top of page

Rezension, Teil 2: Dragon's Dogma 2 (PC, PS5, XBS)

Im ersten Teil habe ich die Erkundungsreize der Landschaft, die teils spektakulären Kämpfe gegen Fabelwesen sowie das freie Abenteuergefühl von Dragon's Dogma 2 gelobt. Außerdem ging es um das Verhalten der Vasallen, das zwischen verblüffend coolem Teamwork und hyperaktivem Chaos schwankt. Die redundanten Gefechte gegen Monstermobs, die fehlenden Reaktionen beim Stehlen und Betreten von Privaträumen sowie die recht statischen Dialoge konnten den guten ersten Eindruck nicht trüben. Wie entwickeln sich die Story und die Quests im Königreich Vermund weiter? Was hat Batthal, die Heimat der Katzenwesen, zu bieten? Welche Art von Tavernen, Dungeons und Rätseln gibt es - und natürlich: Welches Fazit ergibt sich für das Comeback dieses Action-Rollenpiels?






Konspirative Gespräche


Wie angekündigt nehme ich den Faden im Gasthaus Sternenfall wieder auf, wo konspirative Treffen stattfinden, in denen der Erweckte mit der brisanten politischen Situation vertraut gemacht wird. Es geht um die Dialoge mit Hauptmann Brant, die ein Beispiel für guten Stimmungsaufbau sind. Zwar wirkt es naiv, dass so eine prominente Gestalt aus dem Kreis der Königinregentin davon ausgeht, in einer Taverne am Marktplatz nicht mit dem Erweckten gesehen zu werden, über den ja schon überall getratscht wird. Man wird ja sogar verfolgt und die Story nimmt den Helden in einer spannenden Nebenmission tatsächlich ins Visier. Aber sie lässt so einiges an fast schon logischer Zuspitzung schleifen, um dem Spieler nicht die Bewegungsfreiheit zu nehmen.


Darunter sind natürlich einige Kompromisse, die man in einem Abenteuer eingehen muss, dessen großer Reiz darin liegt, seinen eigenen Weg und Rhythmus zu finden. Genau das ist einerseits eine große Stärke von Dragon's Dogma 2, andererseits ein dramaturgisches Hindernis, mit dem schon andere Action-Rollenspiele in offenen Welten zu kämpfen hatten. So kommt es auch später zu Widersprüchen zwischen der Prominenz des Erweckten, der schon auf der Straße erkannt wird, und so einigen Missionen, in denen es um Heimlichkeit oder erste Kontakte geht. The Witcher 3 hatte ähnliche Herausforderungen und diese vielleicht deshalb besser meistern können, weil ein Hexer nicht ganz so auffällt wie ein Erweckter. Letztlich war das Drehbuch von CD Projekt RED auch einfach besser.


Lokales Milieu


Aber nichtsdestotrotz wird die Begegnung mit Brant überaus stimmungsvoll inszeniert. Er führt den Spieler nach einer Begrüßung an der Theke in einen hinteren Bereich. Das ist nur eine kleine, jedoch wirkungsvolle Szene, denn hier erlebt man natürliches Verhalten bei potenzieller Gefahr, das einem Rollenspiel gerecht wird. Dazu tragen im weiteren Verlauf die Boten des Hauptmanns bei, die einen in der Stadt ansprechen, wenn er neue Informationen hat. In seinen besten Momenten kann dieses Dragon's Dogma 2 glaubwürdige Abläufe und die Illusion einer lebendigen Fantasywelt erzeugen. In diesem Punkt erlebt man eine atmosphärische Steigerung gegenüber dem Vorgänger von 2012. Aber Capcom ist auf lange Strecke nicht konsequent genug darin.


Die Gespräche mit Hauptmann Brant werden stimmungsvoll eingeleitet.

Ich hebe diese kleine Szene in der Taverne beispielhaft heraus, weil sie das schauspielerische und situative Potenzial lokaler Milieus andeutet, das abseits von Crafting, Fähigkeiten, Kämpfen oder Levelaufstiegen noch immer in diesem Genre schlummert und leider zu selten ausgeschöpft wird. Auch Dragon's Dogma 2 ist bei aller Freude über Ogerakrobatik und Greifenflüge recht gewöhnlich in dieser Hinsicht. Aber selbst das teilweise meisterhaft erzählte Baldur's Gate 3 steckte im recht starren Korsett von Dungeons & Dragons und war in Räumen mit Personen nicht gerade lebendig. Ausnahmen wie die großartige schauspielerische Dynamik der Gesprächssituationen in Cyberpunk 2077 bestätigen eher die Regel, dass Gasthäuser in Fantasy-Rollenspielen meist steril designte Orte zum Abholen von Quests sind.


Statische Taverne


Auch in Sternenfall kann ich mich nach dem Gespräch mit Hauptmann Brant nicht an einen Tisch setzen, Karten spielen, würfeln oder dem Tratsch lauschen. Der Gastwirt hinter der Theke wirkt wie ein Bot ohne Charisma aus einem Online-Rollenspiel des Jahres 2000. Er sagt immer denselben Satz auf, selbst nach dutzenden Besuchen. Und man findet die immergleichen Notizen auf den Tischen. Zwar gehen die Leute hier ein und aus, es gibt gegen Abend Musik und zu später Stunde hab ich tatsächlich mal eine Schlägerei beobachtet. Die wurde allerdings wie von Robotern ohne einen Sieger, irgendein Gefluche oder gar einen Rausschmiss beendet und wirkte auf fast gespenstische Art künstlich. Worum es ging, konnte ich erst gar nicht herausfinden.


Die Tavernen sehen lebendig aus, aber man kann dort nicht viel machen.

