Breitseite #20: Sechs Spiele, sechs Kritiken
- Jörg Luibl
- 15. Mai
- 14 Min. Lesezeit
Herzlich willkommen zur Breitseite. Das ist ein Format, mit dem ich all das anvisieren möchte, was es vermutlich nicht in eine ausführliche Rezension schafft. Das liegt manchmal an der Qualität, aber meist an der fehlenden Zeit. Hier gibt es also nur Kurzkritiken zu Spielen, die zwar in mein Beuteschema passen, aber die ich vielleicht nicht länger als drei Stunden gezockt habe.
Ich weiß nicht, ob ich mit diesen frühen Einschätzungen den Kern treffe, aber bisher haben mich nur wenige Spiele nachträglich faszinieren können, die nicht in dieser Phase des Einstiegs überzeugen konnten. Um die Spannung ein wenig zu erhöhen und eine Gewichtung anzubieten, werde ich mich jeweils vom schwächsten bis zum stärksten Eindruck hochschießen.
Diesmal dabei, hier noch in alphabetischer Reihenfolge: Burden of Command, Commandos Origins, Doom: The Dark Ages, Expelled! – An Overboard! Game, Labyrinth of the Demon King, Steel Seed.
Okay, denn man tau und Feuer frei - hier kommt die Breitseite:
Steel Seed (PC, PS5, XBS)
Dass man die Menschheit als tapferer Held vor ihrem Ende bewahren kann, gehört seit über 50 Jahren zu den Schlüsselqualifikationen für Videospieler. Im knapp 40 Euro teuren Steel Seed wird man weit in die Zukunft katapultiert und schlüpft in die Rolle einer Frau names Zoe, die im Einstieg von ihrem Vater sowie Techguru in eine Androidin verwandelt wird und ohne Gedächtnis auf einem Roboterplaneten aufwacht. In dessen labyrinthischen Tiefen soll sich der heilige Gral zur Rettung unserer Spezies befinden.
Und da Zoe kein Terminator ist, geht es um Stealth-Action in futuristischen Kulissen sowie Parkour-Akrobatik samt Schlittern und Springen. Das hat mich angelockt und klingt gar nicht mal so schlecht. Aber schon wenn Zoe das erste Mal auf die ansehnliche Megacity blickt und die Musik aufspielt, bekomme ich keine Gänsehaut, sondern in kühler Distanz das ungute Gefühl, dass sich das italienische Team von Storm in a Teacup in dieser Arena der hollywoodreifen Science-Fiction übernommen hat.
Das verstärkt sich, sobald Zoe leicht wie eine Feder rennt und springt, mit einem Laserschwert um sich haut und gefühlt ein dutzend Mal durch enge Nischen zwängt, während sie zwar Spielmechaniken wie das Ducken, Ablenken sowie den Stealth-Kill gewinnt, aber als Charakter immer mehr an Anziehungskraft verliert. Bis hin zu so dümmlichen Kommentaren im Angesicht offensichtlicher Gefahr, dass es fast unerträglich wird. Um es vorweg zu nehmen: Die schlechte Regie und die Dialoge verhindern jeglichen Sense of Wonder. Daran kann selbst Koby nichts ändern, obwohl ich Roboter als Sidekicks mag.
Er schwebt ständig neben Zoe, kann Schalter aktivieren, Feinde ablenken, aus der Distanz attackieren und wie Zoe weitere Fähigkeiten erlernen. Nur sorgt er als Persönlichkeit nicht für eine emotionale Anbindung, sondern piept wie R2D2 lediglich unverständlich für den Spieler vor sich hin. Nur Zoe kann seine Bemerkungen verstehen und kommentiert sie leider ständig. Dass sie auf Deutsch zu hören sind, wertet die Story allerdings genausowenig auf wie die angebliche Parkour-Akrobatik das Spielerlebnis. Denn sie erinnert mit offensichtlichen Greifpunkten sowie den trägen Bewegungen eher an ein steif animiertes Uncharted.
