siumliert werden die drei Aspekte des Schadens also nicht. Interessant ist, dass man manche Monster weglocken und in seine Feinde lotsen kann, um danach die Beute auf dem Weg ihrer Zerstörung aufzusammeln. Wenn man sich an den erwähnten Ambossen ausruht, werden die Heilflaschen aufgefüllt und nur die Standardgegner kehren zurück. Außerdem findet man überall hölzerne Statuen, die eine spezielle Waffen tragen. Wenn man genau mit dieser vor ihnen betet, bekommt man dafür einen Schmiede-Bonus und sie verschwinden. Also komme ich jetzt zu diesem sauren Teil der Mischung.
Pro Evolution Forging
Das Schmieden ersetzt quasi komplett die sonst übliche Charakterentwicklung über Fähigkeiten, außerdem gibt es weder Erfahrungspunkte noch Levelaufstiege. Der kleine Talentbaum des Helden öffnet sich z.B. erst, wenn man einen bestimmten Ort im Spiel entdeckt und bezieht sich jeweils auf zwei von sieben Waffengattungen, für die man weitere Elemente zum Schmieden freischaltet. Um alle sieben von den Dolchen über Großschwerter bis zu den Speeren freizuschalten, muss man allerdings recht stupide eine gewisse Zahl an Monstern mit dieser Waffe vernichten: Als ich das erwähnte Claymore-Schwert schmieden wollte, mussten erstmal 60 Untote dran glauben, was denkbar einfallslos wirkte.
Wer meine Rezensionen der letzten Jahre verfolgt hat, wird eine gewisse Abneigung gegenüber dem Sammeln von Zutaten sowie dem Herstellen von Waffen & Co bemerkt haben. Vor allem, wenn sie sich irgendwann im Inventar stapeln und auch noch abnutzen. Das habe ich mit unterschiedlicher Gewichtung von The Legend of Zelda: Breath of the Wild über Rise of the Ronin bis Assassin's Creed Shadows kritisiert. Und deshalb hadere ich auch mit dem Schmieden in diesem Action-Adventure, denn es ist ein zentraler Aspekt des Spieldesigns, der in einer Zwischenwelt mit detaillierten Statistiken sowie Minispiel stattfindet.

Zuerst muss man dort die Rohstoffe aus Holz, Eisen & Co auswählen, die es natürlich in mehreren Sorten sowie Seltenheiten gibt - für die Metalle gibt es sogar ein Dreieck mit wechselnden Parametern. Hinzu kommen Aspekte wie die Form der Klinge, der Parierstange oder des Knaufs, die sich ebenfalls alle auf das Gewicht, das Tempo, die Ausdauer, das Blocken, das Kontern (samt angezeigter Millisekunden für das Zeitfenster der Riposte!) sowie den Schaden auswirken. Und zwar in allen Aspekten von stumpf über scharf bis spitz je nach gewählter Form sowie Material unterschiedlich.
Hier bieten sich also theoretisch viele Möglichkeiten, so dass man en detail an Werten schrauben und seinen Charakter über die Waffe an seine Feinde anpassen kann. Aber auch dieses Tüfteln hat mir in Clair Obscur: Expedition 33 deutlich mehr Spaß gemacht, denn da erreichte es eine Vielfalt à la Magic: The Gathering mit wesentlich mehr und weitaus interessanteren Kombinationen. Natürlich kann man das nicht direkt vergleichen, außerdem wirken sich die unterschiedlichen Waffen hier so spürbar aus, dass man den Fortschritt sofort bemerkt, wenn man zuschlägt. Aber hat man seine Kombo für ein Schwert oder Speer gefunden, muss man es leider noch schmieden.
Auf ein Diagramm einschlagen
Ich habe per se natürlich nichts gegen diesen Beruf und in Kingdom Come: Deliverance II war mein Hans sogar ein Schmied. Auch dort musste man Rohstoffe aussuchen, aktiv mit dem Hammer auf das glühende Eisen hauen, im Idealfall im Takt an den richtigen Stellen sowie bei optimaler Hitze. Und dieses simulative Minispiel hat mir deutlich mehr Spaß gemacht als das, was MercurySteam hier mit einem Diagramm aus der Seitenansicht veranstaltet, dessen dutzende Balken man möglichst auf eine Linie mit der gewünschten Klingenform bringen muss. Das fühlt sich nicht intuitiv an und erinnert eher an ein visuelles Puzzle, denn an simulierte Handarbeit.
Man kann den Winkel sowie die Schlagkraft des Hammers verändern und sieht dann eine grafische Prognose, wie sich die vielen Stellen des groben Eisenklotzes verändern werden, wobei manche wie gewünscht sinken, aber andere gleichzeitig erheben. Es gilt also eine Balance zu finden und je weniger Schläge man dafür benötigt, desto höher fällt die Haltbarkeit der Waffe aus, die von einem bis zu vier Sternen reichen kann. Und ein gutes Ergebnis herauszuhämmern ist gar nicht so leicht. Mich hat das wie gesagt eher genervt als motiviert und ich war richtig froh, dass man für jeden Waffentyp eine einmal erreichte Qualität später automatisch erhalten kann - das war eine sehr gute Designentscheidung.

