Rezension: Death Stranding 2: On the Beach (PS5)
- Jörg Luibl

- 25. Juni
- 21 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 15. Okt.
Der gestrandete Tod lässt sich Zeit. Er hat die Zivilisation im Jahr 2050 an den Rand der Vernichtung gebracht, die Erde in eine lebensfeindliche Ödnis verwandelt und den Rest der Menschheit in Isolation mutieren lassen. Aber noch ist sie nicht ausgelöscht. Und nach der Vereinigung der United Cities of America (UCA) durch Sam Porter Bridges lebt die Hoffnung. Sie sprießt auf seiner langen Reise wie eine Blume, die sich immer weiter öffnet, mit einem fast schon aufmunternden Duft nach Fortschritt und Freundschaft. Aber der Schrecken ist nicht aus der Welt, Tod und Trauer warten von Mexiko bis Australien, und eine unheilvolle Frage wirft ihren Schatten voraus: Hätten wir uns verbinden sollen?
Viel Zeit für Orientierung
Diese Frage stellte Hideo Kojima schon im Zuge der Ankündigung von Death Stranding 2: On the Beach. Sie mag seltsam für alle klingen, die den Vorgänger nicht kennen oder ihn nicht beendet haben. Warum Unheil in ihr steckt und was bisher geschah, dass man die auf den ersten Blick so hilfreiche Vernetzung skeptisch betrachten kann, habe ich in einer Vertiefung erläutert. Aber keine Bange: Man muss sich vor dem Start dieses Nachfolgers eigentlich über nichts informieren.
Kojima lässt sich genauso wie für seine Apokalypse viel Zeit für die Story, um neue Spieler vorzubereiten. Wer den Vorgänger nicht mochte, wird sich auch mit diesem Abenteuer in offener Welt nicht anfreunden. Aber wer neugierig ist und spekuliert, ob er vielleicht gleich mit Teil 2 beginnen könnte, sollte den Sprung wagen. Denn zum einen ist das Spieldesign flexibler und die Welt beißt nicht mehr ganz so brutal zu. Sprich: Das Frustpotenzial ist geringer.
Zum anderen bleibt es zwar erzählerisch komplex und teilweise bizarr, mit so einigen Widersprüchen und Wendungen, die Freunden klarer Geschichten ein Schleudertrauma bescheren könnten. Doch es gibt eine vorgelesene Zusammenfassung der Ereignisse im Hauptmenü. Und noch wichtiger ist, dass dann in Dialogen sowie in der Datenbank des Korpus alle Hintergründe samt relevanter Personen in kleinen Einträgen folgen. Und sie wächst langsam zu einem umfangreichen Lexikon heran. Dort wird sogar das Verhalten der Chiralkreaturen beschrieben, die mit ihrem teils putzigen Aussehen ebenfalls dazu beitragen, dass diese Apokalypse etwas charmanter wirkt:

Man braucht also kein Vorwissen, kann sich entspannt reinlesen und wer es noch gemütlicher mag, kann den Schwierigkeitsgrad bis auf Story senken. Ich empfehle erfahrenen Spielern jedoch mindestens die normale dritte von vier möglichen Stufen. Denn dieser Nachfolger ist komfortabler, weil es vielfältigere Taktiken bis zur geschickten Umgehung der gefürchteten Totenseelen gibt. Falls man jedoch von ihnen erwischt wird, wird man immer noch von ihrem paranormalen Schrecken gefesselt.
Diese so genannten GDs können Sam bekanntlich in ein Meer aus Teer und Terror ziehen, lauern als Fänger und Jäger wie Dämonen aus schwarzem Staub am Himmel. Und man muss diesmal nicht nur den Atem anhalten, um nicht entdeckt zu werden, sondern manchmal Deckung suchen, weil ihre unheimlichen Betrachter mittlerweile Lebewesen sehen können. Doch wie gesagt: Man kann ihnen im Gelände clever ausweichen, so dass die Routenplanung wertvoller ist und sich Umwege in der Wildnis lohnen.

Die Totenseelen haben allerdings ebenso dazugelernt wie die Menschen. Und dieses Gefühl spürbarer Entwicklung zieht sich durch das komplette Spiel, von Sams Fähigkeiten über diese Verhaltensweisen bis zur Flora und Fauna, in der es nicht nur Waldbrände oder Überflutungen, sondern auch bekannte und ganz neue Tiere gibt. All das öffnet sich angenehm langsam und knüpft Stück für Stück an die Erfahrungen sowie die Ereignisse aus dem Vorgänger an. Die fasse ich kurz zusammen, um den Status quo zu Beginn des Spiels zu klären.
UCA und APAC
Mit der Vernetzung der Städte legte Sam Porter Bridges ungewollt die Lunte für die sofortige Vernichtung allen Lebens, die so genannte Letzte Strandung. Erst im Finale konnte er verhindern, dass sie entzündet wurde - nicht mit einer Heldentat, sondern mit Menschlichkeit und Freundschaft. Die Tore ins Jenseits wurden damit jedoch nicht geschlossen und der Tod strandet weiter mit allen Konsequenzen auf der Erde. Doch innerhalb der United Cities of America (UCA) hat sich einiges verändert, bis hin zu den Machtstrukturen auf höchster Ebene.
Dort scheint man vieles besser im Griff zu haben: Statt menschlicher Boten gibt es automatisierte Transporte. Dieser Lieferservice mit Robotern wird im Auftrag der UCA von der Automated Public Assistance Company (APAC) gemanagt, die schon Expansionspläne nach Mexiko hat. Denn dort im Süden ist durch das chirale Netzwerk ein Tor entstanden, das den amerikanischen Kontinent mit Australien verbindet. Es gibt jedoch Widerstand gegen die globale Vernetzung, samt Terror sowie seltsamer Kulte. Wer sind z.B. diese rot gekleideten Kapuzenträger, die mit ihren Stäben wie Priester aussehen und durch dieses Tor schreiten?