Trotzdem sind das lobenswerte dynamische Ansätze, gerade wenn man an die Statik eines Skyrim denkt. The Witcher 3 war ja mit trinkenden, fluchenden, boxenden oder würfelnden Gästen schon ein Fortschritt, morgens sah man sogar Schnapsleichen am Boden, aber auch dort fehlte es letztlich an Unberechenbarkeit und Gewusel. Ich bin sehr gespannt, inwiefern CD Projekt RED das in kommenden Abenteuern inszeniert. Auch von Bethesda ist im nächsten The Elder Scrolls eine deutliche Steigerung zu erwarten. Wer weiß, vielleicht knistert es ja mal so gemütlich wie bei den Hobbits im Tänzelnden Pony von Bree. Aber bevor ich diesen Wunsch wieder loslasse: Gibt es überhaupt eine Art von Vorbild für eine gelungene Taverne in einem Videospiel?


Gegenbeispiel Kettenkratz


Die einzige, die mir als wirklich lebendiges Gegenbeispiel einfällt, ist Kettenkratz aus Horizon Forbidden West. Kaum öffnet man dort die Tür, taucht man in den Dunst einer lachenden und feiernden Gesellschaft ein, in der Bier getrunken, geflucht und gekocht wird. Da spielen Kinder am Eingang, irgendwo wird Korn gescheffelt. Wenn man sich die Zeit nimmt, kann man erkennen, wie jemand umher wandert und dabei einzelne Arbeiten erledigt - vom Füllen des Braufasses über das Schrubben des Bodens bis zum Smalltalk. Hier demonstrierte Guerrilla zumindest mal an einem Ort, was noch alles in lokalen Milieus möglich ist, die viele Videospiele mit ihrem Fokus auf hunderte Quadratkilometer gerne vernachlässigen.


Um es gleich vorweg zu nehmen: Alle Gasthäuser in Dragon's Dogma 2 gleichen sich in diesen Abläufen, selbst jene in Batthal können später keine frischen Akzente setzen. Überhaupt wirkt vieles in der Heimat der Biestren weniger exotisch als man vielleicht vermuten würde - zwar ändern sich Landschaft, Architektur und Mode, aber nicht der Alltag oder das Figurenverhalten. Da habe ich die Kultur der katzenartigen Khajiit aus Skyrim deutlich markanter in Erinnerung. Aber Sternenfall habe ich gerne besucht, so lange Hauptmann Brant dort im Hinterzimmer auf mich wartete. Man trifft ihn ja öfter und er erläutert die politische Situation im Königreich, die ein wenig an den Fantasyroman Das Rad der Zeit von Robert Jordan erinnert.


Rätselhafte Ausgangssituation


Dort waren es so genannte falsche Drachen, die für Unsicherheit sorgten, hier sind es falsche Erweckte. Die Story von Dragon's Dogma 2 beruht ja darauf, dass die Königinregentin Disa einen solchen als Original ausgibt, um ihre Dynastie an der Macht zu halten und ihren Sohn Sven irgendwann zum König zu machen. Allerdings durchschaut der Hauptmann das falsche Spiel und tüftelt einen Plan aus, wie der echte Erweckte seine ihm prophezeite Rolle einnehmen und den Rest des Königreichs überzeugen kann. So erhält man die ersten Quests, die von einfachen Kämpfen in der Wildnis über das Ausfragen von Gefangenen bis hin zu einem Maskenball reichen, bei dem man sich sogar verkleiden muss.


Der Maskenball klingt aufregender als er ist.

Eine neue Brisanz kommt in die Geschichte, als der falsche Erweckte, der ja eigentlich keine Fähigkeit zur Beschwörung von Vasallen besitzt, eine seltsame Macht über sie ausüben kann. Wie ist das möglich? Und was passiert, wenn er und die Königinregentin eine Armee aus beschworenen Vasallen rekrutieren? All das spukt an Ahnungen herum, während man weiter für den Hauptmann recherchiert. Und irgendwann soll man sich für Antworten nach Batthal begeben, in das Reich der Biestren, das weit im Süden liegt. Aber wie gesagt: Man kann alles an Story ignorieren und komplett frei die Welt erkunden. Während man so durch Vernworth stromert, kommen nebenbei weitere Quests hinzu, wie etwa das Misstrauen gegenüber einem Bettler, der Geschichten von einer Medusa erzählt, eine Äbtissin auf der Suche nach Medizin, oder diese schattenhafte Gestalt, die einen verfolgt.


Einfache Quests, viel Abwechslung


Und es lohnt sich, genauer hinzuhören. Es entsteht ein angenehm mysteriöses Flair, es gibt interessantere Aufträge als nur Holen und Bringen, und über ihre Erledigung lernt man natürlich die Stadt kennen. Die ist sozial gegliedert: Von einem Armenviertel mit Baracken unten am Fluss über kleine bürgerliche Häuser bis hin zu großen Villen mit Skulpturen im Adelsviertel sowie dem pompösen Palast samt Garten hoch oben in der Burg. Begibt man sich dort hinauf, warten die Vasallen übrigens brav hinter den Mauern und man muss alleine ausklamüsern, wie man in den Kerker oder den Festsaal kommt - im Zweifel muss man alleine gegen die Wachen kämpfen oder fliehen. So entstehen schöne kleine Szenen bei der Rückkehr, wenn die Gefährten wieder aus dem Gebüsch kommen und den Erweckten freudig begrüßen.


Die Landschaft lockt immer wieder in die Ferne.

Die Auftragslage klingt allerdings rätselhafter und gefährlicher als sie spieltaktisch ist. In den ersten heimlichen Missionen kann man recht simpel seine Ziele erreichen. Man kann natürlich weiter alles ohne Konsequenzen vor den Augen der Leute mitgehen lassen, selbst im Palast. Aber immerhin reagieren Wachen, wenn man seine Waffen zückt. Man findet auch mal einen Geheimgang, aber das Schleichen ist nicht besonders anspruchsvoll und der Maskenball klingt aufregender als er am Abend abläuft. Man wechselt lediglich die Kleidung, geht an die richtige Position und fertig. Hätte die Regie hier an die stimmungsvolle Situation mit dem Hauptmann in der Taverne angeknüpft, hätte man sich als potenziell falscher Erweckter zwischen all den Adligen vielleicht wie beim Tanz der Vampire fühlen können.


