Elden Ring wird zwei Jahre nach seinem Erscheinen einmalig erweitert. Und alles deutet darauf hin, dass FromSoftware am 21. Juni mit Shadow of Erdtree den größten DLC seiner Studiogeschichte veröffentlicht. Hidetaka Miyazaki hat schon bestätigt, dass der erste Teil damit abgeschlossen wird. Aber selbst für jene, die es damals durchgespielt haben, dürfte dieses mit Namen, Symbolen, Zitaten und Geschichte verwobene Abenteuer bis heute wie ein rätselhafter Monolith anmuten. Ich blicke in dieser Vertiefung auf die Erzählweise zurück und fasse grob zusammen, was bisher geschah. Dabei geht es um die Weltkonzeption, ihre Leitmotive, relevante Ereignisse sowie einige Charaktere. Aber das ist weder eine chronologische Nacherzählung noch ein strukturierter Guide, sondern eher ein wertschätzender Epilog. Trotzdem enthülle ich natürlich so einiges. Daher sollte mir ab jetzt besser niemand folgen, der die vielen Geheimnisse der Zwischenlande selbst entdecken möchte.
Im Nebel des Krieges
Elden Ring (zur Rezension) ist ein ebenso actionreiches wie rätselhaftes Abenteuer. In erster Linie wird gekämpft, mit Schwert und Schild, mit Speer und Bogen, mit Feuer und Magie aller Art. Begleitet von Heerscharen tapferer Geister trifft man auf Bestien und Dämonen, in teils apokalyptischen Ausmaßen und Arenen, die an Dantes Inferno erinnern. Man kann als Krieger reichlich Adrenalin ausschütten, wenn man im Sattel auf Riesen und Drachen zu galoppiert. Man kann vor exotisch mutierten Ungetümen dutzendfach verzweifeln und erleichtert jubeln, wenn endlich, mit dem letzten Hieb, ein fürchterlicher Halbgott fällt und als Belohnung eine Große Rune glimmt.
Ziel des Spiels ist es, die goldenen Splitter des Elden Rings zu finden und das zerstörte Reich in seinem alten Glanz erstrahlen zu lassen. Diese auf den ersten Blick ritterliche Quest rund um die verschwundene Königin Marika scheint fast märchenhaft klar. Doch je länger man spielt, desto weniger lassen sich das Gute und das Böse, die Ordnung und das Chaos so einfach trennen. Es wird erzählerisch immer nebulöser und verzwickter, man traut seinen Auftraggebern immer weniger. Es ist nicht leicht, einen roten Faden zu finden oder die Motive all der Gestalten und Mächte zu durchschauen. Wer die Story nochmal lesend mit einer Prise Humor erleben will, sollte sich vielleicht mal den Manga ansehen. Ansonsten gibt es eine aktuelle Zusammenfassung:
Die heilige Marika
Schon in Limgrave stellt man sich viele Fragen: Wer war z.B. diese Marika, die einem wie die weiße Königin einer Sage vorkommt? Ihr Name ist ja eine Koseform von Maria, und zusammen mit ihren über das ganze Land verteilten Statuen sowie den Orten der Gnade erscheint sie dem Spieler fast wie eine katholische Heilige. Marika die gütige Herrscherin, mit dem Lebensbaum als Symbol ihrer Herrschaft, die den Tod ihres Sohnes einfach nicht ertragen konnte und der das Schicksal der bösen Welt übel mitspielte. Wohin würde einen ihr goldenes Licht führen, das nur Befleckte sehen können?
Aber die Fragen wurden mit jeder Spielstunde drängender. Welchen Preis mussten die Bewohner für ihre Kirchen und den Frieden zahlen? Und galt ihr Segen wirklich allen? Das klang zwar alles menschenfreundlich, aber man ahnte und sah bald, dass der heilige Schein trügen konnte. Mit ihrem ersten Eldenfürsten Godfrey zeugte sie drei Kinder: Godwyn den Goldenen, ihren in der Nacht der Schwarzen Messer ermordeten Liebling. Hinzu kamen die Zwillinge Morgott und Mohg, die allerdings als Omen-Kinder von Geburt an verflucht waren, weil sie das Mal trugen und von Hörnern verunstaltet waren.
Die ersten Schatten
Hier zeigen sich die Schattenseiten der Goldenen Ordnung, denn normalen Kindern werden sie bei der Geburt abgeschnitten, so dass sie meist sterben. Und selbst Marikas königliche Kinder werden in den Katakomben der Hauptstadt Leyndell wie Gefangene gehalten. In diesem Motiv der Gehörnten steckt vielleicht eine Hommage von Hidetaka Miyazaki an Fumito Ueda, den er bekanntlich sehr schätzt und sogar als Grund dafür nennt, selbst Spiele designen zu wollen. Auch in Ico, Shadow of the Colossus und The Last Guardian sind verfluchte Gehörnte ein Teil der Geschichte. Mehr zu dieser Spur der Gehörnten in dieser Erkundung.
Das Bild der Heiligen bekam immer mehr Risse und hinter der Gnade wurde ihr Wille zur Macht erkennbar. Schon der erste Eldenfürst Godfrey war letztlich ihre Marionette, ein militärisches Mittel zum machtpolitischen Zweck, der nach dem Sieg der Goldenen Ordnung mitsamt seiner Armee ins Exil verbannt wurde. Nicht etwa als Bestrafung, sondern anscheinend in weiser oder gar prophetischer Voraussicht. Denn Marika ruft diese ins Jenseits verbannten Befleckten zum Spielstart zurück, fast so wie Odin seine Einherjer beim Nahen von Ragnarök, damit sie ihre Gottkönigin retten und die Goldene Ordnung wieder herstellen.