Die Zivilisation bleibt also bedroht, von innen und außen. Hideo Kojima weitet die Frage nach der Verbindung geschickt auf das Persönliche, Geografische sowie Politische aus. Zum einen auf die Beziehung zwischen Sam und Lou: Was weiß man eigentlich über das Kind? Wo kommt es her? Zum anderen auf die Kooperation der Regierung mit dem Großkonzern, die vom neuen Netzwerk samt all seiner Daten profitieren und jetzt weltweit expandieren will: Wollen sie die Menschheit vereinen, um sie zu retten? Oder geht es eher um Kolonisierung und mehr Macht? Wird man am Ende böse überrascht?
Apropos: Wer hat jetzt das Sagen in Nordamerika? Die UCA oder doch die APAC? Denn John Blake McClane aka Die-Hardman wurde zwar als erster Präsident der UCA gewählt, aber ist bei Spielbeginn gar nicht mehr im Amt. Warum nicht? Und wo ist er? Wo sind all die anderen Bekannten wie Deadman oder Heartman? Viele alte Verbindungen zur Regierung sowie Sam scheinen getrennt oder verloren, obwohl er doch vor kurzem noch alles vereint hatte. All das macht natürlich neugierig. Aber auf eine Rolle als Nationalheld hatte Sam ohnehin keine Lust. Und er hat sich zusammen mit Lou in ein unbekanntes Exil zurückgezogen.
Ein Held im Untergrund
Die Geschichte von Death Stranding 2: On the Beach nimmt knapp ein Jahr nach den Ereignissen des Vorgängers zunächst gemächlich ihren Lauf. Zwar hat sich Sams heroisches Abenteuer als Lieferbote in aller Welt rumgesprochen. Aber er lebt nicht als gefeierter Befreier und wird sogar offiziell gesucht. Denn anstatt das Staatseigentum in der Gebärmutterkapsel namens BB-28 wie vorgeschrieben zu entsorgen, hat er sie geöffnet, gestohlen und zieht Baby Lou seitdem im Verborgenen nahe der mexikanischen Grenze groß. Bisher konnten ihn die Behörden der UCA dort nicht finden.

Das Spiel beginnt, als Sam von einem seiner privaten Botenaufträge in sein Versteck zurückkehrt, mit dem etwas älteren Lou in einem Gurt vor der Brust. Er wandert mit dem Kleinkind durch eine Sandwüste in den Bergen, muss auf schmalen Graten das Gleichgewicht halten und kann frei eine Route wählen. Schon in diesem Einstieg bekam ich sofort Lust auf die Reise, zumal die Wildnis nochmal einen Tick eindrucksvoller aussieht als anno 2019. Ich habe auf der normalen PS5 im Qualitätsmodus mit 30fps gespielt, kaum übliche Defizite in der Distanz wie Texturnachlader oder Ähnliches bemerkt und ein super flüssiges Spiel erlebt. Man kann aber auch auf 60fps und Leistung wechseln.

Wichtiger als eine möglichst hohe Bildrate ist mir allerdings die Präsenz in der Welt. Und es tut einfach unheimlich gut, mal wieder einen Charakter in spürbarer Körperlichkeit zu bewegen, mit gefühlt schweren Schritten und physikalischen Änderungen je nach Anstieg oder Gefälle. Als die Kamera das erste Mal weit heraus zoomt und die schroffe sandfarbene Landschaft von oben zeigt, wird die visuelle Kraft der Decima Engine sichtbar. Ich hab in letzter Zeit einiges Ansehnliches in der Unreal Engine 5 gesehen, aber keine derart prägnante Spielwelt. Von den Fußspuren am Boden bis zum davon huschenden Gürteltier ist sie im Kleinen scharf und überzeugt in der Weite mit klaren Konturen in sehr natürlich wirkender, eindrucksvoll gestalteter Kulisse. Man erlebt eine fast idyllische Wanderung, die im Einstieg ein überraschend helles Licht auf ein Abenteuer wirft, das man ja eher in düsterer Erinnerung hat.
Die Bitte einer Freundin
Aber als die Erde zu beben beginnt und die Sonne langsam untergeht, will man dann doch lieber mit Lou den Unterschlupf in seinem Bunker erreichen, dessen Eingang sich getarnt in einem Hügel befindet. Dort wächst der Blondschopf samt Spielzeug und Erinnerungsfotos anscheinend unbeschwert auf. Die Ruhe währt jedoch nicht lange, denn bald erscheint Sams alte Freundin Fragiles und bittet den allein erziehenden Vater um Hilfe. Denn ihre neue Firma Drawbridge hat den Auftrag, Mexiko in das chirale Netzwerk zu integrieren. Und ohne Sams exklusive Fähigkeiten wird das schwierig.
Allerdings kommt der Auftrag offiziell nicht von der Regierung der UCA, sondern von der Privatfirma APAC, die immmer mehr Aufgaben für den Staat übernimmt. Es soll aber nicht etwa um eine nationale Eroberung Mexikos gehen, sondern nur um den digitalen Anschluss, damit sich die Menschen dort ebenso gegen den gestrandeten Tod wehren können wie die Nordamerikaner. Sie leben immer noch isoliert und in ständiger Angst vor den Totenseelen, die ja bei Kontakt mit Menschen wie kleine Atombomben detonieren - und Mexiko ist voller Krater.