Kurtisane ex machina


Obwohl Gedanken an sie bald mit den Gerüchten über eine schwarze Kutsche wieder aufkommen, die angeblich durch die Nacht fährt - wenn man sie dann tatsächlich sieht, ist die Neugier natürlich groß. Dragon's Dogma 2 gelingt es immer wieder interessante Akzente zu setzen, die einen ködern. Und trotz meiner Kritik an den Abläufen darf man nicht vergessen, dass diese offene Welt im Vergleich zu jener von Rise of the Ronin mindestens zwei Klassen lebendiger wirkt. Ich habe die beiden parallel gespielt und der Unterschied zur sterilen Kulisse in Japan, die sich ja im wahrsten Sinne des Wortes in Luft auflösen kann, ist enorm. Aber spätestens wenn man im Garten auf Wilhelmina trifft, die wie eine Kurtisane ex machina bei einem Pavillon auftaucht, wird das mittelalterlich düstere Flair von einer künstlich wirkenden Lady in Strapsen verweht - dagegen wirken die Geishas bei Team Ninja wiederum glaubwürdiger.


Das Bordell selbst ist dann im Vergleich zu den akrobatischen Monsterbesteigungen ein recht statisches Etablissement, durch das halbnackte Leute mit Masken stolzieren. Falls man es darauf angelegt, kann man später ein Techtelmechtel mit Wilhelmina eingehen, die sich als Hilfe gegen all zu aufmerksame Wachen erweist und dem Erweckten anscheinend wohlgesonnen ist. Ich bin gegenüber Romanzen in Rollenspielen eher skeptisch, weil sie meist recht plumpe Einbahnstraßen sind. Und Wilhelmina fällt quasi wie eine mörderische Puppe ins Haus. Es gab Ausnahmen bei BioWare, aber selbst in Baldur's Gate 3 konnte das Flirten der Gefährten manchmal lächerlich wirken. Insofern bin ich froh, dass mir die eigenen Vasallen hier keine Avancen machen und lieber Schatzkisten und Höhlen hinterher rennen.


Man kann Waffen und Rüstungen in drei Stufen aufwerten.

Wer abseits von Wilhelmina nach einer Beziehung mit kleinen Nebenquests sucht, kann versuchen seine Retterin Ulrika zu erobern, die sich in Harve aufhält. Hier kommen dann neben Aufträgen auch die Geschenke ins Spiel, die man quasi jedem Charakter in der Welt machen kann. Und sowohl das Erfüllen von Aufträgen als auch das Überreichen z.B. von Blumen erhöhen bei allen stückweise den Beziehungsgrad, nur dass es nicht auf eine Romanze mit Zwischensequenz hinaus läuft. Das kann bei einigen Nebencharakteren dazu führen, dass sie z.B. öfter beim eigenen Haus auftauchen; außerdem spielt die Höhe der Verbundenheit zu Personen innerhalb der Story noch eine Rolle. Zwar geht es da letztlich um eine Statistik, die abgerufen wird, aber immerhin ist dieser Wert in den Personenbeschreibungen des Menüs nicht ganz egal.


Gezielte Würfe


Auf spielerischer Ebene gibt es wesentlich mehr zu experimentieren als auf sexueller, bis hin zu anarchistischer Gewalt: Als an den Klippen von Vernworth ein aufgeblasener Adliger von seinen Rassismustheorien und Mischehen palavert, hab ich ihn kurzerhand gepackt und ins Meer geworfen, wo er von roten Tentakelmonstern gefressen wurde. Diese Greiftechnik wird übrigens immer wieder nützlich sein. Und auch wenn es physikalischer Mumpitz ist, kann man seine eigenen Vasallen packen und selbst über Abgründe hinweg zu einem Mechanismus werfen, wo sie sich dann vielleicht aufrappeln, ihn tatsächlich bedienen und die Brücke runterlassen.


Der Rassist fliegt gleich über die Klippen...

Also, bei aller Kritik an erzählerischen und strukturellen Defiziten, darf man nicht vergessen, dass es hier so viele Möglichkeiten wie in keinem anderen Rollenspiel gibt. Trotzdem bin ich froh, dass sich das vor allem auf die Interaktion mit den Vasallen sowie die Kämpfe bezieht und dass es nicht noch einen Baukasten wie im aktuellen Zelda gibt. Wobei ich eingestehen muss, dass ich mir auf so manchem Gipfel gerne einen Gleiter konstruiert hätte, zumal ich einige Male zu Tode gestürzt bin. Ach so: Falls man mal einen wichtigen Charakter mit einem Questgegenstand ins Jenseits befördert, kann man ihn am Ort seines Ablebens oder im Mausoleum der jeweiligen Stadt suchen und mit einem Lazarusstein wiederbeleben. Jeder Charakter hat ja einen Namen, ist einzigartig und manche sind relevanter als man denkt, so dass sich das durchaus lohnen kann. Manchmal ist man gar nicht der Mörder, sondern findet eine questrelevante Person vielleicht nach einem Kampf in der Wildnis.


Gediegenes Artdesign


Im ersten Teil der Rezension hatte ich die Landschaft gelobt, die bis ins Finale der Star der Kulisse ist, zumal vernebelte Wälder mit mächtigen Wurzelbrücken, die verwinkelten Schluchten von Batthal und eine ansehnlich gefährliche Vulkaninsel hinzu kommen. Doch der Rest des Artdesigns kann sich ebenfalls sehen lassen - ich mag das Licht, die Farben und die Stoffe. Schon im ersten Teil hat man sich ja an Bestiarien sowie sizilianischen Burgen des Mittelalters orientiert und diesem Stil bleibt man im Königreich Vermund treu. Der Blick vom beschaulichen Flusstal hinauf zur mächtigen Festung erinnert an eine typisch europäische Burgenidylle, in der Wehrgänge, Mauern und Wohnhäuser natürlich verwachsen aussehen. Ein tolles Beispiel dafür ist Ruhestadt an der Grenze zu Batthal, das sich steil an eine Mauer schmiegt und einfach prächtig wirkt.


Tja, betrügt man den Mann?