Das Schicksal dieser Königin scheint zunächst weit weg im Nebel der Vergangenheit zu liegen, aber es wird mit der fortschreitenden Erfahrung des Spielers immer sicht- und spürbarer. Schließlich wartet Marika im Finale wie der gekreuzigte Messias der Goldenen Ordnung im Weltenbaum auf ihre mögliche Erlösung. Wie es zu dieser göttlichen Tragödie kommen konnte, gehört zu den erzählerischen Schätzen, zu denen man sich fast wie ein Archäologe über viele kleine Funde und Grabungen durcharbeiten muss.
Der ewige Kampf
Aber ohne Peitsche kommt man nicht weit. Denn als frisch geborener Held merkt man schnell, dass man außerhalb der Zwischenlande wohl mehr gefeiert als trainiert hat. Also prägen Niederlagen sowie die geduldige Entwicklung der eigenen Kraft und Stärke dieses Action-Rollenspiel. Die vielen Fragen rücken in den Hintergrund, man versinkt in Notizen und Ahnungen. Viel einfacher und bis zu gewissen Punkten unausweichlich ist es, genau das zerstörerische Werkzeug zu spielen, das man für Königin Marika sein soll.
Man kann weit über hundert Stufen an Erfahrung erklimmen und sich quasi immer wieder neu erfinden. Man schaltet irgendwann die statistische Wiedergeburt nach dem Sieg gegen Königin Rennala in der Zauberakademie von Lucaria frei. Diese bleiche Lady des Mondes ist zwar keine Halbgöttin, aber eine wichtige Gestalt innerhalb der Geschichte des Spiels, denn sie führte als mächtige Zauberin die karische Dynastie und damit eine der stärksten Fraktionen an, beheimatet im Seenland von Liurnia, nordwestlich vom Startgebiet Limgrave.
Rennala kämpfte gegen Marika, bis sie von deren Heerführer Radagon besiegt wurde und ihn sogar heiratete. Aus dieser Ehe entspringen die drei Kinder Rykard, Ranni und Radahn. Und mit ihnen der rebellische Wille, der zu einer Triebfeder für die Tragödie wird und zum Mord am eigentlich unsterblichen Königssohn Godwyn führt. Denn als Radagon seine Frau für seine Herrscherin verlässt und damit der zweite Eldenfürst wird, werden ihre Stiefkinder zu Halbgöttern und potenziellen Nachfolgern Marikas. Aber Ranni will sich weder ihrer Stiefmutter noch deren goldenen Glauben unterwerfen.
Der Konflikt zwischen ihrer Mutter Rennala und Marika erinnert ganz entfernt an jenen der Königinnen im Nibelungenlied, als Kriemhild und Brünhild um Siegfried streiten. Und dass man sich als einer von Marikas Befleckten gerade bei Rennala immer wieder so reinwaschen kann, dass man sich im Finale als Rannis Gefährte sogar gegen die Königin der Goldenen Ordnung entscheiden kann, entbehrt nicht einer gewissen Ironie der späten Rache. Aber bis dahin ist es ein weiter Weg.
Der effiziente Held
Auf jeden Fall kann man sich bei Rennala mit mathematischer Finesse aus zig Teilen einen Avatar bauen, fast so wie einen bis zur letzten Schraube modifizierten Fantasymech. In dieser Suche nach der besten Mischung aus Werten und Ausrüstung, nach dem heiligen Gral kämpferischer Effizienz, liegt einer der Reize dieses Spiels. Denn selbst mit einem Helden höchster Stärke oder Geschick besiegt man nicht einfach so einen Halbgott nach dem anderen.
Man muss ihr Verhalten wachsam studieren und rechtzeitig reagieren. Und das dürfte auch mit einem empfohlenen Level von minimal 120 oder optimal 150 im Schatten des Erdtrees gelten. Dort soll man auf etwa zehn Bosse treffen, darunter übrigens auch die jüngere Schwester von Rennala, die in einer Burg wartet und ganz in der Tradition verwirrend verwandter Namengebung Rellana heißt. Ich bin sehr gespannt, inwiefern sie der Story eine weitere Facette hinzufügen kann.
Selbst als erfahrener Eldenfürst ist man jedenfalls, ebenso wie anno dazumal der legendäre Godfrey mit seiner beeindruckenden Löwenbestie, kein absoluter Herrscher. Man bleibt ein Rad in einem mythologischen Drama. Und die Erweiterung soll ersten Vorschauen zufolge recht früh deutlich machen, wie mühelos es einen zermalmen kann. Dieses Rad begann sich nach einer Weltschöpfung zu drehen, in der ebenso mächtige wie diffuse Kräfte am Werk waren. Und je tiefer man in die Zwischenlande vordrang, je mehr man zuhörte und las, desto mehr konnte man hinter dem gütig goldenen Nebel von Marikas Vermächtnis noch ganz andere, teils tiefschwarze Konturen erkennen, so als würde man durch ein Teleskop schauen.
Die astrale Eldenbestie
Dort sah man eine außerirdische Macht namens Großer Wille, die vor Urzeiten die Zwischenlande erobern wollte. Dafür entsandte sie einen Stern mit der Eldenbestie. Und sie ist der Anfang und das Ende, das Alpha und das Omega der Story. Denn sie ist die wahre Gestalt des Elden Rings, die Verkörperung der angestrebten Herrschaft, die später unter Marika reichlich modifiziert als Goldene Ordnung bezeichnet wird. Die Eldenbestie geht als wirkmächtiges und zwitterhaftes Wesen weit über das magische Konzept von Tolkiens Ring hinaus.
Man kann das Fremdartige in ihr im Finale spüren: Im Gegensatz zu mutierten Halbgöttern und alptraumhaften Bossen mutet sie eher wie ein außerirdisches Drachenwesen an, astral und transparent, von goldenen Adern durchzogen. Sie erinnert in ihrer diffusen Macht an die Großen Alten von H.P. Lovecraft, zumal sie in einem nicht übersetzbaren Kauderwelsch redet. Ohne sichtbare Geschlechtsmerkmale verkörpert sie vielleicht als Hermaphrodit die Symbiose als auch mögliche Spaltung des männlichen und weiblichen Prinzips - und wie ein wandernder Parasit kann sie sich Gefäße suchen. Konnten so auch Menschen eines göttlichen Geschlechts namens Empyreaner entstehen? Nur fünf Charaktere werden als solche bezeichnet: Marika, Ranni, Malenia, Miquella und die mysteriöse Gloam-Eyed Queen.
