Ich irre durch den dichten Nebel einer kleinen Stadt und suche diese Tür hinein in den schaurigen Alptraum von damals. Und gerade weil ich ihn kenne, weil er wie kein anderes digitales Erlebnis atmosphärische Narben hinterließ, bin ich nach über zwanzig Jahren fast ein wenig ehrfürchtig unterwegs. Denn kein Spiel hinterließ in meiner Erinnerung ein derartiges Rauschen des Unheimlichen und Verstörenden. Kann ich diesen besonderen Ort wiederfinden?
Ein besonderer Lost Place
Remakes können sich ja wie Führungen durch Lost Places anfühlen, in denen die Geister der eigenen Jugend spuken. Und jene aus Silent Hill 2 haben so in meinem Kopf gewütet, dass ich nach dem Finale das Gefühl hatte, das Haus Usher sei eingestürzt. Das war psychologischer Horror, der tatsächlich so tragisch nachhallte wie die berühmte Geschichte von Edgar Alan Poe. Das war damals einzigartig. Und selbst heute erreichen Videospiele selten dieses Niveau.
Daher bitte ich um etwas Geduld, denn bevor ich genauer auf das Remake eingehe, muss ich einfach zurück in die Vergangenheit. Ich war übrigens gar nicht mehr so jung, sondern bereits 28 Jahre alt, als ich diesen unheimlichen Ort im Jahr 2001 auf der PlayStation 2 erkundete. Obwohl das nicht der erste Besuch war, denn die vernebelte Kleinstadt kannte ich bereits. Konami öffnete schon 1999 ihre Pforten.
Das erste Silent Hill
Der damals noch komplett unerfahrene Director Keiichiro Toyama, ein Fan von okkultem Horror und Filmen von David Lynch, verortete sie in Neuengland. Das war die erste gute Entscheidung. Denn damit knüpfte sein fiktives Silent Hill an die Tradition von Lovecrafts' Arkham sowie Kings' Castle Rock an. In der Rolle des Schriftstellers Harry Mason suchte man seine Tochter und kam einem mörderischen Kult auf die Spur.

Hier erkennt man übrigens erste digitale Spuren der Inspiration für Alan Wake von Remedy Entertainment, das ja eine ähnliche Geschichte in einer gespenstischen Parallelwelt erzählt. Und als ich im Einstieg über den vernebelten Waldweg des Remakes spazierte, überkamen mich sofort Erinnerungen an die Erkundungen in Alan Wake 2, wo die Schwärze allerdings noch bedrohlicher zwischen den Bäumen lauert und die Story noch mehr Schächte ins Surreale öffnet.
Aber zurück in die Vergangenheit: Dieses erste Silent Hill war zwar 1999 die wichtige kreative Wurzel, aus der all die besonderen Merkmale des psychologischen Horrors wuchsen. Vor allem das akustische und atmosphärische Unbehagen, getragen von der Musik von Akira Yamaoka, der sich vom Twin-Peaks-Komponisten inspirieren ließ. Dazu die Angst vor dem Unbekannten, das für die Atmosphäre so wichtige Radio zur Feindortung, dazu der Spieler in der Rolle eines ganz normalen Typen und seine Verantwortung für eines der fünf Enden.
Das zweite Silent Hill
Aber selbst wenn man keinen Spezialagenten spielte, war diese bemerkenswerte Premiere dem Survival-Horror von Resident Evil noch recht nah, was den Fokus und Anspruch der Kämpfe oder die Art des Schreckens sowie Kultisten betraf. Erst Silent Hill 2 emanzipierte sich sowohl hinsichtlich des Spieldesigns, aber vor allem erzählerisch viel deutlicher von Capcoms Vorbild. Es war rückblickend der stilbildende Meilenstein des psychologischen Horrors, der eine Generation an Entwicklern beeinflusste und bis heute den besten Teil der Reihe markiert.
Denn der neue Director Masashi Tsuboyama ignorierte das Kampferlebnis noch mehr und orientierte sich für seine Geschichte nicht am Okkultismus, sondern am berühmten Roman Schuld und Sühne von Fjodor Dostojewski. Der russische Schriftsteller ließ darin 1866 seine ganze psychologische Klasse aufblitzen und den Leser so tief in die Abgründe des Menschlichen blicken, dass selbst Friedrich Nietzsche beeindruckt war.