Sam hat da so seine Zweifel, was die angeblich menschenfeundlichen Ziele betrifft. Und er hätte nach den Erlebnissen gute Gründe, die Bitte von Fragiles abzulehnen. Das kann man sogar in einem Multiple-Choice-Dialog tun, doch dann landet man wieder bei derselben Frage, bis man zusagt - das hätte man eleganter lösen können. Es kommt im Laufe der Story häufiger zu Gesprächen mit Auswahl. Doch es bleibt leider dabei, dass Sam als passiver Protagonist meist nur nachfragen und nichts erzählerisch selbst entscheiden oder die Handlung in eine andere Richtung bringen kann. Dafür sorgt die Regie mit einigen Wendungen, die über 50 bis 60 Stunden von überraschend bis Was-zur-Hölle-? reichen.
Dass er den Auftrag letztlich annimmt, kann man durchaus verstehen. Immerhin ist Fragiles seine alte Freundin, mit der ihn auf emotionaler Ebene so einiges verbindet: Sie leidet ebenso wie er unter DOOMs, hat Alpträume sowie übernatürliche Fähigkeiten, und wurde im Vorgänger vom Antagonisten Higgs Monaghan gequält, dessen Hass auch Sam verfolgt - und zwar bis in diese Fortsetzung hinein. Außerdem hat sie nicht so viel Erfahrung im Kampf gegen GDs und kann nicht wie er aus dem Jenseits zurückkehren. Schließlich bietet sie ihm an, als Babysitterin auf Lou aufzupassen.
Der Weg nach Mexiko
Also macht sich Sam alleine auf den Weg nach Mexiko, zumal sich die Grenze fast in Sichtweite seines Bunkers befindet. Dort soll irgendwo Deadman in einem Labor mit neuen Erkenntnissen auf ihn warten, was eine zusätzliche Motivation für ihn ist. Allerdings werden auch zahlreiche Banditen und GDs gemeldet. In seinem letzten Abenteuer war er ja auf Lou angewiesen, um diese Totenseelen zu sehen. Doch seine DOOMS-Stufe hat sich mittlerweile erhöht und er kann sie mit bloßem Auge erkennen.
Hinzu kommt, dass er nicht mehr sein eigenes Blut als Munition gegen sie verwenden muss, denn mittlerweile wurde ein synthetischer Ersatz entwickelt, der noch effizienter wirkt. Und kaum öffnet man die Karte für die Sichtung der Gefahren sowie die Routenplanung, beginnt die alte Faszination im unheimlich detailliert und natürlich wirkenden Gelände zu wirken. Weil Sam nicht sofort über ein Waffenarsenal oder einen Fuhrpark verfügt, muss er wie ein Pionier mit Seil, Leiter und Kletterhaken zu Fuß in den Süden marschieren, an Grenzzäunen, Ruinen und Trümmern vorbei.

Das macht nicht nur aufgrund der erwähnten Körperlichkeit sofort Laune, sondern weil zum einen die Musik mal wieder großartig in relevanten Situationen aufspielt: Wenn man z.B. nach einem Anstieg das erste Mal in ein Tal blickt und hinab steigt, entsteht zusammen mit der Melodie ein fast erhabenes Gefühl. Und der Soundtrack wächst mit der Zeit an, man kann später Musiker an das chirale Netz anschließen und sich eine Playlist zusammen stellen.
Zum anderen ist die Landschaft geografisch markanter sowie deutlich lebendiger. Abgesehen von gelegentlichen Erdbeben und Sandstürmen gibt es Tag- und Nachtwechsel sowie dynamisches Wetter, das sich wie gehabt mit dem Zeitregen langsam durch Ausrüstung sowie Pakete frisst, so dass man irgendwann ein Spray einsetzen sollte. Immerhin kann man neue leuchtende Unterstände bauen, die sie reparieren, dort seine Wasserflasche auffüllen und mit ihren Sprühwolken sogar kurzfristig GDs abwehren, so dass man sie als Lager zum Verschnaufen nutzen kann.
Survival light
Zwar muss man auf seine Ausdauer achten und selbst die Stiefel nutzen sich ab. Allerdings wird das Überleben wie schon im Vorgänger nicht so stark in ein Mikromanagement verwoben, dass man sich ständig um irgendwelche Statistiken kümmern und etwas einschmeißen muss wie in reinen Survival-Abenteuern. Mir gefällt das dezenter im Hintergrund Mahnende besser als das ständige Alarmieren. Allerdings wirken manche Teile der Spielmechanik wie das Verspeisen von Käfern oder Auffüllen der Trinkflasche eher wie Kosmetik, zumal an nahezu jeder Station technische Verbesserungen hinzu kommen, die die Reise erleichtern.
Trotzdem ist nicht alles gemütlich, denn Sandstürme brauen sich bedrohlich in der Ferne zusammen, längere Niederschläge lassen die Erde an Abhängen rutschen und Flüsse anschwellen. Es sieht beeindruckend aus, wenn aus einem Rinnsal ein breit dahin rauschender Strom wird, den man nicht mehr so leicht durchqueren kann. Später wird das mit Fahrzeugen deutlich einfacher, denn selbst wenn das Wasser ihre Akus angreift, kann man meist hindurch jagen. Aber zu Fuß muss man etwas vorsichtiger sein. Und wer eine stabile Brücke bauen will, der braucht natürlich eine Menge Rohstoffe.