Auch wenn es manchmal um punktgenaue Absprünge in Zwischensequenzen geht, die samt Kamerawechsel und Beschuss filmreif inszeniert werden, fühlt sich das seltsam steril an. Zumal man als Spieler so vieles von dem ahnt, was gleich passieren wird. Dieses Abenteuer wirkt manchmal wie eine Show von Kameramännern in der Ausbildung. Die Kämpfe sind da nur etwas spannender, denn sie setzen samt Zielfixierung auf das Ausweichen mit Timing, zumal Zoe nur wenige Treffer einstecken kann. Aber so richtig wuchtig oder ansehnlich laufen sie nicht ab und man hat soetwas in dutzenden Soulslikes der zweiten Reihe deutlich besser erlebt, wie etwa kürzlich in The First Berserker: Khazan.
Immerhin sollte man Kämpfe im Idealfall vermeiden und unentdeckt bleiben. Man kann sich ja geduckt bewegen, klebt auf Knopfdruck in der Deckung von hüfthohen Mauern, kann Feinde akustisch anlocken und von hinten erledigen, um die Beute einzusammeln, wobei die Wachen gut auf Fehler reagieren. Das ist die Kernmechanik des Spiels, aber auch die erreicht maximal solides Niveau, das mich als großer Freund des Genres nicht besonders motivieren konnte. Ich hatte nach zwei, drei Stunden in dieser chrompolierten Megacity jedenfalls keine Lust mehr und habe ernüchtert abgebrochen.
Labyrinth of the Demon King (PC, PS5, XBS, SW),
Gleich vorweg eine Warnung, denn dieses eigenwillige, knapp 15 Euro teure Spiel ist nichts für Freunde gemütlicher Abenteuer oder moderner Kulissen, sondern etwas für all jene Horror- und Independent-Fans, die sich auch an Demakes wie etwa jenem von Bloodborne erfreuen können, die einen in die grob aufgelöste Vergangenheit beamen. In diesem Fall geht es um die Ära der ersten PlayStation, als Spiele gerade die dritte Dimension eroberten. Der neuseeländische Solo-Entwickler J.R. Hudepohl hat allerdings keinen bekannten Klassiker visuell degradiert, sondern vier Jahre an einem neuen Dungeon-Crawler gearbeitet, der in Egosicht sowie Echtzeit in ein verfluchtes altes Japan der Heian-Zeit entführt.
Man ist kein Samurai, sondern ein Ashigaru, also ein Fußsoldat, der sich für seinen Fürsten Takeda Nobumitsu (1162-1248) auf eine ebenso tödliche wie unheimliche Mission begibt: Um den König der Dämonen herauszufordern, muss man vier Türme erkunden und ihre Wächter besiegen. Wer sich für Yokai und japanische Folklore interessiert, dürfte sich schon im Tutorial freuen: Da wird man von einer Nekomata, einer zweischwänzigen maskierten Katze begrüßt, die einem die Grundlagen von Angriff und Verteidigung erklärt. Ihre Sprüche klingen noch humorvoll makaber, und im Garten um das Übungsgelände herum, wirkt das noch eher steril und gespenstisch als erschreckend. Dort trifft man auf ein seltsames Mädchen ohne Augen und kann erstmals speichern.
Aber spätestens wenn man die Katakomben betritt, ist Schluss mit lustig, denn da kriecht das Grauen von der Decke. Die Atmosphäre ist unheimlich und beklemmend, zumal neben der verringerten Farbtiefe mit ihrer diffusen Nebelwirkung auch der Sound für akustische Verstörung sorgt - man hört das Unheil quasi heran schlurfen. Zwar gibt es neben eher klassischen Feinden wie Skeletten noch einige andere Yokai, aber das Figurendesign erinnert umgehend an die grotesken Kreaturen aus Silent Hill. Und so manche Szene wirkt regelrecht abstoßend, wenn da Körperteile gefressen werden.