Dass ein japanischer Entwickler in der Literatur des ausgehenden 19. Jahrhunderts seine Inspiration fand, und daraus seine Geschichte entwickelte, war ein Glücksfall für das Medium Videospiel. Denn Silent Hill 2 demonstrierte sowohl aufgrund seiner einzigartigen Ästhetik als auch seiner digitalen Wirkmacht, dass uns Spiele nicht nur mit der Fratze des Monströsen konfrontieren können, sondern dass sie über das Kämpfen und Knobeln hinaus zum Nachdenken und Reflektieren über das Unheimliche im Menschen animieren können.

Um den Unterschied zwischen Konamis und Capcoms Horror zu erläutern und die eingangs erwähnten atmosphärischen Narben zu konkretisieren, hilft vielleicht dieser Vergleich: Wenn ich Resident Evil 1, 2 oder 3 beendet hatte, fühlte sich das an wie ein Sieg über das Spiel und ich war erleichert. Nach dem ersten Silent Hill ging es mir noch ähnlich. Aber nach Silent Hill 2 blickte ich nachdenklich und emotional ergriffen auf einen in Trümmern liegenden Alptraum. Das gelang in dieser brutalen Intensität später nur einem The Last of Us: Part 2.
Späte Rückbesinnung
Ich habe jetzt vermutlich deutlich gemacht, dass es dieses Remake bei mir schwer haben wird. Denn erstens bin ich dem Kern der Faszination bereits begegnet und kann nicht mehr derart überrascht werden. Zweitens habe ich mit Alan Wake 2 und The Last of Us angedeutet, dass innerhalb der letzten Jahrzehnte so einiges im digitalen Horror passiert und das erzählerische Niveau gestiegen ist. Und drittens war das Original schon damals fast perfekt, so dass mir ein technisches Remaster dieses Meilensteins gereicht hätte; ähnlich wie jenes für Demon's Souls oder Shadow of the Colossus.
Aber daran scheiterte Konami im Jahr 2012 mit der peinlichen HD Collection, die diesem Meisterwerk in keiner Weise gerecht wurde und demonstrierte, wie wenig die Japaner ihre eigene Tradition wertschätzten. In diesem Jahr begannen übrigens die Arbeiten an Silent Hills. Doch nur drei Jahre später erfolgte der Bruch mit Hideo Kojima und 2015 wurde das nach der Demo von P.T. von vielen Horrorfans herbeigesehnte Silent Hills sogar eingestellt.
Insofern ist dieses Remake eine Rückbesinnung von Konami, die sogar zur neuen Strategie erklärt wurde - weitere Spiele sollen folgen. Und Metal Gear steht vor der Tür. Allerdings darf man sich nicht all zu viel Firmen-Nostalgie vormachen: Das geschieht aus dem Kalkül heraus, dass sich erstens Horrorspiele und zweitens Remakes gut verkaufen. Die Rechnung scheint aufzugehen, denn in den ersten drei Tagen hat sich Silent Hill 2 angeblich eine Million Mal verkauft - das wäre immerhin besser als Star Wars Outlaws.
Auftrag für das Bloober Team
Wie kam es eigentlich zur Kooperation mit dem Bloober Team? Sie sind ja vor allem für Layers of Fear bekannt, das 2016 den Alptraum eines Malers in Egosicht inszenierte, der von Wahnvorstellungen begleitet durch ein labyrinthisches Herrenhaus irrte. Ohne Waffen und auf das Wesentliche der Erkundung sowie Rätsel beschränkt, orientierte es sich am psychologischen Horror. Dieses Genre sollten die Polen mit einigen soliden bis guten Spielen in den nächsten Jahren bedienen.