Sehr schön ist übrigens, dass Bauwerke später vom Wasser zerstört werden können, wenn man sie zu nah im Überflutungsgebiet errichtet. Wer online spielt, kann natürlich auf mehr kollektive Mithilfe setzen, inkl. neuer Möglichkeiten der gegenseitigen Hilfe, aber ich war lieber offline unterwegs. Und auch so begegnet man gelegentlich in der Wildnis platzierter Ausrüstung und später wandernden Boten, die einen grüßen und Pakete zuwerfen. Nur ist man dann meist schon viel besser ausgerüstet, so dass diese Hilfe eher gut gemeint ist als wirklich benötigt wird. Insgesamt gab es weniger aussichtslose Situationen als im Vorgänger, was vielleicht an der Erfahrung liegt - ich wusste meist, was ich an Ausrüstung einpacken und wo einsetzen muss.
Hat man das Material für eine Brücke nicht, muss man eine schmale Stelle suchen und im Idealfall Leitern über Felsen legen, damit man darauf balancieren oder nach einem Scan des Geländes die weniger tiefen Bereiche langsam stapfend durchqueren kann. Manchmal sieht man Pakete in der Flut und fragt sich, ob man riskieren soll, sie rauszufischen. Dafür gibt es später eine coole Haftkanone, mit der man ferne Beute anvisieren kann - sogar vom Pick-up aus. Und spätestens wenn man den in Australien hat, fährt man nicht nur über Stock und Stein steile Hänge hinauf, sondern wie erwähnt durch Flüsse.

Überhaupt gibt es vom Blutbumerang bis zur Tarnbombe eine Unmenge an ebenso cooler wie hilfreicher Ausrüstung, die einen selbst nach dutzenden Stunden noch überrascht und zum Ausprobieren anmiert. Zunächst sollte man sich jedoch überlegen, ob man die Gebiete der Banditen umgeht, denn sie senden ein Signal und jagen alle Beute, die sie kriegen können. Diesmal gibt es weitere Gruppierungen namens Briganten, die etwas besser bewaffnet sind und organisierter vorgehen. Sam hat zunächst nur eine Pistole für betäubende Stromschläge sowie ein nicht tödliches Gewehr mit Gummigeschossen.
Neue Freunde, neue Verbindungen
Aber man kann einen Weg um diese Gefahr herum einschlagen. Und diese Freiheit im Gelände, die einem meist die Wahl zwischen Umgehung und Konfrontation oder halsbrecherischem Rein und Raus lässt, macht zusammen mit der spürbaren Entwicklung von Sams Fähigkeiten sowie der Einführung neuer Charakere einen Großteil der Faszination aus. Gleichzeitig bleibt Fragiles von Sams Zuhause aus mit ihm per Chat und Fotos in Kontakt. Später melden sich dort auch ans Netzwerk angeschlossene neue Bekannte, so dass eine durchaus lebendige Kommunikation mit kleinen Geschichten und Hinweisen entsteht.
Ich habe jedenfalls selten ein Spiel erlebt, das sich derart harmonisch in seiner Interaktion sowie Erzählweise entfaltet - tatsächlich so wie eine Blume mit immer mehr Farben und Duftnoten, darunter so einige exotische. Recht früh gewinnt man Dollman als Begleiter, eine Marionette in abstrahierter Gestalt von Fatih Akin, der sie spricht. Dass man sie in Stop-Motion-Technik darstellt ist klasse. Außerdem gibt sie Sam manchmal Hinweise und lässt sich als Späher wie eine Kamera in nicht einsehbare Gebiete werfen, was recht nützlich sein kann. Man fühlt sich auf längeren Reisen nicht mehr ganz so alleine.

Dollman ist so etwas wie ein Ratgeber, der neue Spieler ein wenig einweist und laufende Missionen kommentiert, wenn man z.B. alles Nötige gefunden hat oder besser in Deckung gehen sollte. Sobald er in Sams Lager an der Wand hängt, kann man ihn manuell ansprechen, wobei er manchmal nur Einzeiler von sich gibt. Aber dass sich eine menschliche Seele im Körper einer hölzernen Puppe befindet, ist nach den Ereignissen des Vorgängers ohnehin nicht so spektakulär wie etwas anderes, das das Spiel in vielerlei Hinsicht bereichert: und zwar die DHV Magellan. Sie ist benannt nach dem portugiesischen Seefahrer (1485-1521), auf dessen Expedition die Erde von 1519 bis 1522 erstmals umsegelt wurde.
DHV Magellan und Captain Tarman
Während Sam die wenigen Stationen im relativ überschaubaren Gebiet von Mexiko verbindet, landet irgendwann dieses prächtige Schiff von Drawbridge in der Wüste und dient als Stützpunkt sowie universelles Transportmittel. Das fliegt nicht etwa nur wie ein Flugzeug, sondern kann wie ein U-Boot durch die seit Death Stranding auftauchenden Teerströme von Ort zu Ort tauchen. Sie werden im Laufe des Spiels wie ein übernatürliches Meer behandelt. Wenn die Magellan landet, hat sie manchmal einen riesigen schwarzen See unter sich. Bei Nacht sieht sie mit ihren Positionslichtern einfach nur klasse aus und wenn man sich nähert, scheint sie einen zu begrüßen.