Man muss auch noch langsam heran an die Kreaturen, was fast ein wenig an den Terror aus Fatal Frame erinnert. Man kann dabei nicht wie in einem Hack'n Slay um sich hauen, sondern muss sich auf jeden Gegner konzentrieren, indem man rechtzeitig ausweicht, pariert und zuschlägt, während die Ausdauer gnadenlos schnell sinkt. Das Kampfsystem hat so seine Macken, denn manchmal wird man selbst von einer Kakerlake aufgerieben, nur weil man sie in ihrer tiefen Position nicht treffen kann - das nervt. Aber wenn man sich daran gewöhnt hat und die Abstände später mit Stangenwaffen vergrößern kann, ist man auch mal im Vorteil.
Es gilt mit Fackel und Heiltränken langsam die ebenso düsteren wie Blut besudelten Gänge erkunden, wobei Karten bei der Orientierung helfen. Für Abwechslung sorgen kleinere Rätsel, wobei es da meist um das Auffinden von Artefakten geht, die man irgendwo einsetzen kann. Außerdem atmet man auf, wenn man endlich etwas Ausrüstung findet oder kaufen kann, denn man startet lediglich mit einem Katana. Talismane, Rüstungen und Waffen bieten dann umgehend einen spürbaren Vorteil, so dass man die Hoffnung nicht aufgibt.
Dieses Spiel hat reichlich Ecken und Kanten, auch hinsichtlich der Inszenierung sowie Steuerung und lebt von seiner verstörend brutalen Atmosphäre. Es wirkt auf den ersten Blick wie eine Mischung aus Silent Hill und Dungeon Master, auch wenn es an keines der beiden Spielsysteme angelehnt ist und nur solides Niveau erreicht. Ähnliche Assoziationen weckte kürzlich der Dungeon-Crawler Tower of Mask der japanischen Papertip Studios, dessen Kämpfe wesentlich flotter ablaufen, der nicht ganz so morbide, aber dafür etwas moderner inszeniert wird und der mir in der Breitseite 18 etwas besser gefallen hat.
Commandos: Origins (PC, PS5, XBS)
Falls ihr zu den älteren Semestern unter den PC-Taktikern gehört, dürfte euch dieses Spiel ähnlich wie die Rückkehr von Jagged Alliance 3 neugierig machen. Denn dieses Commandos ist die Fortführung des Klassikers aus dem Jahr 1998, mit dem die spanischen Pyro Studios das moderne Echtzeit-Schleichen sowie eine Reihe begründeten, die Spiele wie Desperados, Robin Hood oder Shadow Tactics inspirierte. Die wurden von den deutschen Studios Spellbound sowie Mimimi Games entwickelt, die ja leider nach dem Piraten-Abenteuer Shadow Gambit: The Cursed Crew im Jahr 2023 ihre Pforten geschlossen haben. Doch anscheinend fühlt man sich hierzulande in diesem Subgenre der teambasierten Infiltration überaus wohl und wagt ein weiteres Comeback, das aus verständlichen Gründen eher konservativ als innovativ designt wurde.
Das knapp 50 Euro teure Sequel der Claymore Game Studios aus Darmstadt orientiert sich an etablierten Mechaniken und setzt dabei auf Komplexität sowie den Nostalgiefaktor. Sechs legendäre Charaktere wie der Green Beret Jack O'Hara kehren zurück, die von Afrika bis zur Arktis in anspruchsvollen Missionen des Zweiten Weltkriegs unterwegs sind. Und die können sich in zoom- sowie drehbarer schräger Draufsicht sowohl sehen als auch hören lassen. Zwar wiederholt sich mancher Kommentar auf Dauer, aber was mir schon im Einstieg auf der PS5 gefallen hat ist, dass sich die Figuren aktiv unterhalten und mal streiten. Obwohl Jack z.B. von Thomas Hancock aus einer Zelle befreit wird und einen Auftrag von ihm bekommt, ist er alles andere als dankbar und mault den Pionier gerne mal an. Von der Story an sich darf man nicht zu viel oder gar den humorvollen Esprit von Shadow Gambit erwarten, aber so entsteht mitunter eine lebendige Atmosphäre mit kleinen Zickereien.