Nicht nur die Architektur, auch die Mode wirkt vertraut und erinnert mich zumindest an einige Filme der 50er und 60er Jahre. Die Fahrer der Ochsenkarren tragen Kappen wie Robin Hood, die Wachen schreiten im schweren Mantel und Kettenpanzer durch die Gassen, die Gewänder und das Leder wirken matt und nicht künstlich. Zwar gibt es einige Auswüchse, vor allem bei den riesigen Schwertern, die irgendwann mit ihren breiten Klingen an Guts aus Berserk erinnern. Und so manche Ausrüstung als Erzmagier sah mir zu sehr nach Harry Potter aus. Aber es entsteht ein gediegenes Flair, das mich stellenweise an Historienschinken wie El Cid oder Ivanhoe erinnert und sich angenehm von glänzender Kitschfantasy abhebt. Trotzdem wird all zu ritterliches Pathos immer wieder mit einem Augenzwinkern oder von komischen bis grotesken Gestalten eingedampft. Kaum denkt man an Sir Galahad, begegnet einem unterwegs ein übergewichtiger Hüne mit Henkerskapuze und Piepsstimme. Oder Capcom lässt einfach mal MegaMan aus dem Rift grüßen. Die Namen dieser Vasallen sind nicht nur Jux, sie können tatsächlich auch in Quests relevant sein.


Die historische Macht der Namen


Im Rift tragen übrigens viele Männer Frauennamen - und umgekehrt. Wenn eine angesichts der Wölbungen des Kettenhemds vermutete Lady z.B. Friedrich heißt, wirkt das recht befremdlich. Überhaupt sind die Namen keine Stärke von Dragon's Dogma 2, denn sie wecken über Ähnlichkeiten von Silben oder spezielle Zusammensetzungen selten vertraute Assoziationen zu einer Region, einem Volk oder einer Gesellschaftsschicht der Spielwelt. Natürlich sind die Vasallen im Sinne der Story tatsächlich beschworene Fremdkörper, da fällt das nicht ins Gewicht. Aber die Bewohner der beiden Königreiche sorgen mit ihren Namen eher für Schall und Rauch als wiedererkennbare Muster, selbst wenn Klaus und Wilhelmina aus Vermund deutsche bzw. niederländische Namen sind, mutet Kaiserin Nadinia aus Batthal dagegen nicht wirklich exotisch katzenhaft an. Hier hätte man viel besser mit Sprache arbeiten können.


Nicht alle sehen aus wie Sir Lancelot in Historienfilmen der 60er.

Überhaupt vermisse ich bei aller Freude über die geografische Horizontalität eine gewisse historische Vertikalität. Sie könnte über Namen und Dynastien, vergangene Schlachten und Ereignisse abgebildet werden, wie das in Elden Ring entweder in Dialogen, auf Artefakten oder Statuen gemacht wurde. Dragon's Dogma 2 fehlt dieses mythologische Fundament über erzählerische oder architektonische Fragmente, auch wenn es in Vernsworth immerhin die Statue des Drachentöters gibt und die nahe Vergangenheit, also das Auftauchen des Drachen, über die Ruinen in Melve und anderswo durchaus sichtbar wird. Auch ein anderer gegenwärtiger Konflikt, der zwischen Menschen und Biestren, wird zwar im erwähnten Monolog des rassistischen Adligen angedeutet, aber die Spielwirklichkeit kann das nicht wirklich darstellen.


Kaum erlebter Rassismus


Menschen und Biestren leben weitgehend friedlich miteinander, ich oder mein Hauptvasall wurden nie auf unsere Herkunft angesprochen, und selbst im Armenviertel, wo ein rassistischer Schmähbrief an der Taverne klebt, trinken trotzdem alle gemeinsam einen Meter weiter vorne. Der Brief hängt da übrigens das ganze Spiel über, denn im Gegensatz zu The Witcher 3 gibt es hier nur sehr selten lokale Änderungen innerhalb der Siedlungen. In der Stadt Novigrad fand man ja an den Wänden nicht nur anzügliche Zeichnungen über Hexen, sondern auch über Gottheiten. Kam man dann zu anderer Zeit an derselben Stelle vorbei, erkannte man die Wachen, die die Ketzerei mit Lappen wegwischten - das war klasse. Zwar kann es in Dragon's Dogma 2 passieren, dass ein zuvor unzugänglicher Pass ein paar Tage später frei wird, aber die Textnotizen scheinen permanent zu sein.


Leider kann man die schöne Karte nicht ausführlicher beschriften.

Ich hab beim Spazieren zwar Gepöbel über die Adligen, aber selten etwas Schlechtes über Biestren gehört. Auch innerhalb der eigenen Vasallen, die ja sogar kommentieren, wenn z.B. nur Männer in der Gruppe sind, wird das nicht angesprochen. Ich will das nicht überbewerten, aber so verpufft diese politisch-soziale Brisanz irgendwann und in den Straßen spürt man nichts von völkischen Ressentiments. Dafür freut man sich wiederum über Angriffe von Monstern, die plötzlich die Ruhe in den Gassen aufbrechen und die Leute schreiend davon laufen lassen. Oder auch über kleine alltägliche Szenen: Die Vasallen sprechen z.B. beiläufig über die aktuelle Wetterlage. Und wenn es gerade zu regnen beginnt, bleiben manche Leute stehen, strecken die Hände aus und schauen zum Himmel. Auch das sind schöne kleine Details.


Haus, Kiste und Traglast


Irgendwann hatte ich dann ein Haus in Vernworth, das mir im Laufe einer kleinen Quest recht offensichtlich angeboten wurde. Das lohnt sich alleine aufgrund der gesparten Übernachtungsgebühren, später werden in Batthal tatsächlich 9999 Gold für eine Nacht verlangt, aber irgendwann ist es auch Voraussetzung für einen heiklen Auftrag. Nur mit Schlaf im Lager oder einem Gasthaus kann man ja seine maximale Gesundheit komplett herstellen. Wie angedeutet entbehren manche Preise jeglicher wirtschaftlicher Logik; schön ist jedoch, dass Händler je nach Region für dort seltene Edelsteine deutlich mehr bezahlen. Allerdings hat mancher Goblin hunderte Goldstücke dabei und da man diese Unholde auf jeder Reise von A nach B zu Dutzenden vermöbelt, dazu überall herrenlose Kisten warten, hat man kaum finanzielle Probleme und kann seine Waffen recht zügig aufrüsten. Und wer die Höhlen komplett erkundet, findet des Öfteren wertvolle Ausrüstung.