Die Verbindung zwischen einer herrschenden Göttin und einem kämpfenden Eldenfürsten erinnert vage an die heilige Hochzeiten (Hierogamie) der Sumerer, Griechen, Kelten und Japaner, wenn sich die meist weiblich gedachte Erde mit dem männlich gedachten Himmel vereinte. In der neuzeitlichen Alchemie galt die Symbiose zum Hermaphroditen als mächtige Zutat für den Stein der Weisen. Heinrich Nollius bezeichnete sie in der Theoria Philosophiae Hermeticae von 1617 als Rebis, die aus zwei Hälften besteht. Dafür stehen symbolisch eine weiße Königin und ein roter König, wie Marika und Radagon, die zu einem Wesen werden und sich wieder trennen können.
Folgewesen und Flüche
Aber für Elden Ring hat FromSoftware diese göttliche Symbiose noch komplexer gestaltet. Denn sobald eine Empyreanerin diesen Status und damit die politische Macht erhält, einen Eldenfürsten zu ernennen, wird nicht nur das Eldenbiest und damit der Eldenring mit ihr verschmolzen. Sie bekommt auch einen Wächter, der sie wie eine Art Folgewesen beschützt und gleichzeitig in Schach hält. Dieser Schatten ist quasi die Rückversicherung für den Großen Willen. Für Marika war das ihr Halbbruder Maliketh, für Ranni ihr Ziehbruder Blaidd - beides Wolfswesen, die allerdings so verflucht sind, dass sie sich gegen ihre Herrin richten müssen, sobald diese gegen den Großen Willen aufbegehrt.
Und in den Zwischenlanden ist die erwähnte Verschmelzung von Land und Herrscher nicht nur symbolisch, sondern anscheinend auch wie in der alchemistischen Vorstellung körperlich möglich. Denn obwohl Königin Marika und ihr zweiter Eldenfürst Radagon als historische Gestalten getrennt agieren, bis sie heiraten und zwei Kinder namens Malenia und Miquella zeugen, sind sie entweder schon immer eins gewesen oder konnten letztlich irgendwann zu einem Wesen verschmelzen.
Auch diese Zwillingskinder sind auf schlimme Art verflucht und es könnte sein, dass der Große Wille die all zu ehrgeizige Marika, die ihre goldene Linie bis in alle Ewigkeit herrschen lassen wollte, in ihre Schranken weisen will. Ab hier wurde es innenpolitisch ebenso inkorrekt oder heikel wie mit den gehörnten Kindern. Denn die Symbiose von Marika und Radagon wurde nicht als Teil der Goldenen Ordnung öffentlich proklamiert. Es war ein Geheimnis, das man als Spieler nur lüften konnte, wenn man an der riesenhaften Statue von Radagon die Beschwörung "Law of Regression" vollzog und voller Verblüffung sah, dass Marika und Radagon tatsächlich eins sind.
Im Nebel der Ahnungen
Mit der Ankunft der Eldenbestie beginnt also die Geschichte lange vor Press Start, und mit ihrer Vernichtung konnte man sie vorerst beenden. Denn wenn sie im finalen Bosskampf fiel, ließ sich, je nachdem welche Entscheidungen man bis dahin getroffen hatte, eines von sechs Zeitaltern einläuten. Von diesen teils kosmischen Ausmaßen, die weit über die irdische Goldene Ordnung hinaus ragen, ahnte man zunächst natürlich nichts.
Und in den Zwischenlanden bekam man schnell das Gefühl, selbst verflucht zu sein. Kaum wurde man mit einem blutigen Grinsen in Limgrave begrüßt, kaum schloss man einen Pakt mit Melina, wurde man Teil dieser seit Ewigkeiten laufenden Jagd auf die Runen, die eine regelrechte Blut- und Zerstörungsspur hinterließ, von überrannten oder nahezu durchlöcherten Festungen bis hin zu riesigen Drachenkratzern an Burgmauern. Im Angesicht dieser Zerstörung und der umher ziehenden Dämonen war man froh über jede Hilfe.
Melina, diese geisterhafte Lady, die einem ähnlich wie die Maiden in Black in Demon's Souls zu immer mehr Kraft und dem Streitross Torrent verhalf, wollte als Gegenleistung für ihre Dienste nur, dass man sie zu diesem Erdtree bringt. Dort, erzählte sie, wartet ihre Mutter, so dass einige in ihr eine unerwähnte zweite Tochter von Königin Marika sahen. Aber warum wurde ihre Existenz verschwiegen? Auch hier könnte die Erweiterung aufklären.
Aber egal ob später Blaidd der Halbwolf oder Sir Gideon Ofnir der Allwissende, egal ob Varré die Weiße Maske oder Ranni die Hexe - sie alle schienen eigene Ziele und Machtinteressen zu verfolgen. Es war so als würde man die Gralssuche in einem verfluchten Britannien beginnen, in dem Sir Gawain zu einem Plattenpanzerzombie mutierte und der Grüne Ritter auf einem Dämonenross galoppierte, das einen zig mal niederwalzte. Da blieb einem für historische Recherche nicht viel Luft, aber das Offensichtliche weckte die Neugier.
Der Weltenbaum
Dazu gehörte der alles überragende Weltenbaum, der von seinen Wurzeln bis zu den Samen, vom Einstieg bis zum Finale, und auch in der Erweiterung eine tragende Rolle spielt. Er ist neben der Eldenbestie ein weiteres markantes Beispiel dafür, wie kreativ mythologische Wesen und Symbole in diesem Abenteuer eingesetzt werden, sowohl ästhetisch als auch erzählerisch und spielerisch, bis hin zum imposanten Level zwischen weitläufigen Ästen.