Ansonsten geht es natürlich um Harmonie, um möglichst effizient von A nach B zu kommen. Je nach Situation versteckt man sich lauernd im Schatten oder rennt durch den gerade verschwundenen Sichtkegel, um dann vielleicht schnell an einem Mast hinauf zu klettern und wie ein Waschbär am Seil entlang zu hangeln. Man kann Feinde je nach Rang ausknocken oder hinterhältig töten, muss sie im Idealfall außer Sicht tragen und sich quasi Meter für Meter durch feindliche Lager oder Stellungen vorarbeiten. Das Wort Arbeit ist hier wörtlich gemeint, denn um die Steuerung sowie taktischen Optionen zu verinnerlichen, muss man konzentriert vorgehen - auf der Konsole noch etwas aufmerksamer. Obwohl mir die Bedienung dort gefallen hat, kam ich bei den letzten Spielen von Mimimi Games früher in einen Fluss.
Jeder Soldat hat natürlich exklusive Fähigkeiten, die es clever einzusetzen und zu kombinieren gilt: von der fern gezündeten Bombe unter dem Panzer über das Durchschneiden von Stacheldraht bis zum Einsatz eines Schlauchbootes oder dem doppelten Kill durch den Scharfschützen. Sehr schön ist, wie Wachen auf Fußspuren im Schnee reagieren und ihnen folgen, so dass man gezielt falsche Fährten und Fallen vorbereiten kann. Sehr seltsam ist, dass sie auf andere offensichtliche Veränderungen wie eben gesprengte und quer liegende Funkmasten nicht reagieren. Und was leider nicht möglich ist, ist die freie Wahl unter den sechs Soldaten, denn die Crew wird für jede Mission vorgegeben.
Das kombinatorische Highlight sind gut getimte Team-Aktionen, die über eine Pause-Funktion koordiniert gleichzeitig stattfinden müssen. Wenn z.B. zwei Wachen vor einem Eingang partout nicht getrennt werden und demnach parallel von zwei Seiten überrumpelt werden müssen. Apropos: Man kann auch kooperativ zu zweit spielen, online oder am geteilten Bildschirm, was ich allerdings nicht ausprobiert habe. Zwar studiert man fast immer Laufwege und es gibt in diesem Subgenre immer einiges an Trial&Error, wenn man mal wieder einen Alarm auslöst oder im Kugelhagel stirbt. Aber schön ist, dass die Verbindung der Fähigkeiten in Kombination mit dem Leveldesign so einige kreative Experimente erlauben, so dass zwischen der totalen Lautlosigkeit bis zur explosiven Überraschungstaktik einiges an Vorgehensweisen möglich ist. Ich hab lediglich die ersten zwei von über zehn Missionen auf der PS5 gespielt, die mich solide unterhalten haben. Die Rückkehr von Jagged Alliance 3 hat mir allerdings besser gefallen - siehe Breitseite #8 vom August 2023.
Burden of Command (PC)
Dieses Wargame erschien am 17. April für knapp 25 Dollar für den PC und hat mich neugierig gemacht, weil es die Entscheidungen eines Offiziers samt der Konsequenzen in den Vordergrund rückt. Man schlüpft auf Grundlage historischer Ereignisse des Zweiten Weltkriegs in die Rolle eines US-Captains und muss die so genannten "Cottonbalers", das 7. Infanterie-Regiment, durch 18 rundenbasierte Missionen von Marokko bis Deutschland führen. Die Entwickler von Green Tree Games aus San Francisco nennen Burden of Command ein "Leadership-RPG" - und das ist keine Floskel, sondern trifft den psychologisch simulativen Ansatz.
Man sammelt nicht nur Erfahrungspunkte und kann Moral beeinflussen, es gibt auch rhetorische Attribute wie Sarkasmus oder Direktheit sowie Dialogoptionen, so dass man je nach Befehl sofort sein Vertrauen, sein Prestige oder die Loyalität senken oder erhöhen kann. Im Trainingscamp in Virgina sehen die gerade von einer anstrengenden Übung zurückkehrenden Männern z.B., wie ein Jeep mit Briefpost von Zuhause vorbeifährt und manche jubeln in Vorfreude. Man hat mehrere Möglichkeiten zu reagieren: Wenn man den Jeep sofort stoppt und eine Pause einlegt, gewinnt man Vertrauen, aber verliert Prestige. Wenn man sie weiter marschieren lässt und auf spätere Lektüre hinweist, gewinnt man Loyalität und verliert Prerstige. Wenn man den ganz harten Hund markiert und sie noch schneller marschieren lässt, verliert man Vertrauen und gewinnt Prestige.