Es gibt sehr viele Höhlen und Minen.

Probleme gibt es eher mit der Traglast, wenn man irgendwann schwer belastet dahin kriecht. Man kann nicht endlos alles einsammeln und muss immer wieder in sein Haus oder ein Gasthaus, um die universell verfügbare Lagerkiste zu befüllen. Es ist zwar schön, dass es nicht so endlos viele Waffen und Rüstungen gibt wie in Rise of the Ronin, so dass man ständig sein Schwert wechseln muss, aber man findet unterwegs zig Pflanzen, Zutaten, Edelsteine, Ringe, Zauberbücher & Co. Kurios inkonsequent ist übrigens, dass alles auf das Gramm genau einberechnet wird, aber die schwere Spitzhacke nichts wiegt, die man einfach so aus dem Gürtel zaubert, sobald man auf Kupfer-, Silber- oder Goldadern stößt. Und Capcom übertreibt es recht früh mit dem Sammelfetisch, wenn man dem Spieler gleich zu Beginn in der Laufbahn-Gilde eine Liste von 220 (!) Sucher-Medaillons samt Belohnungen präsentiert, die überall in der Welt verstreut sind. Hätte man das nicht etwas rätselhafter gestalten können? Das hat dann jedenfalls nichts mehr mit geheimnisvollem Abenteuer zu tun, sondern erinnert an die Federn von Assassin's Creed.


Campieren & Grillen


Immerhin gibt es innerhalb des Sammelns leichte simulative Aspekte: Blumen verwelken und rohe Nahrung reift bzw. fault, was sie wiederum für das Herstellen von Ölen geeigneter macht, das man in seine Laterne füllen muss. Allerdings hatte ich nie Probleme mit dem Licht und es entsteht nicht diese Relevanz von Feuer und Fackeln wie etwa in Dark Souls 2, zumal man Letztere nicht einzeln in Höhlen entzünden kann. Aber die Helligkeit der Laterne lockt in der Nacht gewisse Monster an. Wer in der Wildnis campiert, kann das Fleisch in einer fast fotorealistischen Grillszene brutzeln, um spezielle Werte für eine gewisse Zeit zu steigern, aber seltsamerweise kann den Fisch nicht derart zubereiten.


Im Lager kann man Fleisch grillen und damit Werte steigern.

Beim Lager vermisse ich so etwas wie kleine Gespräche, eine Anekdote der Vasallen oder Ähnliches. Sie haben ja manchmal eigene kleine Quests, die zwar nur darin bestehen, eine Anzahl an Tränken oder Beute in ihrem Gepäck abzuliefern, aber die man hier vielleicht hätte ansprechen können. Man kann lediglich das Feuer entfachen, Kampffertigkeiten wechseln und schlafen gehen. Man muss weder eine Wache für die Nacht bestimmen oder defensive Vorbereitungen treffen, man kann seine Ausrüstung nicht flicken oder irgendwas herstellen, so dass der Reiz des Campierens bald verfliegt - die Lagersituationen hat das kleine Wartales taktisch motivierender und gemütlicher dargestellt.


Reisen inklusive Kampfakrobatik


Aber dafür macht das Reisen weiter Laune. Auf einsamen Wachtürmen stehen Ballisten, man kann aus der Ferne Überfälle beobachten, nach Belieben eingreifen und man entdeckt überall Ruinen. Was mir richtig gut gefällt ist, dass man am Tag nach einem Kampf die Überreste von Ungeheuern an derselben Stelle sieht, weil sie sich nicht einfach in Luft auflösen. Mit diesem kurzzeitigen Verschwinden der Monster kann Capcom die nervigen Überfälle zumindest auf bekannten Wegen etwas abmildern - dass manche Rückwege mit Leichen gepflastert sind, verrät natürlich auch etwas über die stets ansteigende Kampfkraft der Gruppe. Wandert man in den ersten zehn Stunden noch vorsichtig durch die Wildnis, legt man das dann Level für Level ab. Ich habe den Vorgänger von 2012 jedenfalls in anspruchsvollerer Erinnerung und starb dort häufiger. Andererseits bietet Dragon's Dogma 2 auch aufgrund seiner indirekten Gruppentaktik eine Alternative zum deutlich skillfixierteren Kampfsystem eines Elden Ring. Oder anders: Hier fallen Bosse deutlich leichter.


Selbst mächtige Bestien sind irgendwann Jagdroutine.

Selbst Oger, Zyklopen, Greife und Minotauren sind irgendwann keine all zu gefährlichen Gegner mehr, wenn man in der Stufe weit genug aufgestiegen ist, ihre Schwächen kennt und seine Routinen abspult. Außerdem kann man mit einem kleinen Trick dafür sorgen, dass man nie auf einen Schlag sterben kann wie noch im Vorgänger, wenn man rechtzeitig einen Apfel oder eine Himbeere verspeist, so dass die Lebenspunkte nicht auf null sinken - man muss nur genug dabei haben. Der Spaß an den Kämpfen mit den Fabelwesen liegt irgendwann weniger in der Freude über, sondern eher in der Art des Sieges, weil man so viel mit Klassen und all den Kombinationen der Elemente experimentieren kann. Man kann Oger gezielt ins Meer locken, wo sie ebenfalls von den blutroten Tentakeln gefressen werden. Man kann akrobatisch zusammen arbeiten wie eine Gruppe aus vier Superhelden, die sich wie Zirkusartisten katapultieren, Blitze vom Himmel auf durchnässte Feinde tanzen lassen und multiple magische Pfeilsalven abfeuern, so dass selbst Legolas dagegen alt aussieht.