Miyazaki entschied sich für den Erdtree als Symbol, weil er sowohl das Leben und eine langsam gewachsene Ordnung repräsentiert, aber auch selbst verfallen und sterben kann. Außerdem nimmt er die Seelen der Verstorbenen auf. Daher sind die Baumwurzeln in den Katakomben, die man meist hinten in der Kammer des Bosses sieht, nicht etwa eine rein ästhetische Idee, sondern der Grund dafür, dass Menschen dort überhaupt Grabstätten errichteten. Denn nach dem Tod sollte die Seele verstorbener Helden über diese Wurzeln zum Erdtree zurückkehren.
Und der mächtige Feuerriese, den man später als Boss in der verschneiten Hochebene bekämpfte, war nicht nur der letzte seiner Art, sondern wurde von Marika verflucht, auf ewig die gefährliche Flamme zu beschützen, die eben jenen Weltenbaum, das Symbol ihrer Goldenen Ordnung, verbrennen könnte.
Es gibt neben dem großen auch kleinere Exemplare, sie werden bewacht und man fühlt sich auf den mächtigen Ästen des Halligbaums fast wie in Jack und die Bohnenranke. Wie oft bin ich da in die Tiefe gestürzt! Und so komme ich zum wichtigsten Leitmotiv, mit dem der Erdtree auch durch Marikas Kreuzigung verbunden ist. Denn im Zentrum von Elden Ring steht der Tod.
Der Tod als Leitmotiv
Er ist das alles überragende Leitmotiv, von den mythologischen Wurzeln bis zur letzten Verästelung seiner ebenso blutigen wie verwirrenden Geschichte. Nicht nur aufgrund der seit Demon's Souls bekannten Spielmechanik der Wiederbelebung, also diesem ewigen Kreislauf des Neuanfangs, sondern als die wichtigste Triebfeder nahezu aller Ereignisse.
Auch für J.R.R. Tolkien (1892-1973) war er das Leitmotiv für Der Herr der Ringe. Deshalb zitierte er in einem BBC-Interview die Schriftstellerin Simone de Beauvoir (1908-1968). Und ihre Worte treffen den Kern von Elden Ring fast noch besser. 1964 schrieb sie in ihrer autobiografischen Kurzgeschichte "A Very Easy Death" folgendes über den Tod:
Es gibt keinen natürlichen Tod: nichts, was einem Menschen widerfährt, ist natürlich, denn seine Anwesenheit stellt die Welt in Frage. Alle Menschen müssen sterben: aber für jeden Menschen ist sein Tod ein Unfall und, selbst wenn er ihn kennt und ihm zustimmt, eine nicht zu rechtfertigende Verletzung.
Dieser Satz könnte genau so, vor allem im Trotz der letzten Zeile, von Gottkönigin Marika stammen. Denn sie musste den Tod ihres Sohnes Godwyn hinnehmen. Und das nicht etwa als normalsterbliche Mutter, sondern als Marika die Ewige, als vermeintliche Herrin über Leben und Tod, die nach vielen Kriegen und der Heirat von zwei Eldenfürsten ihre Goldene Ordnung in den Zwischenlanden etablierte und verewigen wollte.
Mit Hilfe des Elden Ring konnte sie ihrer Familie und theoretisch allen Wesen die Unsterblichkeit schenken. Aber plötzlich wurde ihr Lieblingskind und damit der erste Halbgott ermordet, der ihre Linie fortsetzen sollte. Das war nach einer längeren Phase des Friedens die schlimmst mögliche Verletzung ihrer Herrschaft, anscheinend nur möglich durch bösartige List und Tücke, denn jemand stahl die Rune des Todes, die sie ihrem Schatten Maliketh anvertraute.
Wir kennen Marikas wahre Ziele nicht. Vielleicht wähnte sie sich schon außerhalb der Kontrolle des Großen Willens, der sie ja einsetzte. Vielleicht wollte sie unabhängig von dieser außerweltlichen Kontrolle an der Macht festhalten. Auch hier knüpft Elden Ring an ein bekanntes Motiv aus Sage und Legenden an, denn von Achilles bis Siegfried hatte jeder noch so siegreiche Held eine verwundbare Stelle, die ihm irgendwann zum Verhängnis wurde.
Die Familie als Leitmotiv
Marikas Achillesverse war, wie so oft in der Mythologie und im Märchen, die eigene Familie. Und sie ist neben dem Tod die zweite große Triebfeder der Geschichte. In einer Variante der altnordischen Überlieferung von Ragnarök gibt es erzählerische Parallelen, denn durch Lokis List wird der eigentlich unverwundbare Balder von seinem blinden Bruder Hödur durch einen Mistelzweig getötet.
Es geht in Elden Ring nicht nur um dynastische, sondern auch emotionale Konflikte, um Heirat, Trennung und Stiefkinder, um Liebe, Eifersucht und Verrat. Und George R.R. Martin hat die Konflikte der mittelalterlichen Rosenkriege Englands nicht nur als Inspiration für Game of Thrones genutzt. Auch in Elden Ring sorgt der Stammbaum der Königsfamilie mit seiner heiklen Verästelung irgendwann für Ärger. Als Marika den Krieger Hoarah Loux heiratet, der als erster Eldenfürst den Namen Godfrey annimmt und mit einer Löwenbestie auf der Schulter eine der imposantesten Gestalten ist, ist noch alles in Ordnung. Aber spätestens mit der zweiten Ehe mit Radagon sowie den Stiefkindern wird die Saat des Haders gesät.
Die sprießt überall in ihrer Familie: Denn ihrem Halbbruder Maliketh, einem Halbwolf wie Blaidd, der als ihr Schatten und Leibwächter auf die Rune des Todes achten sollte, wird ein Teil davon gestohlen. Mit diesem Splitter wurde im Auftrag von Ranni die Klinge versehen, die ihren Sohn Godwyn schließlich töten konnte. In ihrer Wut und Verzweiflung zertrümmerte Marika den Elden Ring mit einem Hammer, während Radagon später vergeblich versucht diesen zu reparieren - und die zwei, die eins waren, fanden nicht mehr zusammen.
