Clash of Cultures von Christian Marcussen (Korsaren der Karibik) erschien bereits vor zehn Jahren und wurde 2021 als Monumental Edition komplett neu aufgelegt. Der pompöse Untertitel ist durchaus gerechtfertigt: Es gibt 350 Miniaturen, 15 Zivilisationen, inhaltliche Ergänzungen, ein neues Artdesign sowie erstmals eine deutsche Übersetzung. Allerdings hat es die Box nicht nur aufgrund der üppigen Ausstattung in sich, sondern auch hinsichtlich des Preises: Knapp 160 Euro kostet die 4X-Strategie mit historischem Flair und liegt damit über einem Schwergewicht wie Twilight Imperium. Warum Freunde von Civilization & Co trotzdem schwach werden könnten, erläutere ich in der Rezension.
Die Ruhe vor dem Sturm
Wer das Aufbauen von Brettspielen gerne in aller Ruhe zelebriert, wird mit Clash of Cultures sofort seine bunte Freude haben: Es gibt dutzende Krieger, Reiter, Schiffe und Elefanten, Häfen, Obelisken und Akademien in vier knalligen Farben. Die Qualität der Plastiken kann natürlich nicht mit Spielen à la Blood Rage mithalten. Aber obwohl hier eher Masse als Klasse im Vordergrund steht, punkten die Miniaturen mit ihrer Vielfalt und sind durchaus ansehnlich. Es gibt acht gold gefärbte Weltwunder wie die Pyramide, der Leuchtturm oder das Mausoleum, dazu hübsch illustrierte Karten für Anführer, Ereignisse oder Triumphe. Vor jedem Spieler liegt eine angenehm dicke Tafel mit Einsparungen für Fortschritte von der Landwirtschaft über die Seefahrt bis zur Demokratie, in die man seine Steinchen platziert, sobald man etwas erforscht hat.
Es hat sich jedenfalls gelohnt, das Artdesign anzupassen - alles wirkt in sich stimmiger. Aber der Blickfang liegt natürlich in der Mitte des Tisches: die Weltkarte. Man legt für bis zu vier Spieler eine weitgehend unerforschte Landschaft mit verdeckten Plättchen aus. Nur an deren Rand wird jeweils eine vierteilige Heimatregion aufgedeckt, die einige der fünf Geländetypen wie Gebirge, Wälder oder Ebenen zeigt. Auf Letztere setzt jeder Spieler erste bunte Farbtupfer in Form eines Dorfes, eines Siedlers und eines lächelnden Gesichts. Das ist quasi die Wiege der eigenen Zivilisation, wobei der Smilie von Anfang an besonders sympathisch wirkt. Er zeigt an, dass aktuell alle in der Siedlung zufrieden sind. Das ist auch kein Wunder, denn es gibt weder Unruhen noch Kriege.
Fünfzehn Zivilisationen
Aber das wird sich bald ändern, denn mit der Erkundung der Welt über sechs Runden entstehen natürlich Kontakte zu anderen Völkern. Außerdem streifen nach ein paar Zügen Barbaren umher und später gibt es Piraten. Diese Bedrohung sorgt für Spannung und dafür, dass man sich früh um seine Verteidigung kümmern muss. Und schließlich startet bald der Wettbewerb um die besten Plätze sowie die fünf Rohstoffe Nahrung, Erz, Gold, Holz und Ideen; auch die erwähnte Zufriedenheit sowie die Kultur kann man dann als Ware einsetzen. Allerdings habe ich auf lange Sicht etwas exklusivere Beute vermisst, die man nur an speziellen Orten finden kann - ähnlich wie strategische Rohstoffe in Civilization, die zu einer gezielten Expansion in die Mitte der Karte animieren. Der Vorteil des gleichmäßigen Zugangs ist natürlich, dass die Balance stimmt und der Fortschritt in alle Richtungen garantiert ist.
Es gibt bis auf die Farben keine Unterschiede zwischen den Figuren oder Gebäuden der Spieler. Allerdings zieht oder wählt jeder eine von 15 Zivilisationen von den Chinesen bis zu den Wikingern mit speziellen Fähigkeiten. So bekommt man vier zusätzliche Merkmale wie etwa den Opferkult der Azteken: Sind sie mit einem Ereignis nicht zufrieden, können sie einen Gefangenen opfern und eine neue Karte ziehen - so lange sie können. Die Römer wiederum dürfen sich über den Straßenbau weiter bewegen als andere und die Ägypter dürfen beim Errichten von Gebäuden sowie Weltwundern mit den oben erwähnten Smilies statt der Kultur bezahlen. Die Hunnen können ihre Siedlungen wie Landeinheiten bewegen und verhindern fremde Stadtgründungen in der Nähe ihrer Reiter.