Ich hatte sehr speziell gesagt und das betrifft auch die Inszenierung, denn die gleicht einem spröden Patchwork, bei dem reale Bilder auf fiktive gezeichnete Hexfeldarten treffen. Abgesehen davon, dass historische Motive wie Fotos, Zitate von Veteranen etc. mit isometrischen Kulissen vermischt werden, die an ein Brettspiel erinnern, und es einige skurrile Platzhalter gibt, wird im Tutorial die vierte Wand durchbrochen, wenn sich der Entwickler persönlich meldet. Das wirkte auf mich jedoch charmant, zumal man angesichts des ungewöhnlichen Spieldesigns auf Erläuterungen angewiesen ist. Die Rollenspiel-Elemente mit den Charakterwerten sowie Dialogen sind natürlich selbsterklärend, aber hinzu kommt das komplexe Truppen-Management samt Routenplanung sowie Deckung, so dass der schnellste Weg zum Ziel selten der beste ist.
Dabei geht es nicht um simples Command & Conquer, sondern um Command & Control: Man übernimmt z.B. nicht wie in einem Panzer General die direkte Kontrolle jeder Einheit, sondern muss über den Einsatz von Befehlen einen Trupp aktivieren und motivieren - gerade diese Trennung von Anführer und Soldaten verlangt ein Umdenken. Manchmal kann es ein Vorteil sein, wenn man sich als Offizier alleine auf eine Anhöhe begibt und die Lage auskundschaftet; zumal man von hoch oben mit Blickkontakt zum Feind den Mörsern eine Richtung vorgeben kann. Außerdem kommt es bei den Männern gut an, wenn man sie nicht nur aus sicherer Distanz anbrüllt, sondern vorangheht.
Aber wohin begibt man sich wann und was weist man wem an? Die Befehle sind begrenzt und direkt mit der Moral verknüpft, so dass motivierte Soldaten z.B. zwei Befehle entgegen nehmen können, während erschöpfte gar nicht mehr reagieren und erst eine Pause benötigen. Ich hab mich in den ersten zwei, drei Stunden gerne in dieses Spiel hinein gegrübelt und musste mit vorschnellen Aktionen einiges Lehrgeld zahlen, zumal es nicht nur Sieg oder Niederlage, sondern je nach Verlusten mehrere Abstufungen für den Erfolg gibt. Burden of Command ist also kein reines militärisches Adventure mit Dialogen und Rollenspielflair, sondern richtet sich als Gefechtssimulation auch an Hardcore-Taktiker, die ein Gelände samt Sichtlinien lesen und mit Unterstützung, Flankierung sowie Artillerie auf einer Hexfeldkarte tüfteln wollen.
Leider wurde es nicht wie geplant auf der deutschen Steam-Seite veröffentlicht, weil es wohl juristische Probleme aufgrund der Darstellung verfassungsfeindlicher Symbole gab. Deshalb findet man dort bisher nur den Soundtrack. Ich habe bei den Entwicklern nachgefragt und sie arbeiten bereits an einer modifizierten deutschen Version, die demnächst erscheinen soll. Zur Info: Seit 2018 kann ein USK-Gremium bei der Vergabe eines Alterskennzeichens im Einzelfall entscheiden, ob die sogenannte Sozialadäquanzklausel (§86 Absatz 3, Strafgesetzbuch) angewendet und z.B. Hakenkreuze wie im Adventure The Darkest Times gezeigt werden dürfen, weil das Spiel nicht verherrlicht oder verharmlost und die Symbole der historischen Darstellung dienen. Das war damals ein wichtiger Schritt, auch für die kulturelle Gleichberechtigung des Spiels neben dem Film, und ich drücke die Daumen, dass Burden of Command, das mir im Einstieg gut gefallen hat, auch bald hierzulande digital verfügbar ist.