Während Marika spurlos verschwindet, sorgen die Splitter des Rings als weltweit vertreute Runen nicht nur dafür, dass ein Bürgerkrieg zwischen allen Nachkommen, Halbgöttern und sonstigen Fraktionen entbrennt, die den Ring an sich reißen wollen, weil sie damit selbst über Leben und Tod entscheiden könnten.
Für den Spieler ergibt sich parallel ein Konflikt der Motive und Fragen, ein Chaos an erzählerischen Fragmenten, die er geduldig zusammen fügen muss. Zwar bleibt Hidetaka Miyazaki der fragmentierten Erzählweise treu - man kann ja nicht wie in einem Roman oder einem Baldur's Gate 3 einer linearen Geschichte folgen. Aber diesmal funkeln die Splitter der Story vielfältiger, sowohl in Gestalt aktiver Charaktere als auch Artefakte. Als aufmerksamer Spieler wird man stückweise belohnt, so dass sich langsam ein Puzzle ergibt.
Die kleinen Geschichten
Schon früh kann man kleine erzählerische Schätze bergen, wenn man wirklich zuhört oder liest. Denn nicht nur in Dialogen, sondern auf vielen Artefakten und Waffen weckten Beschreibungen immer wieder die Neugier. Sie erinnern an die so genannten Flavor-Texte aus Magic: The Gathering. Sie können in wenigen Zeilen für eine Stimmung sorgen und ein Tor in die Vergangenheit öffnen. Im Podcast mit Christian Endres haben wir darüber gesprochen, warum selbst ein schnödes Kartenspiel mit nur etwas Text die Fantasie anregen und das Spielerlebnis bereichern kann.
Ich kritisiere ja gerne die Masse an Ausrüstung, die moderne Action-Rollenspiele und mittlerweile leider sogar The Legend of Zelda flutet, das mal mit dem Meisterschwert legendär reduziert war. Auch Elden Ring hat ein immenses Repertoire an Dolchen, Schwertern, Hämmern, Äxten, Bögen, Speeren. Und in Shadow of Erdtree kommen sogar noch hundert Waffen in acht Kategorien hinzu, so dass man damit vermutlich den kompletten Louvre in eine mehrstöckige Rüstkammer verwandeln könnte. Man kann sogar einen neuen Pfad als Martial-Arts-Kämpfer mit bloßen Händen einschlagen.
Aber im Gegensatz zu vielen anderen Abenteuern würden all die spitzen, stumpfen und scharfen Waffen, all die Peitschen, Armbrüste und Bögen tatsächlich gut in dieses berühmte Museum passen. Denn abgesehen davon, dass sie künstlerisch überaus ansehnlich designt sind, bekommt man hier mit fast jeder Waffe und selbst so manchen Gegenständen eine kleine Geschichte über einen der erwähnten Flavor-Texte. Als Beispiel zitiere ich mal die Beschreibung zum Dark Moon Greatsword:
Ein Mond-Großschwert, das von einer karischen Königin an ihren
Ehepartner verliehen wurde, um eine lange Tradition zu ehren.
Eine der legendären Waffen.
Rannis Siegel ist ein Vollmond,
kalt und bleiern,
und dieses Schwert ist nur ein Strahl seines Lichts.
Dieses Bewusstsein für Artefakte als Storyträger hat bei FromSoftware eine lange Tradition. Das Schwert des Mondes führt z.B. wie eine Art digitales Firmenartefakt zurück bis nach King's Field ins Jahr 1994, und taucht von Demon's Souls bis Bloodborne sowie selbst in Armored Core VI auf. Außerdem stecken in diesen Zeilen kleine Hinweise auf die Geschichte der Zwischenlande. Da ist von der Königsfamilie von Caria die Rede, deren Anführerin Rennala ich bereits erwähnte und deren Rittern man auch in der Erweiterung begegnet. Und da ist die Mondmagie von Ranni, mit der man eine der bemerkenswertesten Quests des Abenteuers erlebt und das Zeitalter der Sterne einläuten kann.
Geschichte & Gegenwartskultur
Ranni, die so genannte Schneehexe, gehört als Tochter von Rennala zu den zentralen Charakteren dieses Abenteuers. Diese rebellische Lady ist der Auslöser für die blutige Tragödie, für den Mord an Godwyn, der die Seele und die Dynastie ihrer Stiefmutter auf dem Höhepunkt ihrer Macht in tausend Splitter zerbersten lässt. Rannis Leibwächter und so genannter Schatten ist Blaidd, der Halbwolf. Sein Name stammt aus dem Walisischen und führte mich in einer Erkundung bereits zurück bis zu mittelalterlichen Handschriften und keltischen Werwölfen. Eine andere führte mich über das Schilfland zum berühmten Samurai Miyamoto Musashi.
Und nicht ohne Grund hat man z.B. die Numen, dieses langlebige Volk, das vielleicht wie eine Alienzivilisation oder nur von außen in die Zwischenlande kam, von dem sowohl Königin Marika als auch die Attentäterinnen ihres Sohnes abstammen, mit Tolkiens Elben und speziell den Numenorern verglichen. Die Zwischenlande bieten jedenfalls mehr an sagenhaftem Material als man in einem Dark Souls, Sekiro oder Bloodborne finden kann. Dieses Abenteuer lässt sich noch weniger auf ein, zwei Inspirationen reduzieren, denn es spielt im besten Sinne mit Motiven aus allen möglichen Kulturen und Epochen, die einem mal mehr, mal weniger vertraut vorkommen - und man kann nicht nur Mythologisches, Märchenhaftes oder Biblisches finden.