Weniger Spieler kennen vermutlich Observer, das 2017 für PC sowie Konsolen erschien, inkl. der Beteiligung von Rutger Hauer samt Bladerunner-Flair. Außerdem orientierten sie sich schon 2021 in The Medium nicht nur an der festen Kamera sowie den Merkmalen von Silent Hill, sondern arbeiteten erstmals mit dessen Komponisten Akira Yamaoka zusammen. Layers of Fear wurde dann zweimal fortgesetzt, einmal 2019 und dann 2023 als Remake auf Grundlage der Unreal Engine 5. Und so wappnete sich das Team für den großen Auftrag von Konami.
Eine neue Stadt
Es freut mich durchaus, dass sich die Japaner ihrer Marken besinnen. Außerdem habe ich beim Spielen des Remakes durchaus Spaß gehabt. Alleine die Tatsache, dass Yamaoka wieder für die Musik verantwortlich war und neue Stücke komponiert hat, sorgt sofort für den Griff zum Kopfhörer. Hinzu kam die Neugier auf all die Veränderungen, denn die Polen haben diese Kleinstadt komplett neu arrangiert, die Straßen und Räume ebenso angepasst wie Rätsel und Monster, außerdem acht statt fünf mögliche Enden integriert.
Und ich habe mich auf den Komfort des wunderbar dynamischen Kartensystems gefreut, das alle Sackgassen, versperrte Türen sowie wichtige Rätselorte nach der Erkundung markiert. Silent Hill suggerierte zwar eine gewisse Freiheit, aber war schon immer ein lineares Abenteuer. Man kann sich auch in diesem neuen Nebel trotz größerer Spielwelt nicht verirren, denn sowohl die einzelnen Stadtteile als auch die größeren Gebäude wie das Apartmenthaus oder das Krankenhaus werden in allen Etagen vorbildlich kartiert.

Trotzdem irrt man auf der Suche nach alternativen Routen oder Schlüsseln angenehm grübelnd umher, muss über Balkone oder durch Hinterhöfe laufen, Fahrstühle aktivieren oder die richtigen Ausgänge finden - letztlich wird man geführt, aber ohne all zu penetrantes GPS-System. Allerdings sorgt die Modernität dieses Remakes, die einen mehr sowie auf andere Art sehen lässt, auch für eine gewisse Sicherheit.
Der Wechsel der Kamera
Die größte offensichtliche Änderung betrifft ja die Kamera, die nicht mehr in ihren Positionen festgelegt ist und im Sinne der Regie wechselt, sondern stets über der Schulter von James mitwandert. Das sorgt für ein freieres und dynamischeres Spielgefühl, das vermutlich einige als moderner empfinden. Ich kann das aus spielmechanischer Sicht nachvollziehen, aber aus atmosphärischer Sicht ist das manchmal ein Verlust für das Erlebnis, denn es sorgt für diese visuelle Stabilität.
Ich vermisse manchmal die Einzigartigkeit und Intensität einiger Szenen, die quasi nur aufgrund des Kamerawechsels entstehen konnten. Im Original hatte man über definierte Blickwinkel eine andere Beziehung zu Räumen und eine andere Nähe zum Helden. Man hatte noch mehr als in diesem Remake das bedrückende Gefühl, im Korsett eines Alptraums zu stecken. Gerade weil einem die Perspektive manchmal aufgezwungen wurde konnten ebenso surreale wie klaustrophobische Momente entstehen.

Nicht falsch verstehen: Auch in diesem Remake gibt es ähnliche Momente auf beengtem Raum in den kleinen Zimmern und engen Fluren. Das Bloober Team arbeitet in Gebäuden sehr geschickt mit Soundeffekten und einer Dunkelheit, die das Licht langsam aufzusaugen scheint, so dass man sich mit der Lampe auf einem Flur wie ein Anglerfisch in der schwarzen Tiefsee fühlt - das sind tolle Momente, wenn dann aus wenigen Metern etwas heran schlurft.
Allerdings gewöhnt man sich auf lange Sicht an die Perspektive, die brav über der Schulter ruht und einen nicht mehr mit einem Wechsel irritieren und befremden kann. Eine Kamera ist ja manchmal wie eine Stimme, die der Erzähler wechselt. Natürlich gibt es böse Überraschungen, vor allem im akustischen und filmischen Bereich, wenn man plötzlich Geräusche hört oder einen Raum betritt und eine Zwischensequenz für unheimliche Einsichten sorgt. Aber unterm Strich haben mir die Perspektivwechsel besser gefallen.