Doom: The Dark Ages (PC, PS5, XBS)
Blue Prince lässt mich schrittweise in aller Ruhe grübeln, in Oblivion schleiche ich gemütlich durch alte Zeiten und in Civilization VII setze ich den Tee auf, bevor ich überhaupt eine Entscheidung treffe. Aber manchmal brauche ich den kompletten Kontrast in Form von Metal und Gemetzel, Tempo und Action. Da sich gerade eben für knapp 80 Euro ein Tor in die finstere Welt von Doom geöffnet hat, bin ich mit Schild und Schrotflinte hindurch marschiert. In der Rolle des Slayers jagt man selbst den Höllenfürsten so richtig Angst ein, wenn man ganze Horden ihrer Dämonen in einem Komborausch hinweg metzelt. In Egosicht teilt man so brachial aus wie Kratos, kann mit dem Schild effizient jeden grünen Beschuss kontern und sich damit so wuchtig nach vorne katapultieren, dass selbst Captain America staunen würde, denn man fühlt sich beim Aufprall wie eine Smartbomb.
Wer gedacht, dass man hier in schweren Rüstungen nur wie ein Panzer dahin walzen und träge um sich hauen kann, wird schnell eines Besseren belehrt. Die Offensive ist Trumpf, man sollte in aggressiver Bewegung bleiben, aber muss dabei die Vertikale oder akrobatische Optionen nicht so berücksichtigen wie in Doom Eternal aus dem Jahr 2020, denn man kann zwar flott klettern, es gibt auch mal magische Trampoline, aber man kämpft meist bodenständig horizontal und jagt eher wie ein Rammbock nach vorne als in die Höhe. Zwar wird man von allen Seiten attackiert, aber kann das einfacher bewältigen, sobald man die saubere Steuerung samt Waffenrad verinnerlicht hat. Denn gleichzeitig kann man mit seinem Handschuh die Feinde in seiner Nähe elektrifizieren, sie in Dreierkombos killen und mit den Wummen bis in die Distanz reichlich Blei spucken.
Das ist also kein reiner Nahkampf, sondern immer noch ein lupenreiner Ego-Shooter inkl. Geschützturmballerei und schwerer Kaliber. Ob man sich dabei überlegen fühlt, in seiner Hand-Auge-Koordination gefordert wird oder so richtig ins Schwitzen gerät, hängt stark vom gewählten Schwierigkeitsgrad ab. Denn es gibt mehrere Stufen, die sich auch auf das Zeitfenster für die wichtige Schildparade auswirken, die man sogar separat einstellen kann. Wenn man als Kenner von Soulslikes mit kniffligen Paraden z.B. auf Standard der unteren Stufen spielt, wird man dieses Doom als zu leicht empfinden und kaum sterben. Falls man eine Herausforderung seiner Wahl gefunden hat, macht dieses flüssig inszenierte Gemetzel jedenfalls richtig Laune. Aber es erreicht nicht die Intensität des erwähnten Doom Eternal und kann mich nicht so begeistern wie erhofft.
Das hat drei Gründe: Erstens habe ich mehr vom Szenario sowie der Inszenierung erwartet, die zwar mit dem Mittelalter locken, aber mich in der Mischung aus Dark Fantasy und Science-Fiction nicht so überzeugen wie z.B. kürzlich Warhammer 40k: Space Marine 2. Dort fließt das Alte und das Moderne hinsichtlich des Artdesigns harmonischer zusammen und sorgte für einige Gänsehautmomente, die ich hier bisher nicht hatte. Zwar sieht die Welt von Doom ansehnlich aus, es gibt Bildschirm füllende Titanen und die Kamera zoomt mitten rein in dämonische Fratzen, aber sie wirkt nicht so markant und apokalyptisch. Ich erlebe zwischen bunten Sammelicons und einigen künstlich wirkenden Kulissen nicht diese monumentale Präsenz wie kürzlich mit dem Space Marine. Oder wie damals in Gears of War.
