Amberstar, Ambermoon und die Bernstein-Trilogie
- Jörg Luibl
- 11. Apr. 2022
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 17. Jan. 2023
In meinem Gespräch mit Wolfgang Walk ging es auch kurz um das Rollenspiel Albion (1995), für das er die mythologischen Hintergründe einiger Kulturen schrieb - im Podcast hatten wir sie beide nicht genannt, daher ein kleiner Nachtrag: es waren die "Kenget Kamulos" und "Dji Cantos". Der für Blue Byte produzierte PC-Titel, der Motive der Science-Fiction und Fantasy vermischte, war zwar erzählerisch innovativ, aber konnte sich nicht so ins spielkulturelle Gedächtnis brennen wie seine Vorgänger im Geiste: Amberstar (1992) und Ambermoon (1993).
Viele Veteranen dürften angesichts dieser Namen sofort Bilder vor Augen haben, aber nicht wenige dürften nur mit dem Kopf schütteln. In dieser kleinen Erkundung möchte ich ein wenig über diese charmanten Rollenspiele sowie die unvollendete Bernstein-Trilogie erzählen.
Amberstar (1990)

Amberstar war ein episches Schmuckstück hinsichtlich der Story und angenehm kreativ, was Teile des Spieldesigns betraf. Gerade wenn man es mit den eher statischen sowie kampflastigen SSI-Spielen wie etwa Curse of the Azure Bonds (1990) oder auch einem Eye of the Beholder (1991) verglich, wirkte die Fantasywelt von Lyramion mit ihren Städten, Gilden sowie Zaubern und Rätseln offener sowie vielfältiger.
Man begann als einsamer Abenteurer, konnte dann bis zu sechs Leute in seine Party aufnehmen. Die Charaktermenüs sowie Gebäude wurden in 2D dargestellt, während man sich ähnlich wie im damals schon als Klassiker verehrten Dungeon Master (1987) durch 3D-Landschaften bewegen konnte. Auch wenn man hinsichtlich des Kampfsystems einige Schwächen hatte, keine Charaktererschaffung bot und manches spröde wirkte, fühlte sich dieses Abenteuer, das für Amiga, Atari ST und PC erschien, idyllisch und handgemacht an.

Man darf zudem die Konkurrenz nicht vergessen, gegen die Amberstar auch rückblickend gut aussah. 1992 war ja ein großartiges Jahr für Rollenspiele, weshalb ich richtig mit meinem Abitur kämpfen musste: Auf dem Amiga erschien der stimmungsvolle Dungeon-Crawler Black Crypt, in Ultima 7 kämpfte man zum ersten Mal innerhalb der Reihe in Echtzeit und das erste "historische" Fantasy-Rollenspiel namens Darklands sorgte auf dem PC für Abenteuer in einem Deutschland des 15. Jahrhunderts - das Poster hing über Jahre in meinem Zimmer. Nebenbei erschienen noch DragonQuest V, Final Fantasy V, Wizardry: Crusaders of the Dark Servant, Realms of Arkania: Blade of Destiny, DSA:Schicksalsklinge und Might & Magic IV.
Ambermoon (1993)
Aber vor allem der zweite Teil Ambermoon gilt zurecht als eines der besten Rollenspiele für den Amiga. Ich habe damals sehr lange gespart und mir eine viel zu teure Festplatte dafür zugelegt, um mit den zehn (!!!) 3,5"-Disketten nicht zum Discjockey mutieren zu müssen. Inhaltlich knüpfte man direkt an Amberstar an, indem man in die Rolle des Enkels des damaligen Helden schlüpfte, der einer düsteren Vision des Großvaters nachgehen sollte. Aus technologischer Sicht reizte man den vom PC überholten Amiga quasi aus: Es ging nicht mehr Schritt für Schritt durch die 3D-Dungeons wie noch in Amberstar, sondern in Echtzeit mit scrollenden Texturen - und zwar flüssig, auf dem Amiga 1200 sogar mit Boden- und Deckentexturen: wow!

Außerdem sorgten Automapping und Teleporter für mehr Komfort, es gab farbig markierte Schlüsselwörter für Gespräche und das Bereisen der beiden Monde sorgte für Staunen - die Spielwelt war mehr als doppelt so groß wie jene von Amberstar, es gab Tag und Nacht, hunderte Gegenstände und wirkungsvollere Zauber, dazu richtig knifflige Rätsel. In sehr guter Erinnerung blieben mir bis heute zwei Dinge: Zum einen die famose Landkarte des Inselreiches, die sich in der Box befand. Sie war nicht nur ansehnlich, sondern auch sehr hilfreich. Und zum anderen die Runensprache, die es schon in Amberstar gab: Viele Begriffe in Ambermoon wurde in altnordischen Zeichen abgebildet, so dass man sie übersetzen musste. So fühlte man sich in Lyramion tatsächlich wie der Entdecker einer unbekannten Welt. Falls ihr mal reinspielen wollt, gibt es hier eine freie Version.
Mit Ambermoon konnte das deutsche Studio Thalion Software rund um Karsten Köper, Erik Simon und Jurie Horneman jedenfalls mit den Großen von Origin Systems rund um Paul Neurath konkurrieren - und wurde dafür weltweit von Kritikern gelobt. Ambermoon sah besser aus als so manches PC-Spiel und befand sich technologisch fast auf par mit dem früher veröffentlichten 3D-Pionier Ultima Underworld (1992), das mit seinen Kurven, dem Gefälle sowie physikalischen Auswirkungen im wahrsten Sinne des Wortes noch runder und dynamischer wirkte.
Die unvollendete Trilogie