Der modernisierte Kampf
Wenn damals über einen spielmechanischen Schwachpunkt von Silent Hill 2 diskutiert wurde, dann waren es meist die simplen sowie statisch ablaufenden Gefechte. Etwas anderes als das Draufhauen oder Schießen gab es nicht. Und das war auch viel einfacher zu meistern als im ersten Silent Hill. Allerdings wog dieser Kritikpunkt bei mir nie so schwer, denn erstens spielte man einen normalen Typen ohne militärische Ausbildung, und zweitens kamen sie ohnehin nicht so häufig vor wie in einem Resident Evil oder dem Vorgänger.
Beides ändert sich in diesem Remake. Die Kämpfe fühlen sich nicht nur aufgrund der erwähnten Schultersicht freier an, sondern werden dank des neuen Ausweichens sowie mancher akrobatischer Aktionen in Räumen wie dem Überspringen einer Theke etc. dynamischer inszeniert. Hinzu kommt eine automatische Fixierung des nächsten Monsters im Nahkampf, dazu andere Reaktionen je nach getroffenem Körperteil. Sprich: Das sieht deutlich besser und brachialer aus, auch wenn manche Manöver vielleicht etwas hüftsteif wirken.

Das klingt zwar nach viel mehr martialischem Komfort, aber man muss im Kampf auch wesentlich besser aufpassen als im Original. Ich habe z.B. einige Zeit gebraucht, um das Ausweichen sinnvoll einzusetzen, zumal einige Monster nicht nur recht weit und plötzlich kotzen, sondern manchmal wie Boxer dem Hieb ausweichen. Die situative Spannung ist also stärker als damals. Wenn man in Panik einfach nur draufhaut, was im Original oft ausreichte, wird man hier fast sicher getroffen und verliert Gesundheit.
Verletzungen und Jackenwunder
Apropos: Das wird toll dargestellt, nicht nur an James selbst, dem man die Verletzungen auch an der Haltung, dem Ächzen und dem Gang ansieht, sondern auch im Menü, das sich immer mehr rot färbt sowie dem Leuchten des Gamepads. Schade ist allerdings, dass nach der Einnahme von Medizin selbst die vorher blutbefleckte Jacke wieder so aussieht, als wäre sie gerade gekauft worden.
Überhaupt hat mich die fast klinische Sauberkeit vom Gesicht bis zur Kleidung etwas gestört, denn man bemerkt lange Zeit gar keine Abnutzung. Bis man irgendwann in den Menüs bzw. beim Blick auf James' Hände tatsächlich schmutzigere Fingernägel sieht. Das war wiederum eine schöne Überraschung, aber zurück zur Einordnung des Kampfes. Aufgrund der vorhin erwähnten Unberechenbarkeit einiger Monster, die böse zurückschlagen, war es meist hilfreicher zu taktieren.

Sprich: die Attacke auf Abstand abwarten und dann zum Monster sprinten - James verliert ja keine Ausdauer. Das hilft auch gegen die Bosse, die dann tatsächlich recht flott verscheucht bzw. besiegt werden, obwohl sich das Bloober Team bemüht hat, sie in spannendere Arenagefechte zu verwandeln und in Phasen auszuweiten. Das gelingt leider nicht immer. Und auf den Fluren kann man fast noch böser überrascht werden, wenn mal wieder rechts hinter der Tür etwas lauert oder in einem Raum drei mutierte Spinnenbein-Ladys umher huschen, die einen ratzfatz platt machen. Wenn sie sich kauernd unter Tischen verstecken oder wie Statuen im Halbdunkel lauern, entstehen tolle Spannungsmomente.