Das Artdesign der Fabelwesen orientiert sich an europäischen Bestiarien.

Erst die Halbdrachen sorgen nochmal für erhöhte Spannung. Erstens spüren sie die Gegenwart des Erweckten, sprechen ihn direkt an und fordern ihn heraus. Außerdem sehen sie klasse aus, wie sie erst mit angelegten Flügeln durch ein Tal wandern und einen dann fixieren. Und schließlich sind sie nicht so enttäuschend schwache Kontrahenten wie in Skyrim, sondern bringen einen richtig ins Schwitzen - vor allem, wenn man sich sehr früh in ihre Reviere wagt. Sie zu besiegen bringt nicht nur spezielle Kristalle als Beute, die man wiederum gegen mächtige Waffen bzw. Artefakte eintauschen kann, sondern sie sind quasi die kampftaktische Vorbereitung für die Konfrontation mit dem großen roten Drachen. Bevor es so weit ist, trifft man im Laufe der Geschichte noch auf einen anderen Antagonisten namens Lord Phaesus und muss natürlich Batthal erkunden. Irgendwann schickt einen Hauptmann Brant in den Süden und auf diese Reise habe ich mich sehr gefreut.


Auf dem Weg in den Süden


Zunächst zeigt man seinen Passierschein am großen Tor und kaum erkundet man die ersten hundert Meter, zeigen sich schon Änderungen im Gelände, das von immer mehr rostbraunen und roten Farbtönen durchzogen wird, bis man sich fast an die Canyons des Wilden Westens erinnert fühlt - und natürlich sind Räuber und Banditen nicht weit, dazu giftige Echsen und natürlich größere Kreaturen. Die von Schluchten und Pässen geprägte Landschaft kann sogar mit Seilbahnen durchquert werden, die an Turmstationen in mehrere Richtungen und in die Hauptstadt Bakbattahl führen. Das klingt nicht nur dem Namen nach wie Baghdad, sondern vom Teppichverkäufer über die Statuen mit ihren babylonisch anmutenden Reliefzeichnungen bis zur Mode der Wachen und Tempel verströmt sie orientalisches Flair - auch wenn die bunten Wimpel eher an tibetische Gebetsfahnen erinnern.


Batthal erinnert mal an den orient, mal an das asiatische Hochland.

Auf dem Weg in die Hauptstadt schleicht sich allerdings schon in einer viel zu weitläufigen Höhle mit endlosen Abzweigungen und Horden von Feinden das seltsame Gefühl ein, dass Capcom diese südliche Region recht zügig konstruiert hat und etwas zu viel an Erlebnissen wiederholt. Auch hier wird mir ein Haus angeboten, die Gasthäuser zeigen dieselbe Statik und trotz klarer visueller Unterschiede und Akzente, wie etwa der Färberei oder den wie gemütliche Lehmstuben designten Innenräumen, fühlt sich vieles vertraut an. Der erhoffte Zauber von tausendundeiner Nacht verfliegt fast mit jedem Schritt, als ich einfach so den Palast von Kaiserin Nadinia betreten und sogar in ihre Gemächer stolzieren kann. Zwar begegnet man vorher einer ihrer Vertrauten, die nach der Hilfe des Erweckten fragt. Aber ich habe mich gewundert, dass die Wachen mich einfach so bis ins Zentrum der Macht gehen lassen, quasi bis ins Schlafgemach. Und Nadinia? Steht da einfach nur und sagt nix.


Der Mörder von Nadinia


Weil ich in dieser seltsamen Szene ausprobieren wollte, wie weit ich gehen kann, habe ich sie ergriffen und danach attackiert. Sie hat es knapp überlebt und ich komme nach dem Kampf in den Kerker von Bakbatthal. So weit, so gut, aber dann öffne ich einfach die Zellentür und spaziere raus. Dann gehe ich zurück in den Palast und niemand findet es seltsam, dass ich als Attentäter wieder da rumlaufe. Es wird noch abstruser, denn gerade ich soll Nadinia in einer Quest vor einem Attentäter beschützen, der sie bei der kommenden Zeremonie töten soll. Okay, also akzeptiere ich das Kurzzeitgedächtnis der Bestrien und helfe. Die Szene wirkt dann noch unglaubwürdiger, denn ich soll anhand einer Personenbeschreibung den Täter auf einer Treppe identifizieren und festnehmen. Wenn ich den falschen überwältige, was mir zunächst passiert ist, stirbt die Kaiserin, weil der echte Attentäter einfach die Treppe hoch läuft; man kann sie übrigens auch wiederbleben. Aber warum gibt es da bitte angesichts der Gefahr keinen Schutz? Nadinia hält mit dem Rücken zur Menge eine Zeremonie ab und es gibt direkt vor ihr keine Wachen? Das ist einfach absurd.


Man kommt einfach so ins Schlafgemach der Herrscherin Nadinia...

Schon vorher zeigen sich innerhalb der Story, der Welt sowie der Questlogik kleine Widersprüche und Inkonsequenzen. Als ich einen Wanderer zu seinem Ziel begleiten sollte, verschwindet er plötzlich nach einer Biegung, obwohl ich schon kurz davor stand. Bei einigen Aufgaben sind die nötigen Aktionen zum Abschluss nicht immer ganz klar, weil die Texte nicht eindeutig geschrieben sind. Warum muss ich die Äbtissin z.B. selbst ergreifen, obwohl ich sie doch der Wache melden soll, von der eine vor dem Kloster steht? Manchmal muss man auch ein wenig experimentieren, die Zeit an einer Bank vorspulen oder hat vielleicht einen relevanten Gegenstand nicht dabei, der zuhause in der Lagerkiste wartet. Was ich damit sagen will: Es ist durchaus schön, dass einen Dragon's Dogma 2 nicht immer wie magnetisch zum Ziel zieht. Ich kann zudem vieles im Kontext verzeihen, vor allem wenn es durch tolle Momente kompensiert wird. Aber an dieser Stelle mit Nadinia sank meine Motivation rapide ab, weil das nicht irgendein Nebenschauplatz mit einer unwichtigen Gestalt ist.