Das ist ein prächtiges Mech-Mutterschiff, das in seinem Artdesign ebenfalls an die metallenen Konstrukte aus Metal Gear erinnert, die natürlich zur Faszination der Reihe beigetragen haben und japanische Science-Fiction bis heute prägen. Man denke an Metal Gear REX, den zweibeinigen Atomwaffen-Panzer und Boss, dem Snake das erste Mal 1998 auf der PlayStation in Metal Gear Solid auf Shadow Moses Island begegnete. Ich habe diese ästhetische Anknüpfung jedenfalls sehr genossen. Und es folgen weitere, sowohl spielmechanisch als auch visuell, so dass dieses Spiel noch deutlicher als der Vorgänger eine Hommage an die große Tradition des Studios ist.
Wenn die DHV Magellan aufsetzt, öffnet sie ihren Rachen wie eine Zugbrücke und man kann selbst mit einem großen Pick-Up an Bord fahren. Dort hat man natürlich eine Kajüte, wo man sich wie gehabt duschen, ausruhen, trinken, essen und Ausrüstung lagern sowie lesen kann - übrigens auch im Moby Dick. Man kann sich auf den in einer Karte sichtbaren Etagen leider nicht frei bewegen, aber lernt die neue Besatzung kennen: Neben Dollman und Fragile wäre das Kapitän Tarman samt seiner geflügelten Teerkatze. Ihm fehlt zwar kein Bein wie Captain Ahab, aber trotzdem lässt in seiner Biographie der berühmte Roman grüßen.

Denn Tarmans Hand ging nach dem Angeln eines Wals im Meer aus Teer verloren und seitdem hat er einen seltsamen Kontakt zu dieser Welt, indem er seinen Stumpf mit ihr verbindet. Hideo Kojima hatte seine Sympathie für den 1851 veröffentlichten Moby Dick von Herbert Melville schon in Metal Gear Solid V: The Phantom Pain zum Ausdruck gebracht. Der ursprüngliche Trailer wurde ja 2012 unter einer Produktionsfirma namens Moby Dick Industries veröffentlicht, hinter der sich ein Joakim aka Kojima verbarg. Und Wale waren bekanntlich in Death Stranding eines der wiederkehrenden Symbole, bis hin zu einem Bosskampf gegen ein riesiges geisterhaftes Exemplar.
Charlie, Rainy und Tomorrow
An Bord der DHV Magellan wird es jedenfalls immer lebendiger. Da wäre Charlie, der unbekannte Sponsor von Drawbridge - er wirkt wie eine Art Big Boss, dem Sam in seiner mechanischen Gestalt als Meister Proper ex machina nicht traut. Zumal er recht schnell den Chef der Privatfirma APAC als "Präsidenten" vorstellt. Dass die Regierung der UCA von dieser Tech-Firma gesteuert wird, scheint immer offensichtlicher zu werden. Deren Logo erinnert übrigens an jenes der niederländischen Ostindien-Kompanie VOC, die im 17. Jahrhundert den weltweiten Sklavenhandel dominierte und zum führenden Megakonzern aufstieg, der sich wie ein Staat verhielt - mehr dazu in dieser Erkundung.

Die Frage, ob er sich mit diesem Mann, der sich Präsident nennt, verbinden soll, kann er trotz seiner Skepsis nicht verneinen - und in diesen Momenten wünscht man sich als Rollenspieler verzweifelt mehr Einfluss auf die Handlung. Die Argumentation des APAC-Chefs für die Expedition klingt immerhin plausibel: Während Sam das chirale Netz der UCA knüpfte, öffnete sich parallel ein Tor in Mexiko. Keiner weiß genau, warum das passierte, aber von dort gelangt man nach Australien und wenn er das ebenfalls im chiralen Netz vereint, öffnet sich evtl. ein weiteres Tor? Nur ist Down Under ein wesentlich größeres Gebiet, das sich von West nach Ost weitläufig ausbreitet.
Auf jeden Fall würde APAC sehr viele neue Daten sowie Erkenntnisse sammeln, um den determinierten Untergang des Death Stranding vielleicht abzuwenden. Auch Sam profitiert direkt von der Rechenpower des Großkonzerns, denn er kann auf ihre Software namens Automated Porter Assistant System (APAS) zugreifen, um seine Fähigkeiten im Gelände, im Kampf sowie mit jedweder Ausrüstung von der Batterie- bis zur Scanner-Leistung zu verbessern. Je mehr Orte er ins chirale Netz bringt, desto mehr Energiepunkte kann er dafür ausgeben.