Zu viele Gegner
Aber manchmal ist man einfach numerisch unterlegen. Und damit komme ich zur zweiten, diesmal negativen Änderung gegenüber dem Original. Denn so lobenswert die Modernisierung der Kampfmechanik ist, so kritikwürdig ist die erhöhte Zahl an Gefechten. Das fällt in den ersten Stunden noch nicht auf, aber die Anzahl der Monster nimmt ab dem Apartmentkomplex zu und pendelt sich danach auf diesem Niveau ein. Schön ist, dass es auch später immer noch komplett ruhige Abschnitte gibt, in denen die Regie nur mit der Gefahr spielt, aber nichts passiert. Außerdem muss man schon auf der normalen Stufe auf seine Munition achten, kann aufgrund seines Tempos auch fliehen.
Wer Erfahrung mit Shootern hat und das Ausweichen beherrscht, sollte jedoch eine Stufe höher loslegen, sonst wird es vielleicht zu einfach. Zumal der Bodycount deutlich höher ist als damals. Jetzt kann man einwenden, dass die Kämpfe doch cooler und brachialer sind. Ja, sind sie, aber erstens sind sie lange nicht so intensiv wie in einem Alan Wake 2 oder situativ taktisch wie in einem The Last of Us: Part 2, so dass man sie irgendwann nach Schema F führt. Und zweitens setzt aufgrund der wenigen unterschiedlichen Monstertypen sowie der Routine des Tötens eher eine Gewöhnung ein als vor zwanzig Jahren. Hier rächt sich auch die Vergößerung der Areale und die Verlängerung der Spielzeit, von immerhin knapp acht bis zehn auf zwanzig Stunden.

Das mag seltsam klingen, denn man bekommt ja doppelt so viel Spielzeit für sein Geld. Und das Bloober Team hat viel Leidenschaft investiert, um Veteranen mit neuen Orten sowie Geheimnissen und Botschaften zu überraschen - und das ist cool. Allerdings gibt es auch eine neue Masse an fast 500 einschlagbaren Fenstern an Autos oder Geschäften sowie einer ähnlich hohen Zahl überprüfbarer Türen. So wird durch mehr Erkundungsoptionen, die aber in keiner Weise die Story oder das Erlebnis vertiefen, der Spannungsbogen gestreckt und die Intensität der Erfahrung letztlich gesenkt. Dieses Silent Hill 2 orientiert sich damit ein wenig mehr hin zum klassischen Survival-Horror. Zwar ist der psychologisch-surreale Fokus immer noch vorhanden, aber etwas verdünnter.
Die reaktive Begleitung
Das Bloober Team hat an der grundsätzlichen Geschichte sowie den Figuren nichts Wesentliches hinsichtlich der Story verändert. James trifft auf einige skurrile Charaktere, mit denen er bis zu einem gewissen Grad interagieren kann, darunter auch eine Lady, die ihn fortan begleitet und ihm einen speziellen Ort zeigen will. Zwar ist es seltsam, dass sie ihn recht energisch auffordert, ihr zu folgen und dann nur kurz den Weg vorgibt. Sprich: Danach muss man bestimmte Punkte selbst erreichen, damit sie wieder einen Hinweis gibt.
Aber ihre neues Verhalten gehört zu den größten Stärken dieses Remakes. Denn im Gegensatz zum Original wirkt sie lebendiger, weil sie mehr spricht und auf viele Aktionen von James reagiert - und das hat mich gefreut. Sie erschreckt sich nicht nur, wenn er vor ihr Scheiben einschlägt, worauf sie unterschiedliche Kommentare abgibt. Sie ermahnt ihn auch, wenn er sie mit seiner Lampe blendet. Oder wenn er sie zu lange alleine lässt. Sie zieht sich nicht nur ängstlich zurück, sondern spricht ihn sogar nach dem Speichern auf sein seltsames Verhalten an - er sei kurz weggetreten.

Zwar muss man sich nicht Händchen haltend um sie kümmern wie um Yorda, aber hier blitzen ähnliche Aspekte der Bindung sowie Potenziale des Figurenverhaltens auf wie in Ico. Trotzdem bleibt das Remake der Charakterzeichnung der Lady genauso treu wie bei allen anderen Personen. Man erkennt sie also sofort wieder, nur sorgen einige neu aufgenommene Szenen dafür, dass man ihnen quasi in die Augen schauen und ihre Emotionen direkter über ihr Schauspiel wahrnehmen kann. Überhaupt geschieht zwanzig Jahre nach dem Original viel mehr en detail.