Miyazakis Team hat sich so verblüffend vielfältig inspirieren lassen, dass man sich auf der Suche nach Ursprüngen von Namen, Worten und Motiven zwischen Realität und Phantastik regelrecht verirren kann. Zum Beispiel in der Gestalt des Weisen Gowry, den man in einer Hütte in Caelid trifft. In seiner Quest rund um das an Scharlachfäule erkrankte Mädchen Millicent sowie den unheimlich grotesken, an einen Skorpion erinnernden Boss Astel zeigen sich z.B. Parallelen zu einem Buch und Figuren des amerikanischen Schriftstellers und Illustrators Edward Gorey (1925-2000) namens The Insect God aus dem Jahr 1963.
Berserk lässt grüßen
Damit möchte ich anreißen, wie viele Bezüge es zu Legenden, Mythologie und Religion sowie zur Fantasykultur von Der Herr der Ringe über Game of Thrones und vor allem bis hin zum Manga-Meisterwerk Berserk es gibt; mehr dazu in der Vertiefung. Dessen Schöpfer Kentarō Miura, der leider während der Entwicklung von Elden Ring im Mai 2021 verstarb, erweist FromSoftware alle Ehre, nicht nur in Form der Schwerthügel.
Ähnlich wie in Berserk reicht die Weltkonzeption von Elden Ring über irdische Königreiche und ihre Halbgötter hinaus, denn göttliche äußere Kräfte wie der Große Wille bei Marika, jene des Mondes bei Ranni, jene der Rasenden Flamme oder jene der Scharlachfäule bei Malenia, der Zwillingsschwester und überaus tödlichen Klinge von Miquella, wirken im Hintergrund.
Das Dämonische und Heroische, das Groteske und Brutale, aber auch das märchenhaft Schöne wird in diesem Abenteuer sichtbarer als etwa in Demon's oder Dark Souls. In Elden Ring sieht man das Idealbild einer mittelalterlichen Fantasywelt noch in Gold strahlen, aber je weiter man vordringt, desto mehr wird es verfremdet, genauso wie die Motive von Ehre und Ritterlichkeit in Frage gestellt oder pervertiert werden.
Alleine für diese Bezüge zu Berserk, die bis zu den Ähnlichkeiten zwischen den beiden grazil sowie androgyn wirkenden, aber unheimlich mächtigen Jünglingen Miquella und Griffith reichen, dem engelgleichen Hauptmann der so genannten Falken, könnte man eine eigene Vertiefung anbieten. Griffith paktiert ja mit Dämonen, um sein größenwahnsinnig anmutendes Ziel zu erreichen: ein eigenes Königreich zu erschaffen. Und Miquella lässt sich auf Mogh ein, um sich von seiner goldenen Abstammung zu lösen. In der Art des künstlerischen Ausdrucks hinterlässt Berserk sogar fast einen Fingerabdruck in Elden Ring. Denn Kentaro Miuras Gotteshand lässt grüßen, in der jeder Finger eine dämonische Macht symbolisiert.
Hände und Finger
Der Große Wille wird ja bizarr dargestellt durch die zwei gekrümmten Finger, die als gleichnamige Fraktion seine Botschafter auf Erden sind und Helden für die Tafelrundenfeste auswählen. Ihr Gegenpart und ebenfalls Botschafter einer anderen außerirdischen Macht, und zwar der Rasenden Flamme, sind die Drei Finger. Und selbst wenn die Tafelrunde so klingt, strahlt da kein Artus und auch kein Lancelot.
Denn die so genannten Fingerleserinnen sind keine Walküren in heroischer Pose, sondern halb verweste Priesterinnen, die anscheinend seit hunderten Jahren einen übereifrigen Befleckten nach dem anderen in den sicheren Tod schicken. Sie wirken wie Zerrbilder der Nornen, die in der nordischen Mythologie den Weltenbaum pflegen und das Schicksal verkünden. Aber auch hier geht es nur um eine ferne Quelle der Inspiration.
Dass diese alptraumhaften Gestalten die Großen Runen in Empfang nehmen und die Macht des Spielers vergrößern, damit er irgendwann den Elden Ring schmieden und die Goldene Ordnung wieder herstellen kann, hinterließ noch in der Freude darüber, dass man gerade einen Halbgott besiegt hatte, eine böse Ahnung. Elden Ring baut auch in seiner Ästhetik sofort diesen interessanten Widerspruch auf, zwischen dem Glanz und Gold einer idealisierten Vergangenheit sowie der brutalen Realität aus Verfall und Verderben. In der gibt man als potenzieller Retter eine fast tragisch-komische Figur ab, die wie ein Hamlet zwischen Rache, Krieg und Wahnsinn umher taumelt und vielleicht mit etwas Glück lebend aus einem Dungeon kriecht.
Natürlich kennen Soulsspieler seit Jahren diese verfluchte Bühne und das tückische Gefühl, auf ihr den Helden zu spielen. Schon in den Königreichen von Boletaria aus Demon's Souls, von Lothric aus Dark Souls sowie in der Stadt Yharnam aus Bloodborne kann man Spuren einer Vergangenheit, dazu reichlich Übernatürliches und Dämonisches finden. Auch dort treibt es meist seit einem unheilvollen Ereignis sein Unwesen, so mächtig und schauerlich, dass die Prinzipen von Leben und Tod, Gut und Böse längst verkehrt wurden. Und in Demon's Souls kann man sogar das moralische Konzept der Welt beeinflussen, wenn man es denn durchschaut - das gehört für mich immer noch zu den bemerkenswertesten Leistungen der Soulsreihe.
Historische Tiefe durch Ereignisse
Aber in Elden Ring werden die zwei erzählerischen Zeitachsen, die horizontale der erlebten Gegenwart und die vertikale der ersammelten Vergangenheit, wesentlich dichter mit mehr Ereignissen, Charakteren und Hinweisen verwoben. Die Halbgötter und Fraktionen der Zwischenlande sind gealtert und gewachsen, denn das Abenteuer beruht auf einer mythologischen Vorzeit. Sie wurde von George R.R. Martin aus ebenso sagenhaften wie archetypischen Grundsteinen erbaut.