Dieser Fähigkeitenbaum wächst mit der Zeit und ist eine schöne Ergänzung, denn man kann die freigeschalteten Boni jederzeit anders verteilen - je nachdem, ob der Auftrag gerade den Transport durch schwieriges Gelände oder ein Gefecht erwarten lässt. Also lässt sich Sam schon wieder für ein höheres Ziel einspannen, zumal er sich im Gegenzug von Fragiles erhofft, dass sie mehr über Lou herausfindet. Denn als es zu einem unerquicklichen Wiedersehen in Gestalt von Higgs kommt, der sich weiter an Sam rächen und die Welt zerstören will, erzählt der ihm ebenso böse wie verschwörerisch, dass Sam nichts über das Baby weiß. Was meint er damit?
In Australien kommen andere interessante Charaktere hinzu: Da wäre die schwangere Rainy, der Sam vor einem einsamen Bunker zu "Raindrops Keep Fallin' on My Head" tanzend begegnet. Und sie kann tatsächlich den Regen in ihrer Umgebung in etwas Heilsames verwandeln, so dass wieder Pflanzen wachsen. Allerdings wächst ihr Kind nicht und sie muss das Trauma einer Verfolgung überwinden. Außerdem wäre da eine weitere Lady namens Tomorrow, die Sam in einem Kokon findet, bevor man sie medizinisch untersucht und ihre besonderen Fähigkeiten entdeckt.

Leider geht das nicht so weit, dass man sie aktiv für seine Einsätze auswählen und in kooperativen Missionen begleiten kann - auch wenn sie Sam irgendwann helfen. Aber diese Crew sorgt für ganz neue Perspektiven, auf schauspielerisch hohem Niveau, auch auf Deutsch mit angenehm natürlichen Dialogen und einigen charmanten Szenen. So baut Sam zusammen mit den Mexikanern und Australiern, die er in das chirale Netz bringt, erneut persönliche Verbindungen auf. Auch ihre Geschichten machen neugierig, werden teilweise mit Sams eigenem Trauma verwoben, bevor es im Finale zu so viel Verblüffung kommt, dass das eine Vertiefung wert wäre. Aber an dieser Stelle verlasse ich die Story und widme mich der Erkundung.
Sam der Baumeister
Wenn man in Australien unterwegs ist, wird neben der Errichtung des chiralen Netzwerks auch jener der Infrastruktur über Straßen, Schienen & Co immer relevanter. Und das macht richtig Laune, wenn man sich darauf einlässt. In der Wildnis erkennt man einsame Stationen, die man mit Kristallen, Metall und Keramik versorgen kann. Sobald man alles geliefert hat, erwachen sie mit einem coolen Laserzwinkern zum Leben und errichten einen Teil des Highways, der bei Nacht in blaugrünen Neonlicht strahlt und beim Befahren den Akku nicht leert.

Zwar sind das meist optionale Aufträge, aber dieser Aufbauteil ist unterhaltsam, weil er in weitere Gebiete mit verlassenen Minen sowie einigen tollen landschaftlichen Ausblicken führt und danach mit mehr Reisekomfort belohnt. Zwar kann man auch unterwegs Rohstoffe aller Art aufsammeln, aber erst wenn man die entlegenen Fabriken wieder in Gang bringt, lassen sich größere Mengen direkt vor Ort abbauen. Außerdem zahlt sich hier die Gunst der Stationen aus, denn wenn man sie beliefert und so weitere der fünf Sterne freischaltet, wird deren Rohstoffdepot aufgefüllt.
Hinzu kommen die Verbesserungen für oder ganz neue Waffen und Ausrüstung, so dass man seinen Spielstil mit dem Beliefern einer Station verstärken kann: Wer z.B. den Nahkampf bevorzugt, wird in einem mexikanischen Dorf erst den einfachen und dann den verbesserten elektronischen Kampfstab bekommen. Wer in Australien den gefährlichen Weg zum einsamen Kommandeur einschlägt, bekommt zuerst ein Scharfschützengewehr, das allerdings verdammt laut kracht, und danach etwas Kleineres, aber Feineres, mit dem man wunderbar lautlos ganze Lager ausschalten kann.

Dasselbe gilt für all die Granaten, Gewehre oder die Kampfskelette: Nahezu alles gibt es in mehreren Stufen und Varianten, so dass man ein regelrechtes Arsenal aufbaut. Selbst der Rucksack lässt sich mit diversen Taschen, Schutzplatten, Solarakus & Co ideal an den kommenden Auftrag anpassen. Aber man findet nicht nur Material und Ausrüstung, sondern auch Tiere und kann sie wie schon in Metal Gear einfangen. Wenn man das Tierheim in Australien an das chirale Netz anschließt, soll man z.B. ein Känguruh vor einem Waldbrand retten, der sich gefährlich dynamisch ausbreitet und von einer Teerkanone eingedämmt werden kann.
Alle andere Tiere, die man danach findet, kann man ebenfalls dorthin schicken, wo sie aufgepäppelt werden und einem dann frei laufend begegnen. Das Interessante ist, dass man auch chiralen Wesen begegnet, die z.B. wie Spinnen aussehen. Sie bevölkern einen Gebirgspass und tragen manchmal im Kollektiv wie Ameisen verlorene Pakete vor sich her. Wenn man vorsichtig zwischen ihnen spaziert, passiert einem nichts. Aber wenn man auf sie drauftritt, greifen alle in der Nähe an. In den Flüssen erkennt man ebenfalls seltsam leuchtende Aale, die sich wie Schwärme verhalten und erst beim Gang ins Wasser aggressiv werden. Es macht einfach Spaß, all das zu beobachten.
Die Welt bereisen
Und so schließen sich in diesem Spiel immer wieder Kreise, man bekommt nicht nur stets Belohnungen und Likes, sondern spürt eine permanente Entwicklung der Interaktion. In den ersten Stunden kann das Hin und Her laufen bzw. fahren für die Aufträge oder das Beschaffen von Rohstoffen für den Straßenbau vielleicht mühsam wirken. Aber irgendwann schaltet man ja die Navigation für die DHV Magellan frei und man kann sich für fest gelegte Landepunkte auf der Karte entscheiden. So kommt man auch auf Knopfdruck zurück von Australien nach Mexiko, falls man dort noch Aufträge erledigen will.
Überhaupt ist das Reisen weniger fußlastig und vielfältiger als im Vorgänger. Neben dem hilfreichen schwebenden Lastenschlitten, den man zum Hoverboard umfunktionieren kann, sowie Fahrzeugen wie dem wendigen Tri-Cruiser oder dem schweren Pick-up für schroffes Gelände, den man ebenfalls wunderbar mit Akus, MG und Haftkanone aufrüsten kann, gibt es Seilrutschen sowie eine Schwebebahn, mit der man sehr viele Rohstoffe in Containern transportieren und selbst samt Fahrzeug mitfahren kann. Dabei hängt man an der Seite, kann die Kamera drehen und jederzeit abspringen. So entsteht ein unbeschwertes Erkundungsgefühl.