Zwischen verranzt und ekelhaft
James hinterlässt Fußabdrücke im Schlamm, Monster ziehen Blutspuren hinter sich her, denen man folgen kann. Und über nahezu jeder Szene liegen sichtbare Schichten der Vergangenheit, aus Rost und Schmutz, Dreck und Abfall, aus alten Lampen und Schreibmaschinen, aus vergilbten Küchen und abgenutzten Büchern. Das Bloober Team hat nicht nur hinsichtlich des wunderbar wabernden Nebels und der animierten Monster tolle Arbeit geleistet, die mal linkisch heranstaksen, mal unheimlich schnell herankriechen.
Hinzu kommt das hervorragende Interieur der Räume, die nahezu ohne Copy & Paste prall gefüllt sind und die nicht nur für einen Schauder vor dem schwarzen Schlund eines Kellerflurs, sondern auch für eine trügerische Idylle bei wehenden Vorhängen im goldgelben Licht sorgen können. Es gibt zig Stufen von versifft und verranzt über verrottet bis hin zu ekelhaft, was in jenen eindringlichen Szenen gipfelt, in denen James seine Hand in blutgrün gesprenkelte Löcher stecken kann - wenn man denn will.

Es macht jedenfalls richtig Spaß, sich genauer umzusehen, zumal es natürlich einige Hinweise für Kenner der Reihe sowie neue Anspielungen über Plakate und Schilder gibt, die vielleicht sogar vermuten lassen, dass das Bloober Team hier mit einer Zeitschleife spielt, die James quasi mit einem Willkommen zurück begrüßt. Ich mag auch das flatternde weiße Papier als neuen Hinweis auf mögliche Interaktionen wie das Kriechen, Klettern, Durchzwängen oder Verschieben. In den besten Momenten fühlt sich das Erkunden tatsächlich an wie in The Last of Us Part 2, zumal man eine ähnliche Symboldarstellung über die weißen Interaktionspunkte nutzt.
Allerdings muss man sich für ihre Aktivierung manchmal peinlich genau positionieren, damit z.B. endlich eine Schublade aufgeht, was in hektischen Situationen nerven kann. Apropos: Diese Symbole kann man im Menü in ein Kreuz verwandeln, in der Größe anpassen oder sogar komplett deaktivieren. Davon rate ich allerdings dringend ab, wenn man nicht jeden Winkel absuchen will.
Die neuen Rätsel
Es gibt so einige Ruhephasen, in denen man Rätsel lösen muss. Die erinnern manchmal an jene aus klassischen Adventures, man kann auch Gegenstände im Inventar kombinieren, nur dass sie in dieser surrealen Welt mit ihrem plötzlichen Anspruch an Logik wie Fremdkörper anmuten. Das war schon im Original so, aber man hat das Paradoxe innerhalb dieser Parallelwelt einfach akzeptiert und sich darüber gefreut, mal etwas entspannen zu können. Auch das ist ja eine Parallele im Spielrhythmus zu Resident Evil.
Also sucht man Knöpfe, um deren Symbole nach dem Lesen einer Geschichte korrekt zu platzieren. Oder man sucht Zeiger einer Uhr, um diese nach mehr oder weniger offensichtlichen Hinweisen richtig zu justieren. Das Bloober Team hat auch diese Logikaufgaben teils neu arrangiert, so dass man etwas umdenken muss. Es gibt einige verschlossene Safes und Schlösser, deren Zahlenkombinationen sich meist irgendwo in der Nähe befinden.

Der Anspruch reicht von sehr simpel bis einigermaßen kreativ fordernd, wenn man z.B. die Anzahl bestimmter Motten in Schaukästen erst definitiv bestimmen kann, wenn man auch Möbel verschoben und so den Blick frei gemacht hat. Man kann übrigens nicht nur die Schwierigkeit der Gefechte, sondern auch jene der Rätsel separat anpassen, auch mitten im Spiel. Und das wirkt sich tatsächlich sehr stark auf die Logikaufgaben aus, die auf der schweren Stufe schon mal den Mathematiker fordern und das Hirn zum Qualmen bringen können.