Schrittweise Expansion
Es ist lobenswert, dass man zumindest versucht hat, einige der überlieferten historischen Merkmale abzubilden, aber eine charakteristische Spielweise entwickelt sich erst später in Ansätzen. Hat man sich für eine Zivilisation entschieden, läuft der Einstieg recht gleichförmig ab: Alle beginnen mit Acker- sowie Bergbau und die meisten werden zunächst die Lagerung erforschen, um mehr Nahrung speichern zu können, weil man diese zwingend für Forschung benötigt. Das ist ungewöhnlich, aber sorgt für einen regen Spielfluss und weitere Freischaltungen, denn die meisten Forschungen spendieren sofort Kultur oder Zufriedenheit als Ware. Außerdem sollte man zügig seinen Siedler losschicken und in eine zweite Siedlung umwandeln, denn ohne diese Expansion könnte man die erste Stadt nicht weiter ausbauen: Ihre Anzahl bestimmt nämlich ihre maximale Gebäudezahl, die wiederum die Höhe der Produktion als auch das Limit der dortigen Rekrutierungen für Einheiten bestimmt.
Dazu gehören auch jeweils drei Anführer, die ebenfalls zwei Talente besitzen - darunter nicht nur militärische: Knut der Große kann das Danegeld als Steuer einfordern, Kleopatra lässt die Kultur sprießen und Nebukadnezar hat das Privileg für den Bau der Hängenden Gärten. Allerdings darf nur einer von ihnen gleichzeitig unterwegs sein. Und Vorsicht: Sie können gefangen genommen werden und bringen dem Feind dann Siegpunkte. Aber nicht die Anführer, sondern die Städte sind das wichtigste Machtinstrument des Spiels, denn ihre Größe bestimmt die maximale Expansion. Sehr schön an ihnen ist auch das Prinzip des Andockens: Wer eine Akademie oder einen Tempel errichtet, legt diese direkt an das kreisrunde Zentrum der Stadt; ein Hafen ragt dabei schön ins Wasser. So hat man das Gefühl, dass eine Metropole aus bis zu fünf Bezirken entstehen kann.
Was mir am Spielgefühl gefällt, ist die Dynamik, die von den drei flotten Hauptaktionen sowie Ereignissen ausgelöst wird: Immer wenn ein Spieler seine drei Technologiesteine verbraucht hat, zieht er eine Karte, die entweder das Auftauchen oder die Bewegung von Barbaren, eine tolle Ernte oder eine Seuche oder irgendwas anderes nach sich zieht. So können also umgehend Bedrohungen oder Gefechte entstehen, wenn da im eigenen Hinterland plötzlich eine wilde Horde von Reitern lauert. Auch die Stimmung in den Städten kann von glücklich auf neutral oder gar übel sinken, so dass nicht mehr so viel produziert werden kann. Hier kann man dann gezielt gegensteuern, indem man die Zufriedenheit über Smilie-Marker anhebt.
Stringenter Spielfluss
Alles in Clash of Cultures ist logisch und stringent geordnet: Erst wenn man Fortschritte wie die Kriegsführung erzielt, darf man eine Festung bauen. Erst wenn man die Philosophie gemeistert hat, darf man die Demokratie als Staatsform etablieren. Man könnte aber auch eine Autokratie oder Theokratie erreichten, also eher Richtung Nationalismus und Zwangsarbeit oder Hingabe und Fanatismus gehen. Allerdings kann dieses Erforschen nach einigen Runden aufgrund der vielen kleinen Symbole und Abhängigkeiten etwas überfordern, so dass man schon mal einen Unterpunkt vergisst: Wer eine Kanalisation hat, darf z.B. eine Epidemie ignorieren und mit Priestern gibt es Fortschritte in der Wissenschaft kostenlos. Außerdem muss man manche Anweisung oder Karte hinsichtlich ihrer abgekürzten Effekte zweimal lesen - oder das gute Regelwerk konsultieren. Es gibt lediglich hier und da mal einen Dreher in der deutschen Anleitung. Vielleicht hätte man noch ein, zwei Beispiele mehr für die Produktion anbringen können, aber das meiste ist klar und verständlich.