Aber Vorsicht: Wer nach dem Kampf gegen die Briganten in Down Under sowie seiner verbesserten Ausrüstung denkt, dass es beim Abstecher nach Mexiko kinderleicht läuft, wird sich vielleicht wundern. Denn in der Abwesenheit von Sam gab es lokale Entwicklungen: einige MULEs haben Waffen gestohlen, ihre Lager weiter in der Landschaft ausgebaut und Geschütze aufgestellt. Wenn man zwischen sich und sein Scharfschützengewehr einen wilden Fluss bringt, um sie auf Distanz zu dezimieren, schwärmen sie aus und erklimmen das Plateau.
Zwar sind sie im reinen Handgemenge wie im Vorgänger etwas einfach zu erledigen, aber sie teilen sich auf, werfen Elektrospeere sowie Betäubungsgranaten. Also kann man nicht statisch auf seiner Position verharren, sondern muss sich bewegen und flexibel auf die Angriffe reagieren. Manchmal ist die beste Wahl die kontrollierte Defensive mit einer Rauchgranate - oder einfach die Flucht mit viel Tempo. Die Kämpfe sind also ebenfalls vielfältiger, sowohl in direkter Konfrontation aus der Nähe oder der Ferne als auch im hinterhältigen Taktieren.
Verdeckte Operationen
Wer Stealth-Action mag, wird jedenfalls auf seine Kosten kommen. Die Aufträge erinnern teilweise an das, was man auch im letzten Metal Gear meistern musste: Infiltrieren, Objekte bergen und verschwinden. Man benötigt zwar nicht diese militärische Disziplin, das Eindringen und Ausknocken ist einfacher. Aber selbst Banditen sind recht aufmerksam und spähen von Türmen aus in die nähere Umgebung. Irgendwann tragen sie bessere Panzerung und patrouillieren in Pick-ups, deren Routen man kennen sollte. Man kann selbst in angemessener Distanz einen Tum errichten, um ihre Lager vorher auszuspähen, aber das ist nicht zwingend notwendig. Ach so: Jegliches Kampfverhalten lässt sich wunderbar in Sams Lager in virtuellen Arenen trainieren, in vielen kleinen Übungen, am Schießstand oder frei gegen jede Gegnerart.

Zwar kann Sam nicht wie eine Schlange kriechen, aber Tarnkleidung anlegen, in die Hocke gehen und im hüfthohen Gras weitgehend ungesehen schleichen. Außerdem kann man coole Granaten werfen, die Feinde mit Hologrammen von Totenseelen erschrecken oder eine künstliche Deckung errichten. Man kann Wachen anlocken, um sich dann mit angehaltenem Atem an sie heran zu pirschen. Und es ist immer wieder eine Augenweide, wenn der Close-Quarter-Combat (CQC) aus Metal Gear Solid 3 grüßen lässt. Wenn man das Packseil ausrüstet, kann man Wachen nicht nur von hinten im wahrsten Sinne des Wortes abfertigen, sondern sie in frontaler Konfrontation überaus elegant im Moment ihres Angriffs auskontern und fesseln.
Die Möglichkeiten im Nahkampf reichen vom Fausthieb samt Kombo über den Paketwurf bis zur akrobatischen Sprungattacke: Wenn Sam ein Kampfskelett plus Handschuhe trägt, haut er so richtig rein. Wer das Fesseln aus der Distanz bevorzugt, benutzt die coole Bola mit ihren Wurfgeschoss-Seilen, die sich um Füße oder Hals wickeln. Dann muss man allerdings noch ran und einmal trocken zuschlagen oder treten, sonst sind sie nicht ausgeknockt. Die Gegner-KI ist verzeihlicher als im letzten Metal Gear, aber das ist mehr als Stealth-Action light: Wachen wundern sich über am Boden liegende Kameraden, versuchen diese aufzuwecken und Tag oder Nacht sind relevant für die Sichtlinien.