Raus aus Bakbatthal


Wie kann dieselbe Regie, die eine einfache Szene wie jene mit dem Hauptmann in Sternenfall so natürlich darstellt, eine so relevante Szene im Palast so versauen? Auch die anderen Bereiche von Bakbatthal, darunter die geheimen Räume von Lord Phaesus, der für die Story ebenfalls relevant ist, kann ich einfach so als Fremder betreten und plündern - das sorgt für weitere Immersionsbrüche und entwertet die Brisanz der Geschichte, in der es ja um geheime Experimente geht, zu deren Quelle ich einfach so spaziere. Und auch die anderen Quests vor Ort wie etwa der Bildhauer, für den ich möglichst lange gegen einen Greifen kämpfen soll, oder der Typ, für den ich mich von Echsen vergiften lassen soll, erreichen nicht die Qualität der mysteriösen Aufträge von Vermund. Und wie soll ich einen jungen Banditen in seiner Zelle per Dialog auf den richtigen Weg bringen, wenn ich trotz der zweifachen Bestechung der Wache gar keine Fragen stellen darf? Ich hatte irgendwann keine Lust mehr auf die enttäuschende Stadt der Bestrien und mich anderen Zielen zugewendet.


Der Zauber von tausendundeiner Nacht verfliegt im Palast.

Und das Schöne ist, dass man diese Freiheit hat. Es gibt selbst nach zig Stunden immer wieder Überraschungen im Kleinen. In der erwähnten Ruhestadt gibt es z.B. eine Quest, in der man sich zwischen zwei Interessenten für eine verschwundene Jadesphäre entscheiden muss und auch die Dienste eines Fälschers in Anspruch nehmen kann, um vielleicht beide Käufer zu bedienen - und einen zu betrügen. Auch die teure Eintrittskarte ins Bordell kann man bei ihm kopieren. Interessant ist auch, wie sich manche Aufgaben entwickeln, wenn man etwa die wahre Identität des Geschichtenerzählers offenbart oder wenn man Nadinia später nochmal inkognito in Vermund trifft. Weniger interessant war wiederum die Erkundung der Heimat der Elben, die zwar visuell an Galadriels Reich erinnert, aber dieselben Händler und Funktionen bietet und mich als Erweckten quasi ignoriert. Zwar ist es schön, dass nur mit einem Vasallen, der Wortkünstler ist, das gesprochene Elbisch übersetzt wird.


In Batthal kann man mit der Seilbahn reisen.

Aber wenn man keine Quest verfolgt, spaziert man einfach so durch ihr verstecktes Reich, kauft vielleicht einen mächtigen Stab für den Erzmagier, ohne dass jemand etwas Besonderes zu sagen hätte. Wie schon in Batthal verfliegt der erhoffte Zauber hier.

Letztlich ensteht trotz dieser Defizite ein Abenteuer mit viel Abwechslung, in dem sich erzählerische Kreise schließen und man einige Höhepunkte erleben kann. Was mir neben der Dringlichkeit der zeitkritischen Quests ganz grundsätzlich gefällt, ist die Entschleunigung durch Hinweise darauf, dass man ein paar Tage später zu einem Auftraggeber zurückkehren soll. Das ist ideal, um eine Stadt weiter zu erkunden oder sich anderen Zielen zu widmen, aber in der Gegend zu bleiben. Überhaupt kann man seinem eigenen Spielrhythmus folgen, auf der Reise mit dem Ochsenkarren einfach nur die Landschaft betrachten oder einnicken und so die Zeit vorspulen - natürlich mit der Ungewissheit, dass man überfallen wird. Und selbst wenn im darauf folgenden Kampf mal wieder der Karren zerstört wird und man mitten in der Nacht in der Wildnis steht, kann sich umgehend ein weiteres Ziel ergeben. Nur leider wird man einen Sehnsuchtsort für Rollenspieler nicht finden: den klassischen Dungeon.


Wo sind die Dungeons?


Manchmal überquert man nur einen Hügelkamm und entdeckt etwas in der Ferne. Wie kommt man z.B. auf diesen halb versunkenen Turm im Meer? Wohin führt dieser steile Pfad? So kann man vom Weg abkommen und eine Quest vergessen, weil die Landschaft fast immer die Neugier weckt, wobei es recht viele Höhlen gibt. Das bleibt auch weiter im Süden in den rotbraunen Canyons von Batthal so, zumal auch dort Statuen auf interessante Orte in der Nähe hinweisen. Die Auswahl potenzieller Ziele steigt quasi mit jedem Reisemeter. Schade ist daher, dass man die ansehnlich gezeichnete Karte nicht beschriften und lediglich mit wenigen Markern versehen kann. Also steht man mal wieder vor einem klaffenden schwarzen Spalt in einem Gebirge und fragt sich, ob man hinab steigen soll oder nicht. Manchmal erübrigt sich das, wenn man unter porösem Gestein plötzlich in die Tiefe stürzt.


Es gibt Höhlen und Minen, aber keine klassischen Dungeons.

Das sind gerade in den ersten Stunden tolle Überraschungen, aber ich habe auf lange Sicht den klassischen Dungeon unter Tage vermisst, auch wenn es ähnlich Orte gibt. Meist kann man in ehemaligen Minen versperrte Wege freisprengen, es gibt verschlossene Türen und Fallgruben, verwinkelte Grotten und weiter unten wartet oft ein Boss. Zwar grübelt man ab und zu über den Weg, aber sie ähneln sich doch auf Dauer. Es gibt sehr viele dieser Höhlen und Minen, von denen einige sogar unterirdisch die Landesgrenzen überwinden, so dass man theoretisch ohne Passierschein von Vermund nach Batthal kommt. In den Städten gibt es mal eine kleinere Kanalisation oder Kellergewölbe, aber ich habe keine komplexeren Dungeons gefunden, die einen wirklich in ein gefährliches Labyrinth entführen.