Die Spielmechanik ist ohnehin deutlich linearer und nicht so komplex wie Twilight Imperium, aber man sollte konzentriert bei der Sache sein, denn es gibt ja auch noch Aktions- und Triumphkarten: Letztere geben Siegpunkte für zwei geheime Ziele, die entweder an zivile oder militärische Bedingungen geknüpft sind - man muss sie also manchmal rechtzeitig ausspielen. Erstere können einem direkt helfen und entweder eine der sechs Hauptaktionen (Fortschritt, Stadt gründen, Produktion/Bau/Rekrutierung, Kommandieren, Stimmung erhöhen, Kulturübernahme) pro Zug ersetzen oder ergänzen. Außerdem sind sie zweigeteilt, wobei der untere Bereich eine Taktik für einen Kampf bereithält, falls man diese Karte vorher verdeckt spielt: So kann man dann z.B. Bogenschützen oder Verteidigungsstellungen einsetzen, um sich noch vor dem eigentlichen Gefecht einen Vorteil zu sichern.
Krieger, Reiter, Elefant
Wie läuft der Kampf ab? Recht simpel über zwölfseitige Würfel. Die sind übrigens nicht gerade ein Hingucker, weil sie recht klein sind und über der Zahl ein schlecht erkennbares Symbol für einen Truppentyp zeigen - hier hätte man großzügiger und edler designen müssen. Dafür sind die Gefechte angenehm klar und schnell abgewickelt: Pro Armee wirft man einen Würfel, addiert das Ergebnis und rechnet bei passendem Truppensymbol ein (Infanterie) oder zwei (Kavallerie) Punkte hinzu. Dieses Ergebnis teilt man durch fünf und bekommt abgerundet die Anzahl der Treffer, die sofort eine feindliche Armee vernichten. Sehr schön: Mit Kriegselefanten kann man einen Treffer ignorieren und so vielleicht den Sieg retten.
Übrigens: Die anderen Spieler übernehmen nicht nur die Würfe der Barbaren, sondern bestimmen auch, welche Truppentypen sie rekrutieren - auch sie können also Reiter oder Elefanten ins Feld führen. Überhaupt sorgt diese neutrale Fraktion dafür, dass es in Clash of Cultures öfter um militärische Konflikte geht. Daher ist es sehr sinnvoll, dass man mit dem Befehl Kommandieren bis zu drei Einheiten in einem Zug bewegen kann - so kann man super manövrieren und es entsteht viel Dynamik auf der Karte. Allerdings sind die Gefechte unter den Spielern nicht zwangsläufig: Man kann bis zum Schluss friedlich handeln und sich auf die Abwehr der Barbaren konzentrieren.
Kulturelle Übernahme
Man muss nicht mit dem Schwert erobern, sondern kann seine kulturelle Anziehungskraft einsetzen, um z.B. einen Teil einer fremden Stadt zu prägen: Dann wird aus dem gelben Markt der Griechen ein roter der Ägypter. Die kontrollieren ihn zwar nicht aus der Ferne, können also im fremdem Land keine Kavallerie ausbilden, aber sie bekommen am Ende die Siegpunkte für den Markt. Die Kulturübernahme ist sicher die interessanteste Spielmechanik in Clash of Cultures, zumal auch hier alles von der Macht der eigenen Stadt abhängt: Je größer sie ist, desto mehr Reichweite hat sie.
Bei einer Größe von fünf dürfte sie also fünf Felder weit die Übernahme eines Gebäudes versuchen; lediglich Weltwunder muss man militärisch erobern. Ist die Reichweite zu gering, kann man sie mit Kulturmarkern erhöhen. Dann wird gewürfelt: Das Ergebnis muss gleich oder größer 5 sein, wobei auch dieses über Marker nach oben modifiziert werden kann. Bei Erfolg platziert man sein Gebäude in der Stadt - es kann allerdings auf dieselbe Art zurückgewonnen werden. Vielleicht hätte man die kulturelle Übernahme noch insofern ausweiten können, dass bei einer Mehrheit der eigenen Farbe die ganze Stadt überzulaufen droht. Oder dass eine unzufriedene Bevölkerung selbige erleichtert.
Freie Verhandlungen
Die spannende Frage ist: Ist diese kulturelle Übernahme ein Kriegsgrund? Das entscheidet der Spieler der Griechen, der jederzeit mit dem Ägypter über alles verhandeln darf: Er könnte Kompensation in Form von Gold oder Technologie fordern - oder irgendwas anderes wie z.B. den Angriff auf einen anderen Spieler. Der Vorteil an Clash of Cultures ist, dass sehr rege Gespräche am Tisch entstehen können, je näher sich die Zivilisationen kommen und je mehr die Spieler in ihre Rolle schlüpfen. Allerdings gibt es keine all zu großen Geheimnisse: Nur die Triumph- und Taktikkarten sind verdeckt, ansonsten kann jeder sofort erkennen, wie weit entwickelt und hoch gerüstet die Nachbarn aktuell sind.