Und wer in der Nähe einer feindlichen Basis sein Odradek zum Scannen nutzt oder mit hoch gestapelten Paketen durchs Gras tapert, wird sie aufgrund der Geräusche oder der Sichtbarkeit anlocken, so dass sie Alarm auslösen und ausschwärmen. Aber wenn die Situation eskaliert, kann man sich den Weg meist freischießen und wegrasen. Auch der Kampf mit Feuerwaffen wird sehr detailliert mit ganz unterschiedlichen Wirkungen je nach Projektil und Körperzone inszeniert, ähnlich wie damals in Killzone, selbst wenn es erst sehr spät wirklich tödliche Varianten gibt. Erst dann muss man aufgrund der Gefahr von Leerestürzen die Leichen verbrennen, was aber in jeder Station möglich und weitaus weniger oft nötig ist.
Totenschädel und Riesenkraken
Last but not least seien die abwechslunsgreichen Bosskämpfe erwähnt, die nicht mehr ganz so hektisch anmuten wie im Vorgänger und mich besser unterhalten haben. Freunde dieser finalen Gefechte werden hier lange nicht so fordernd unterhalten wie in den Arenen von FromSoftware und dürften sie auf der normalen Stufe auf Anhieb meistern, ohne groß ins Schwitzen zu geraten. Man kann sie sogar komplett überspringen und danach trotzdem erfahren, was dort passiert ist.

Schon in der ersten Auseinandersetzung gegen einen Riesen-GD in Mexiko wird man zum ansehnlichen Tanz in einer wabernden Teer-Arena gebeten und hat angesichts diverser Granaten sowie Gewehre genug Möglichkeiten, auf das Ungetüm in Form eines Riesenschädels zu reagieren, inklusive eines Sprungs zum Ausweichen. Das wirkt taktisch recht eindimensional, aber steuert sich etwas besser als im Vorgänger und wird danach spektakulärer sowie interessanter. U.a. gegen einen Bildschirm füllenden Mech-Oktopus, der sich flexibler bewegt und dessen verwundbare Stellen man gezielt attackieren kann, um seine mächtigen Arme zu schwächen.
Metal Gear lässt ebenfalls in einem Bosskampf grüßen: Man hat es irgendwann mit einem Soldaten samt Stirnband zu tun, der locker von der Spezialeinheit Grey Fox kommen könnte. Er erinnert mit seinem militärischen Kommando sofort an Solid Snake und man kann in einem riesigen Park mit mehrstöckigen Gebäuden gegen seine ausschwärmende Truppe antreten, während es um einen herum brennt und knistert. Auch hier wird man nicht in ein Korsett gezwungen: Man kann komplett auf Täuschung und hinterhältige Angriffe setzen oder sich die Teer-Kanone schnappen und das Ganze frontaler angehen.

FAZIT
Ich habe selten ein digitales Abenteuer erlebt, das sich derart harmonisch in seiner Interaktion sowie Erzählweise über eine so lange Zeit entfaltet. Das Spieldesign erinnert tatsächlich an eine Blume, der man beim Wachsen zusieht. Stunde umd Stunde bekommt man mehr taktische Möglichkeiten, bis man von der Erkundung über den Kampf bis zum Aufbau der Infrastruktur herrliche Freiheit in der Vorgehensweise hat. Man kann Gefahren clever umgehen, sich im explosiven Hit&Run oder subtiler Stealth-Action versuchen. Und während man schleicht und täuscht, sieht man Solid Snake fast salutieren, denn dieser Nachfolger ist eine noch deutlichere Hommage an Metal Gear, die selbst im prächtigen Mutterschiff der DHV Magellan sichtbar wird. Ich liebe die futuristische Ästhetik dieses Spiels, in der Hightech und Militärisches elegant verschmelzen. Auch die Geschichte wächst samt der veränderten Spielerfahrung. Man erlebt in der Rolle von Sam zwar Hass, Verlust und den Schrecken der Apokalypse, aber auch eine neue Art von Unbeschwertheit, dazu mehr Schönheit in der Natur sowie Freundschaft. Jedenfalls passt kein Song besser dazu als "Raindrops Keep Fallin' on My Head" von B.J. Thomas. Man wird Teil einer Crew interessanter Charaktere, die trotz des drohenden Untergangs der trügerischen Hoffnung nachjagt, sich und die Welt vielleicht retten zu können. Allerdings bleibt Sam passiver Zuschauer einer Story, die sich mit einigen Widersprüchen bis in ein Schwindel erregendes Finale schaukelt - das ist mal wieder nichts für Freunde klarer Geschichten. Und wie bei vielen Nachfolgern einzigartiger Abenteuer liegt ein kleiner Fluch über diesem Death Stranding 2: On the Beach. Denn die Welt kann natürlich nicht mehr auf dieselbe Art faszinieren wie anno 2019, als man sie erstmals betrat und überhaupt nicht ahnte, was es mit dem gestrandeten Tod auf sich hat. Mir ging es damals ähnlich mit Horizon Forbidden West, das zwar gegenüber Zero Dawn technisch und spielerisch verfeinert wurde, aber erzählerisch nicht mehr so neugierig machen konnte und so ein wenig vom ursprünglichen Sense of Wonder verlor. Nichtsdestotrotz gelingt es Kojima Productions ein außergewöhnliches Abenteuer mit frischen Impulsen zu bereichern und in vielerlei Hinsicht so zu verbessern, dass ich jede der knapp 60 Stunden genossen habe und sehr gut bis ausgezeichnet unterhalten wurde. (Bilder: Death Stranding 2: On the Beach, Kojima Productions, PS5, eigene Aufnahmen)