Die Technik der Unreal Engine 5
Aus rein technischer Sicht ist das ein ansehnliches Remake, aber keines auf dem herausragenden Niveau eines Demon's Souls. Denn es gibt einige Inkonsequenzen und Fehler, egal ob im Grafik- oder Performance-Modus. Obwohl man Scheiben einschlagen darf, funktioniert das z.B. nicht immer. Es wirkt auch seltsam, wenn James viel mehr klettert als im Original, aber dann an einer Feuerleiter oder vor Häusern nicht einmal über kniehohe Hindernisse kommt. Dieses Silent Hill 2 ist trotz neuer Wege kein akrobatischer Spielplatz.

All das ist angesichts der größeren Areale nichts Gravierendes, aber ärgerlicher sind die Grafikfehler, manchmal ein Zittern bei Kamerschwenks und manchmal Fehler in der Beleuchtung. Man glaubt z.B. die Silhouette einer Gestalt in einem Fenster zu erkennen, aber es entpuppt sich beim Drehen der Kamera als viel zu breiter Schatten eines Kabels. Oder man sieht ein kreisrundes weißes Interaktionssymbol in einem Müllhaufen, geht hin, aber es ist der falsch dargestellte Deckel einer Thermoskanne.
Noch häufiger gibt es glänzende bzw. strahlende Rahmen, die dort nicht sein dürften - z.B. mitten in einem Schrank oder um eine Tür. Das wirkt sich irgendwann auch auf das Spiel aus, wenn Monster eine Spur hinter sich herziehen, so dass man ihnen folgen kann. Das tun sie zwar ohnehin über Blut, aber es gibt Szenen in fast völliger Dunkelheit, in denen sie sich nur damit quasi enttarnen. Auch wenn das Bloober Team sie so fies platziert, dass sie manchmal in einer Ecke kauern oder fast mit der Umgebung verschmelzen, verlieren sie auf Dauer doch ihren Schrecken. Ach so: Ich hab im Grafikmodus gespielt, den Nebelfilter der 90er aktiviert und meist 30 Bilder pro Sekunde und ganz wenige Ruckler.

FAZIT
Auch wenn ich ein reines Remaster im Stile eines Demon's Souls bevorzugt hätte, hat das Bloober Team diesen Auftrag der Modernisierung auf ansehnliche sowie kreative Art erfüllt, so dass man James' Suche nach seiner Frau neu erleben und als Kenner positiv überrascht werden kann. Vor allem für das Verhalten der Begleiterin, die Anpassung der Rätsel sowie die subtilen Andeutungen einer Zeitschleife verdienen die Polen ein Extralob. Allerdings erreicht das Remake in dieser Form nicht die Intensität des Originals. Das war vielleicht zu erwarten, gerade aus der Perspektive eines älteren Spielers, der an einen sehr besonderen Ort seiner Jugend zurückkehren will. Aber das liegt nicht nur daran, dass ich die erzählerischen Abgründe schon kenne oder dass sich das Genre des Horrors über The Last of Us bis hin zu Alan Wake 2 weiter entwickelt hat. Das liegt auch daran, dass das Spiel unnötig gestreckt, um zu viele Kämpfe ergänzt sowie seiner einzigartigen Perspektive beraubt wurde. Zwar fühlen sich die Gefechte besser an, zwar sieht man mehr und ist dynamischer in tollen Kulissen unterwegs, kann hunderte Scheiben einschlagen und sieht Fuß- sowie Blutspuren in all ihrer Klarheit, nur um dann in der unheimlichen Schwärze eines Kellers zu versinken. Aber ich vermisse manchmal das Klaustrophobische und Surreale der wechselnden Blickwinkel, diesen Fokus auf das Diffuse und Verstörende. Obwohl das unheimliche Rauschen da ist, öffnet sich nicht mehr diese Tür in den Alptraum. Das klingt jedoch viel kritischer als es ist, denn unterm Strich ist das richtig guter Horror, der mit seiner Story auch heute noch unter die Haut gehen kann. Ich bin gerne durch diesen dichten Nebel gewandert und habe gerne die Geheimnisse dieses alternativen Silent Hill erkundet, auch wenn sich während der Spielzeit von etwa 20 Stunden einiges an Routine einschlich. Außerdem freue ich mich aus spielkultureller Sicht, dass Konami diesem Meisterwerk des psychologischen Horrors nach der blamablen HD Collection endlich eine angemessene Wertschätzung entgegen bringt.