Der Nachteil an dieser theoretischen Freiheit ist, dass es keine systemische Diplomatie gibt. Sprich: Es gibt weder Botschafter noch einen Rat oder eine Agendaphase wie in Twilight Imperium. Man kann also keinen Nichtangriff auf eine Siedlung per Marker festlegen, eine Allianz mit Bedingungen und spielmechanisch regulierten Vorteilen schmieden oder gar einen Diplomatiesieg anstreben. Das Spiel endet, sobald jemand keine Städte mehr besitzt oder nach sechs Runden je nach Siegpunkten. Hier entscheidet vor allem die Infrastruktur: jedes Gebäude zählt einen und jedes Weltwunder satte vier Punkte. Dass die Fortschritte jeweils nur einen halben zählen, ist sicher auch der Tatsache geschuldet, dass man sie recht "billig" über zwei Nahrung erzielen kann - so dass alle Spieler hier am Ende ähnlich entwickelt sind.
Clash of Cultures kann man zwar auch zu zweit spielen, und ist dann weit unter zwei Stunden durch, aber erst ab drei oder vier Leuten entfaltet es über drei bis vier Stunden sein volles Potenzial. Man kann Kleinigkeiten anpassen, wie etwa ein plötzliches Ende nach Würfelwurf (!), das Weglassen der häufigen Ereignisse oder den offenen Markt für Weltwunder, damit sie - ähnlich wie in Civilization - jeder bauen kann.
FAZIT
Clash of Cultures verwandelt den Tisch in ein bunte Welt mit historischem Flair. Sobald sich Chinesen, Azteken, Wikinger oder Griechen gegenüber stehen, entfaltet diese 4X-Strategie von der ersten kleinen Siedlung bis zum prächtigen Weltwunder eine tolle Dynamik aus Erkundung, Bau, Forschung und Kampf. Das frische Artwork ist ebenso gelungen wie das erstmals deutsche Regelwerk, außerdem kann man die inhaltlichen Zusätze der Erweiterung auf einen Blick erkennen - lediglich die Würfel hätte man besser designen können. Zwar fehlen Clash of Cultures die diplomatischen und taktischen Winkelzüge eines Twilight Imperium, aber dafür entfaltet es einen tollen Spielfluss mit klarer Struktur. Es gibt 15 Zivilisationen mit je drei Anführern, die so einige exklusive Fähigkeiten bieten, auch wenn sich alle recht ähnlich spielen. Sehr gut gefallen haben mir zum einen die Städte als zentrales Machtinstrument, zumal sie mit dem Andocken auf der Karte toll als Metropolen visualisiert werden. Zum anderen sorgt die kulturelle Übernahme für eine alternative Eroberung abseits der ansonsten dominanten Gefechte mit Kriegern, Reitern und Elefanten. Wer Spiele wie Civilization sowie Miniaturen mag, wird schon beim Aufbauen seinen Spaß haben und sich über eine interessante, angenehm flott spielbare Interpretation des Klassikers freuen, mit der man auch Einsteiger an 4X-Strategie heranführen kann.
(Clash of Cultures: Monumental Edition ist für zwei bis vier Spieler ab 14 Jahren auf Deutsch bei Frosted Games erschienen. Bilder: eigene Aufnahmen.)
ja, die lieben mitspieler. für mich auch das grösste problem. ich kenne kaum einen der bock auf ein komplexes spiel hat. die besten freunde, ich liebe sie, haben dann doch mehr bock auf "ablenkung". jörg könnte ja einmal im jahr ein spielewochenende veranstalten. ich wäre garantiert dabei. einfach mal 6 stunden lang twilight spielen mit gleichgesinnten. ein traum .
Schöne Rezension! In meinem Freundeskreis haben wir jetzt schon länger keine große Spielerunde im Stile eines tagesfüllenden Strategiespiel gehabt. Wir hatten anfangs das alte Civilization gespielt, was zum Ende hin etwas frickelig wurde. Und zuletzt Civ: New Dawn, welches ich sehr empfehlen kann, weil es deutlich zugänglicher ist und durch das vereinfachte Zugsystem auch viel schneller geht. Viele kennen das sicher: Zum Ende eines Spiels dauert so ein Zug bei manchem Mitspieler eine gefühlte halbe Stunde. Für das nächste Spiel wäre in meiner Runde aber ein anderes Setting ganz gut. Mal sehen, vielleicht wird es ja etwas mit Wikingern.
Moin,
ich liebe diese Art Spiele. Ich habe selbst Twilight Imperium oder Through the ages. Das Problem ist für mich immer, Mitspieler zu finden. Daher schaue ich bei Brettspielen auch darauf, ob sie alleine spielbar sind, wie z. B. Mage Knight, Merchant of Venus oder Gaia Project. Diese drei Spiele machen auch alleine viel Spass finde ich.
Grüße