Ich hatte tatsächlich gehofft, dass Capcom einige der Konzepte aus dem ehemals für PS4 angekündigten Deep Down einfließen lassen würde, aber die unterirdischen Ausflüge erreichen nicht die Anziehungskraft eines klassischen Dungeon-Crawlers. Das hat mich doch sehr gewundert, zumal das Erlebnis in der Tiefe noch eine der Stärken von Dragon's Dogma war. Dort stach neben Everfall vor allem die Bitterblack Isle als komplexes Dungeon-Gebiet heraus. Dieser mysteriöse Schauplatz aus Dark Arisen war quasi der heilige und verflixt knifflig zu meisternde Gral des Abenteuers, den es hier nicht gibt. Ich kann mir nur vorstellen, dass man sich das für eine große Erweiterung aufgespart hat. Aber das ist neben den ebenso dummen wie überflüssigen Mikrotranskationen für ein Vollpreisspiel ein Fehler von Capcom, der viele Veteranen zurecht verärgert.


Die Rätsel der Sphinx


Schließlich gibt es noch ein erwähnenswertes Highlight in Dragon's Dogma 2, das zumindest am Ende einer Höhle wartet: die Sphinx. Schon der Weg zu dieser mythischen Gestalt hat sich gelohnt, denn man kann von einer Stelle aus den spektakulären Kampf zwischen einem Drachen und einem Zyklopen beobachten - oder mit einer Balliste eingreifen. Aber noch beeindruckender ist die Präsenz der Sphinx in ihrem Gewölbe. Sie schickt die Gruppe auf eine mysteriöse Rätselreise, die durch die ganze Welt führen kann, wobei man Zeitlimits beachten und einige knifflige Aufgaben meistern muss. Zwar ist die erste von zehn Aufgaben denkbar banal, denn man muss lediglich eine Kiste öffnen, aber danach wird es interessanter: Wer ist die Person, die man am meisten mag? Wie findet man die Eltern der Sphinx? Oder wo hat man sein erstes Sucher-Medaillon gefunden?


Kaum erklimmt man einen Hügel, wird man wieder ins Abenteuer geworfen.

Gerade Letzteres hat mich lange grübeln lassen, denn der Ort wird nicht auf der Karte oder im Tagebuch notiert. Also muss man sich an ihn erinnern oder hat sieben Tage Zeit, ihn zu suchen. Sehr schön ist zudem, dass sich diese Rätselreise nach der Hälfte der Aufgaben nochmal entwickelt. Außerdem erfordert sie hinsichtlich des Rückwegs von den Zielen zur Sphinx zurück eine gute Planung bzw. Teleports und innerhalb der Aufgaben kreatives Um-die-Ecke-denken, indem man einige bekannte Spielmechaniken ausnutzt. Ich habe die Sphinx jedenfalls recht spät entdeckt, als mein Abenteuer nach dem Besuch von Batthal bereits in einen gewissen Trott verfiel und mich dann richtig über diese Abwechslung gefreut. Zwar konnte die mythische Lady nicht über das Fehlen echter Dungeons hinwegtrösten, aber ihre Questreihe gehört sicher zu den interessantesten Erlebnissen dieses Action-Rollenspiels.


FAZIT


Puh, wenn man ein Rollenspiel so analysiert, kann man manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen. Natürlich lässt sich anhand von Pros und Kontras kein Unterhaltungswert errechnen. Alleine die Tatsache, dass man so viel über seine Abenteuer in diesem Spiel erzählen kann, spricht für die Qualität und auch eine Vielfalt, die über den Kampf gegen Bosse hinaus geht. Innerhalb der Action-Rollenspiele gehört Dragon's Dogma 2 zu jenen, die sowohl das Experimentieren als auch Erkunden belohnen. Und selbst das Beobachten macht Spaß, wenn man in dieser prächtigen Landschaft auf Fabelwesen kolossaler Größe trifft. Mir gefällt das entschleunigte Reisen, ich mag das gediegen mittelalterliche Artdesign, die Farben und das Licht. Und selbst wenn die Vasallen manchmal hyperaktiv sind, mit ihren Kommentaren nerven und ich mehr taktische Befehle vermisse, zeigen sie teils spektakuläres Teamwork. Aber Capcom hätte die stimmungsvollen Ansätze des Abenteuers auf lange Strecke halten und erweitern müssen, was nicht gelingt. In einigen Momenten entsteht gutes Rollenspielflair, aber man fühlt sich oft wie in einer Gruppe mit künstlichen Bots und das Gefühl der Beliebigkeit wird in den Städten verstärkt, wenn man alles plündern und selbst Privaträume bei Nacht betreten kann. Die Königreiche verlieren ihren Reiz als glaubwürdige Mächte, wenn man einfach so zur Herrscherin der Biestren spazieren, sie attackieren und später ohne Konsequenzen als ihr Helfer engagiert werden kann. Und wo sind bloß klassische Dungeons im Stile von Dark Arisen? So sehr ich mich über dieses Spiel freue, muss ich festhalten, dass Capcom nach zwölf Jahren nicht das volle Potenzial ausgeschöpft hat. Auf lange Strecke wiederholt sich vieles, Batthal und das Elbenreich setzen zu wenig eigene Akzente. Die Story läuft zwar auf ein erzählerisch absehbares Finale hinaus, aber es gibt noch eine tolle Überraschung - und meine Spielzeit lag nicht wie im ersten Teil erwartet bei knapp 25, sondern bei 60 bis 70 Stunden. Also lasst euch bloß nicht von der Reise abhalten, denn da wartet nicht nur eine Sphinx, sondern auch ein Action-Rollenspiel, das sich deutlich von der reflexfokussierten Konkurrenz unterscheidet. Ich wurde trotz der Defizite unterm Strich gut unterhalten. Und ich habe das Gefühl, dass sich Capcom den finalen Tusch für die Erweiterung aufgespart hat.


(Bilder: Dragon's Dogma 2, PS5, Capcom, eigene Aufnahmen)

bottom of page