Aber im Unterschied zum steilen Aufstieg des texanischen Studios, aus dem das berühmte Team von Looking Glass mit herausragenden Spielen wie System Shock (1994) und Thief (1998) entstehen sollte, wurde das Gütersloher Studio nach finanziellen Problemen 1994 aufgelöst; zwar hatten auch die Raukopien daran ihren Anteil, aber es gab auch grundsätzliche Probleme in der deutschen Spielebranche, was Finanzierung sowie Management betraf, die ebenfalls im Podcast angerissen werden. Kurzum: Es fehlte der Mut zu investieren sowie das gesellschaftliche Bewusstsein, dass Spiele mehr als ein Zeitvertreib für Freaks sind. Schließlich blieb es bei einer Amiga-Version, obwohl Atari ST und PC eigentlich folgen sollten. Und der geplante dritte Teil, der "Amberworld" genannt werden sollte, wurde nie entwickelt.
Thalion Software ist übrigens 1988 aus der Demoszene entstanden, auf die ich in C-64, Amiga & Cracker ein wenig eingehe - diese Fanseite bewahrt das Erbe mit vielen Hintergründen und Bildern. Das Studio hinterließ Spiele wie Dragonflight (1990), Chambers of Shaolin (1990), Wings of Death (1990) und Lionheart (1992), von denen einige in meiner Hall of Fame des Amigas ruhen. Manche der Entwickler wechselten nach England zu Psygnosis, doch das Kernteam landete schließlich bei Blue Byte, wo nur ein Jahr später das oben erwähnte Rollenspiel Albion als Nachfolger im Geiste entstand - die stilistischen Ähnlichkeiten zu Ambermoon waren offensichtlich.
Aber die Bernstein-Trilogie blieb bis heute unvollendet.
Ich habe Ambermoon mehrmals durchgespielt und es ist eines der schönsten Spiele in diesem Genre. Weite Welten, viel Spieltiefe und Referenzen zu anderen Thalionspielen. Sogar den Hauptcharakter des Jump&Runs Lionheart kann man später im Spiel in seine Gruppe aufnehmen... Meines Wissens wurde die Entwicklung des dritten Teil am Amiga begonnen (Amberworld) und dann als "Albion" auf dem PC vollendet und released. (Auch dieses habe ich durchgespielt.) Es gibt im Aminet sogar eine sehr rudimentäre Albion 3D-Engine von 1997 für Amiga - welche DDT (der dritte Teil) heißt ;)
Vielen Dank für die Vertiefung (?).
Ich habe die Spiele glaube ich damals auch angespielt. Sie sind nicht so bei mir hängen geblieben, wie die DSA Spiele. Das lag aber eventuell auch daran, dass ich mit dieser 3D Ego Perspektive weniger anfangen konnte als mit dem tollen Reisesystem auf einer Karte von DSA Schicksalsklinge und Co. Leider wurde DSA 3 dann ja auch zu so einem Ego-Rollenspiel.
Schön, der Serie hier einen Artikel gewidmet zu sehen - tatsächlich ein unnötig verschmähtes Juwel damals. Wäre cool gewesen, zu wissen, was die weiteren Pläne der damaligen Entwickler zur Serie gewesen wären - Simon und Horneman sind scheinbar immer noch in der Branche.
Nebst "Raukopien" ;) dürfte Thalion schlicht damals mit einer Amiga-Entwicklung schlicht die Reichweite gefehlt haben, um die Umsetzungen auf ST und vorallem PC zu finanzieren. Sicher, das Team hatte sich auf ihre Stärken konzentriert, aber der Markt für Software für die "Freundin" war damals schon arg verkümmert. Als doch sehr deutsche Produktion könnte Ambermoon aber auch etwas der Appeal und die Reichweite gefehlt haben, um international anzukommen. Die Verweise auf Origin - pardon, aber da vergleichst du…
Das war eine schöne Zeitreise. Wirklich schade, dass es Thalion Software nie schaffen konnte, seine Vision zu vollenden. Mich würde interessieren, ob es Anfang der 90er noch andere namhafte, deutsche Entwicklerstudios neben Factor 5 gab? Anscheinend sind viele Talente in dieser Videospiel-Ära geboren worden, wurden aber letztendlich nicht weiterentwickelt. Factor 5 haben sich ja später ebenfalls aus Deutschland zurückgezogen und existieren heute leider auch nicht mehr - trotz erfolgreicher Titel.
Tja....einen Amiga hatte ich nicht. Nur eine 286er und dann eine 386er. Von daher hatte ich von Amberstar zwar etwas gehört, aber leider auch frustrierendes. Ambermoon hat diese "Probleme" aufgegriffen und verbessert. Nur halt dann nur noch auf dem Amiga.
Daher war zu der Zeit Might and Magic mein absolutes Lieblingsspiel. Lieblingsspiele. ich rede von Teil 4 und 5. Vom Grundsatz her ähnlich zu Ambermoon (also Dungeon Master), mit dem Kniff, dass die beiden Welten aus Teil 4 (Clouds of Xeen) und Teil 5 (Darkside of Xeen) die neue Spielwelt World of Xeen wurde.
Diese beiden (und auch die restlichen) Teile gibts sogar bei GOG.
Aber! auch Ambermoon lässt sich spielen. Auch auf dem PC. Pyrdacor machts möglich.