Man erkennt Stück für Stück eine epische Geschichte mit historischem Zusammenhang samt Genealogie. Diese Vorarbeit von Martin darf man nicht unterschätzen: Hidetaka Miyazaki hat betont, dass er deshalb ganz anders an die Story herangehen konnte als noch in Dark Souls, weil es Biographien, Verwandte und alte Konflikte gab. So konnte er für Quests samt Entscheidungen immer Linien in eine Vergangenheit ziehen und diese in der Gegenwart lebendig werden lassen. Es hat mich gefreut, dass FromSoftware mit der Story den Nebula Award gewinnen konnte.
Und ihren verwitterten Wegen kann man als Spieler in der Gegenwart folgen, so dass sich eine Chronologie ergibt. Sinnbildlich dafür sind die erwähnten Hügel aus Steinschwertern, die wie monumentale Friedhöfe von vergangenen Schlachten und Königen berichten. Schon in Limgrave begegnete man sehr früh dem ersten am See, auf dem ein Ereignis beschrieben wird:
Godrick der Goldene, gedemütigt
Nach der Niederlage durch Miquellas Klinge
Jetzt auf den Knien, um Gnade flehend
Zwar ist Malenia gemeint, aber hier hört man zum ersten Mal von Miquella, der ja nie selbst in Elden Ring auftritt und ein Phantom aus der Vergangenheit bleibt. Erst in Shadow of Erdtree kann man seinen Spuren folgen. Diese Schwerthügel sind auch ein poetisches Rätsel im Stile alter Überlieferungen, denn man findet sie nicht chronologisch sortiert. Ich hab ihre Inschriften damals gerne aufgeschrieben. Sie erinnerten mich ein wenig an die Spruchdichtung der Edda, aber ich wurde immer wieder von Quests und Bossen abgelenkt.
Die relative Chronologie
Deshalb habe ich kürzlich alle 14 Hügel nochmal besucht, um sie wie ein Puzzle zu ordnen. Es gibt ja keine offizielle Zeitleiste und letztlich nur eine relative Chronologie. Über die streiten sich Fans fast wie Historiker mit der Interpretation von Zitaten und Quellen, was zu höchst amüsanten Spekulationen führt. Genau das hat FromSoftware natürlich mit dem bewussten Mut zur Lücke in der Geschichte der Zwischenlande gewollt. Denn selbst wenn man Texte und Dialoge gewissenhaft sammelt und ergänzt, gibt es so einige Widersprüche.
Und wenn man neben Gestaltwandel sowie Göttermacht auch die Zeitreise nicht ausschließt, tja, dann wird es im wahrsten Sinne des Wortes fantastisch. Denn schon vor den Ereignissen, die auf den Schwerthügeln kommentiert werden, gab es Eldenfürsten. Darunter den mehrköpfigen Drachenlord Placidusax, dessen namenlose Göttin ins Unbekannte floh. Er ist ein optionaler Boss, der vielleicht ähnlich wie Marika und Radagon ein Zwitterwesen war. Konnte er tatsächlich durch die Zeit reisen? Wartet er dort noch irgendwo?
Aber so ganz umsonst ist die Recherche an den Schwerthügeln nicht. Immerhin ergibt sich eine gewisse Abfolge der Ereignisse, die nach dem Drachenlord und vor dem Start des Spiels stattfanden. Sie läuten quasi das Zeitalter des Erdtrees ein. Ich fasse das nur nochmal grob zusammen, so einiges hatte ich schon erwähnt.
Nach dem ersten Krieg des Eldenfürsten Godfrey gegen die Riesen folgt jener gegen die Drachen sowie das menschliche Königreich von Caria, bis eine friedliche Periode beginnt und Godfrey mit seiner Armee ins Exil wandert. Allerdings trennt sich Marikas Heerführer Radagon von Rennala, heiratet Marika und wird zweiter Eldenfürst. Sie zeugen zwei weitere Halbgötter, die Zwillinge Miquella und Malenia, die allerdings Flüche in sich tragen.
Zwar wachsen ihnen keine Hörner, aber Miquella muss auf ewig im Körper eines Jungen altern und Malenia trägt die Scharlachfäule in sich. Miquella erschafft daraufhin den Haligbaum, um seinen sowie den Fluch seiner Schwester, der sie von innen zerfrisst, zu bannen. Allerdings funktionierte das im Reich der Goldenen Ordnung nicht. Und irgendwann in den Wirren des Bürgerkriegs wird er von Mohg, dem Blutfürsten, gefangen genommen, der sogar mit ihm zusammen herrschen will. Aber zu dieser unheiligen Hochzeit kommt es wohl nicht:
Da er Miquella zur vollen Gottheit erheben wollte, wünschte sich Mohg, sein Gemahl zu werden und die Rolle des Monarchen zu übernehmen. Doch egal, wie viel er von seinem blutigen Schlafgemach zu teilen versuchte, er erhielt keine Antwort von dem jungen Empyreaner.
Die Saat des Haders geht währenddessen weiter im Krieg auf. Caria wird belagert, Marikas Hauptstadt Leyndell muss zweimal verteidigt werden und Armeen marschieren durch die Zwischenlande. Mal angeführt von Marikas Sohn, Godrick den Goldenen, mal von Rennalas Sohn und Marikas Stiefsohn Radahn oder von Marikas Tochter Malenia, die ganz Caelid mit ihrer Scharlachfäule verwüstet, bevor es zur finalen Schlacht zwischen ihr und Radahn kommt, der dem Wahnsinn verfällt. Irgendwann in dieser Zeit wird mit Godrick dem Goldenen der erste Halbgott der Geschichte von den Schwarzen Messern ermordet. Königin Marika zerstört den Elden Ring mit ihrem Hammer, Radagon versucht erfolglos ihn zu reparieren und die Gottkönigin verschwindet, bis der Spieler sie im Erdtree findet.