Die ist sehr wichtig, denn jede Waffe nutzt sich bei Gebrauch ab - egal ob man auf Feinde oder Kisten kloppt. Die schnell abnehmende Schärfe ihrer Spitze oder Klinge kann man zwar mehrmals wiederherstellen, aber auch das kostet nicht nur Rohstoffe, sondern zehrt an ihrer Substanz. Wenn sie im roten Bereich ist, kann sie brechen und man sollte sie reparieren. Sobald man das tut, verliert sie einen der erwähnten Sterne; und wenn sie alle verbraucht sind, hat man irgendwann nur noch Altmetall, das man wiederwerten kann. Der ständige Waffenwechsel ist also ein Teil des Abenteuers, der mich ebenfalls gestört hat.
Weil das schneller nötig ist als man meint, überlegt man sich also gut, ob man mit seinem besten Claymore-Schwert tatsächlich durch einfache Feinde pflügt. Man braucht immer mehrfachen Ersatz im Gepäck, am besten für jeden Waffentyp. Als ich das erste Mal gegen einen Troll gekämpft habe, gegen den stumpfe Waffen wie Streithämmer nicht viel ausrichten, ist mir mittendrin ein Schwert gebrochen und mein Speer war kurz davor, so dass ich fliehen musste. Zwar ist das nicht die Regel und man kann dem später abhelfen, weil das Arsenal qualitativ immer besser und natürlich größer wird. Aber unterm Strich hat das komplette Schmieden den Unterhaltungswert für mich sinken lassen.
Vagrant Story und Severance: Blade of Darkness
Ich hatte im Einstieg die beiden Klassiker erwähnt, an die MercurySteam anknüpft. Dazu gehört zum einen Vagrant Story von Square, das im Jahr 2000 auf der ersten PlayStation erschien und mir bis heute als eines der besten Action-Rollenspiele dieser Zeit in Erinnerung geblieben ist. Ein zentraler Aspekt war damals das akribische Herstellen sowie Modifizieren der Waffen in zig Kombinationen; außerdem konnte man in den Gefechten einzelne Körperteile anvisieren und musste in einen Rhythmus mit Reaktionstests kommen, was ähnlich wie aktuell in Clair Obscur: Expidition 33 für Spannung in Echtzeit sorgte. Das war überaus innovativ und mutig, zumal das Abenteuer von einer bemerkenswert verschachtelten Story umrahmt wurde.

Nur ein Jahr später erschien mit Severance: Blade of Darkness auf dem PC eines der besten Kampf-Abenteuer seiner Zeit, das auf einem ähnlich waffenspezifischen System beruhte, aber mit seinen Trefferzonen bis hin zu abgeschlagenen Körperteilen noch einen blutigen Schritt weiterging. Das war rückblickend betrachtet eine Art Vorläufer von Demon's Souls, der mich mit seinen gnadenlosen Gefechten so richtig gerockt hat, auch wenn die Fantasy samt Story weniger monumental inszeniert wurde. Aus einem Großteil der dafür verantwortlichen Rebel Act Studios aus Madrid formte sich dann 2002 genau jenes MercurySteam, das jetzt anscheinend nochmal richtig Lust auf brachiale Sword & Sorcery hatte.
FAZIT
Ich hätte nicht gedacht, dass Severance: Blade of Darkness nochmal zurückkehrt. Aber mit Blades of Fire knüpfen die Spanier an ihre kämpferischen Wurzeln an und lassen sie mit der Wucht von God of War sowie epischer Sword & Sorcery à la Conan verschmelzen. Die Story wird niemanden vom Hocker reißen, die Figuren erinnern zunächst an die Masters of the Universe, aber das Artdesign hat mir in seiner üppigen Fantasy gefallen und es macht Spaß gegen die Schergen der bösen Königin, Trolle und all die Ungeheuer zu kämpfen. Man erkundet eine angenehm verschachtelte Welt samt labyrinthischer Orte und löst kleine Rätsel. Aber dieses Action-Adventure wirkt an manchen Stellen recht hölzern, sowohl was die eingeschränkte Bewegung als auch die Erzählung, die Dialoge sowie Nebencharaktere angeht. Und sie verflucht sich mit dem extremen Fokus auf Waffen sowie dem Schmieden ein wenig selbst. Dieser Waffentüftelei, die mich anno 2000 in Vagrant Story innovativ überraschen konnte, kann ich im Zeitalter der Craftingsysteme nichts mehr abgewinnen. Denn bei aller Liebe zum selbstgemachten Claymore-Schwert haben mich sowohl die Abnutzung als auch das Hämmern gestört, denn es entsteht eine nervige Spirale, die mit ihren zig Modifikationen eher den Statistiker anspricht. Dafür hat mich das Kampfsystem als taktisches, herrlich brachiales Hack'n Slay mit Trefferzonen und Schlagwirkungen besser unterhalten. Auch wenn ihm auf Dauer die Vielfalt sowie simulative Konsequenz fehlt und ich mich etwas zu früh an das Gegnerverhalten gewöhnt habe, entsteht mitunter tolles Abenteuerflair. Trotz der Defizite bin ich gerne mit Aran und Adso durch diese Fantasywelt marschiert und wurde unterm Strich noch gut unterhalten. (Bilder: Blades of Fire, MercurySteam, PS5, eigene Aufnahmen)
PS: Damit die Diskussion an einer Stelle gebündelt wird, kann man nicht hier, sondern nur im Forum unter Kommentare zu Berichten kommentieren.
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