Review ist sehr gut geschrieben wieder. Ein wenig gespannt auf Deinen Spagat zwischen Deiner sehr (intensiven) persönlichen Sichtweise, die auch noch 23 Jahre zurücklag und der Nachvollziehbarkeit für Silent Hill Noobs, zu denen ich gehöre. Du leitest aber alle Punkte klar und verständlich her, somit kann ich im Rückblick die Verwandlung - also Original vs Remake - miterleben, klasse. Und doch dachte ich mir hier und da, ob Deine Wünsche wirklich realistisch gewesen sind: Fixe Kameraperspektiven in 2024?! Du erklärst ihre Wirkung sehr gut: "Visuelle Stabilität" reduziert den subjektiven Horror. Aber sorry, das würde heute niemand mehr durchwinken bei diesem Budget. Und die Zeit zu strecken mit mehr Gegnerdichte (aber nicht nur), scheint mir auch fast unausweichlich, um den negativen…
Finde den Einstieg sehr stark, fühlte mich sogleich zurückversetzt.
Bin bisher bis zu den Apartments gekommen.
Aber die Anzahl Gegner... als würde man sich durch die Stadt prügeln. Ein Drittel davon hätte mir mehr als gereicht im ersten Abschnitt.
Trotzdem finde ich es toll, das sie ein gutes Remake gemacht haben und hätte nichts gegen ein Remake von Teil 1, das ich erst viel später und schlecht gealtert gespielt habe, und Teil 3. Vor mir aus auch The Room, sowie Homecoming und Downpoor, wobei die beideb letzten etwas zusätzliche inhaltliche Qualität mehr als nötig hätten.
Bin nicht sicher ob das Ding was für mich ist, da ich SH2 nicht kannte. Nur etwas den ersten Teil gespielt damals, allerdings auch nicht bis um Ende. Bin mit der Reihe nicht wirklich warm geworden. Ergo: Unentschlossen.
Nach knapp unter 17h auf normaler Schwierigkeitsstufe (Rätsel und Kämpfe) war ich vor einer Woche schon durch mit dem Spiel. Habe es wie in einem Sog innerhalb weniger Tagen durchgespielt. Bin 4 Mal gestorben, glaube schon alleine 2 oder 3 Mal beim ersten "Bosskampf".
Ich würde am Ende bei einer 9,0 in meiner Bewertung landen. Ich finde das Spiel weiterhin sehr beeindruckend, es gibt einige wirklich sehr dunkle und gruselige Passagen zum letzten Drittel hin. Fand das Remake toll modernisiert, mit recht modernem Kampfsystem. Ich liebe es einfach, in Horrorspielen (auch bei Resident Evil) die Räume zu clearen, und mich langsam durch ein Haus zu spielen mit mehreren Stockwerken. Davon hat man hier mehrere, die Appartements sind das erste, es…
Cool, vielen Dank für die Rezension. Das hört sich super an. Für mich ist das ein Pflichtkauf. Ich war damals noch sehr jung als ich Teil 2 und 3 spielte (Teil 1 habe ich leider nie gezockt und ich hoffe ja schwer, dass dieser auch ein Remake bekommt). Ich war gar nicht in der Lage, die Tragweite dieses Spiels zu verstehen, obwohl ich total fasziniert war. So richtig abgeholt hat mich das Silent Hill Universum erst mit dem Film von Christophe Gans, der vor allem in punkto Atmosphäre so richtig gut war (und immer noch ist). Für mich war klar, dass sobald Remakes kommen, ich diese spielen werde.
Ich bin und war nie ein grosser Fan von fixen Kameras, daher…