Aber ihr Sohn Miquella bleibt verschwunden. Er verließ den Kokon des Blutfürsten, in dem er auf ewig zu träumen schien und machte sich auf in das Land der Schatten, von dem es heißt:
Ein Ort, der vom Erdtree verdunkelt wird. Wo die Göttin Marika ihren ersten Fuß setzte. Ein Land, geläutert in einer unbesungenen Schlacht. Von Messmers Flamme in Brand gesetzt. Es war dieses Land, in das Miquella aufbrach. Er entledigte sich seines Fleisches, seiner Kraft, seiner Abstammung. Von allem, was golden ist. Und nun wartet Miquella auf die Rückkehr seines versprochenen Herrn.
Auch in dieser Erweiterung wird man vor lauter Kampf vermutlich die Bedeutung hinter Gestalten und Symbolen nicht umgehend erkennen. Das muss man aber auch nicht, um epischen Spaß in diesem labyrinthischen Abenteuer zu haben.
AUSBLICK
Im Strudel dieses außergewöhnlichen Action-Rollenspiels konnte man sich zwischen all den Fraktionen und Möglichkeiten verlieren. Selbst wenn man nach der weit über hundert Stunden reichenden Odyssee zum Eldenfürsten gekrönt wurde und eines von sechs möglichen Enden einleiten konnte, fühlte man sich hin und her gerissen, zumal nicht alle Fragen beantwortet wurden. Da saß man auf dem Thron als Herr über Leben und Tod und fragte sich vielleicht, ob man die richtige Entscheidungen getroffen hat. Denn spätestens hier wurde wieder deutlich, wie relativ Gut und Böse sind, dass es abseits der Akzeptanz oder Ablehung der Goldenen Ordnung so einige Alternativen gibt. Als dritter Eldenfürst konnte man das Schicksal der Zwischenlande auf sehr unterschiedliche Arten besiegeln, von der Restauration über die Rückkehr des Todes oder die totale Ordnung bis zum ewigen Fluch. Hinzu kommen quasi zwei außerirdische Perspektiven, die mit der Macht des Großen Willens sowie dem Erbe des Elden Rings brechen. Sie machen aus dem Spieler entweder den Lord der rasenden Flamme, der die Welt in eine chaotische Hölle verwandelt, oder zum Lord des Mondes, der die Zwischenlande als Gemahl seiner neuen Königin Ranni verlässt und damit das Zeitalter der Sterne einläutet. Da man das Spiel nur in dieser Variante als göttliches Paar beendet und der Herrschaft über Land und Leute letztlich entsagt, gilt es für einige als das ideale Ende. Aber selbst wenn man es noch gar nicht erreicht hat, geht es in Shadow of Erdtree weiter. Um die Welt der Erweiterung betreten zu können, muss man weder die Eldenbestie besiegt noch ein neues Zeitalter ausgelöst haben. Es reicht, wenn man die Bosse Radahn und Mohg besiegt hat. Von dessen Palast aus kann man sich in das neue Gebiet teleportieren - und auch jederzeit zurück. Diese neue Welt soll in etwa der Größe Limgraves entsprechen. Auch andere Fraktionen und Charaktere sind unterwegs dorthin, so dass man sich auf einige potenzielle Feinde sowie Verbündete einstellen darf. FromSoftware empfiehlt eine Stufe von 150, aber man soll ab 120 aufwärts zurechtkommen. Ich wünsche euch jedenfalls lange Spielzeit und angenehme Bosse im Land der Schatten, von dem es heißt:
Miquella der Gütige sprach vom Anfang.
Von der Verführung. Und dem Verrat.
Eine Affäre, aus der Gold erwuchs.
Und so wurde auch der Schatten geboren.
Was folgte, war ein beispielloser Krieg.
Einer, der nie besungen werden konnte.
Eine Säuberung ohne Gnade und Ehre.
Die Tyrannei von Messmers Feuer.
Und so gab der freundliche Miquella alles auf.
Sein goldenes Fleisch, seine blendende Stärke.
Selbst sein Schicksal.
Aber wir lassen uns nicht beirren.
Wir beschließen, ihm zu folgen.
Wirst du mit uns gehen?
(Bilder: Elden Ring & Elden Ring: Shadow of Erdtree, BandaiNamco)
Für diese Art Videospieljournalismus bin ich sehr gerne Unterstützer. Überall Austern, aber nur hier sind die Perlen.
Ganz stark geschrieben, ich kann nachwievor nicht annähernd alle Puzzleteile zusammensetzen, die einem das Spiel vorwirft. Aber dein Text hat mir sehr geholfen wenigstens den groben Rahmen der Handlung zu verstehen. Den Hinweis auf die Itembeschreibungen werde ich mal beherzigen und mal schauen was ich entdecke.
Ich habe in Shadow of the Erdtree bisher erst ganz kurz reinspielen können, aber das was ich bisher sehen konnte war sehr überzeugend.
Danke für den tollen Text.
Ich möchte mich an dieser Stelle ebenfalls für diese hervorragende Zusammenfassung bedanken. Ich habe nun auch begonnen, den Spuren zu folgen! Ich wünsche allen viel Spaß im Schatten des Erdenbaums.
Eine wirklich tolle Zusammenfassung samt Einordnung und Erweiterung mit all den interessanten Bezügen. Echt super. Danke dafür, war eine Freude zu lesen. Ich freu mich unheimlich auf Shadow of the Erdtree nach über 260 Stunden im Hauptspiel. Mal sehen, wie schnell ich mich wieder reinfinden kann in meinen Befleckten mit seiner Katanasammlung. Jetzt muss ich nur noch mein Savegame von vorm Finale finden, da ich das Spiel kurz nach Beginn des NG+ liegengelassen habe. :)
Ui, ziemlich langer Text. :) Habe bisher nur den Teaser gelesen und bin noch unsicher, ob ich weiterlesen soll. Habe Elden Ring (noch) nicht gespielt. Andererseits machen mich die From Software-Werke in den letzten Jahren nicht mehr wirklich an, wahrscheinlich spiele ich es eh nie oder hab das Gelesene schon wieder vergessen, bis ich es vielleicht irgendwann mal angehen. :D