Zweitens wirken Story, Dialoge und Charaktere eher bemüht als wirklich atmosphärisch verdichtend, und gerade in einem Doom brauche ich diese narrative Ebene nicht, zumal mich nicht alle deutschen Sprecher überzeugen konnten. Drittens erlebe ich diesen arcadigen Flow des Gemetzels nur so lange, bis ich wieder die im Vergleich zu den kompakten Arenen deutlich größeren Areale nach Schlüsseln, Geheimnissen, Gold oder Skins absuche und doch wieder in eine gemächliche Routine verfalle. Also: Ich breche in der Rolle des Slayers zwar nicht in Jubel aus, aber das Figurendesign ist cool, ich mag diesen Schild und wurde in den ersten zwei, drei Stunden gut auf PS5 unterhalten.
Expelled! – An Overboard! Game (PC, SW, iOS, And)
Ich mag die Spiele der inkle Studios bekanntlich sehr gerne. Sie haben mit Steve Jackson's Sorcery! (2013), 80 Days (2014), Heaven's Vault (2019), Pendragon (2020) und letztes Jahr A Highland Song einige bemerkenswert charmante sowie erzählerisch meist überaus interessante Abenteuer entwickelt. Die interaktive Visual Novel Overboard! aus dem Jahr 2021 konnte mich mit ihrer Detektiv-Geschichte auf einem Kreuzfahrtschiff nicht so überzeugen wie die genannten Titel. Und wenn ich ehrlich bin, hat mich die Aussicht auf Recherche in einem Mädchen-Internat nicht umgehend angelockt. Aber dieser Nachfolger im Geiste, der für knapp 15 Euro erhältlich ist, hat mir auf dem iPad erzählerisch und spielerisch besser gefallen, denn man hat bei der Suche nach all den Geheimnissen der Schule mehr interaktive Möglichkeiten, bekommt überraschendes Feedback und erlebt eine wirklich tolle Entfaltung der Story.
Worum geht es? Man schlüpft im Jahr 1922 in die Rolle der englischen Stipendiatin Verity (gesprochen von Amelia Tyler, der Erzählerin von Baldur's Gate 3), der man nicht weniger als den Mord am Direktor vorwirft - und zwar per Fenstersturz. Schon diese verrückte Ausgangslage sorgt natürlich für Neugier auf das, was wirklich geschehen ist. Der Zeichentrickstil orientiert sich mit seinen Sprechblasen am Vorgänger, musikalisch gibt es Jazz von Paul Whiteman über Bessie Smith bis Louis Armstrong und auch die besseren Animationen unterstreichen die leicht gestiegene Produktionsqualität. Wichtiger ist jedoch, dass der vielschichtig rätselhafte Kern dieses Adventures mehr Anziehungskraft entfalten kann.
Man hat nur einen Tag, um vollkommen frei diverse Orte aufzusuchen und bis zur Unschuld zu recherchieren, zu lügen, zu stehlen und zu manipulieren. Man kann also brav, zurückhaltend, ausgleichend, frech oder fast bösartig skrupellos vorgehen. Wobei man von der Regie auf geschickte Art dazu animiert wird, wirklich alles mal auszuprobieren und die Konsequenzen zu erleben, denn wer nur nett und freundlich agiert, kann böse ausgenutzt oder hintergegangen werden. Insofern ist Expelled auch ein interessantes Rollenspiel. Je nachdem, wem man begegnet, kann es sich jedenfalls lohnen, sein Verhalten anzupassen, was meist über sehr gut geschriebene, aber lediglich auf Englisch lesbare Dialoge geschieht.
Aber Vorsicht: Jeder Schüler und Lehrer merkt sich das Gesagte und hat selbst Geheimnisse, so dass manches wie ein Bumerang zurückkehren kann. Für einen Tag an der Schule braucht man nicht mehr als eine halbe Stunde an realer Spielzeit, aber man wird auf motivierende Art geködert, es nochmal zu versuchen, indem man gewisse Meilensteine und Erkenntnisse freischaltet - das ist vergleichbar mit den vielen Schichten an Zusammenhängen, die man in Blue Prince über mehrere Versuche entdeckt. Dazu tragen auch die unterschiedlichen Abläufe, die Nachrichten in der Zeitung, das Feedback durch den eigenen Vater, der auch Lügen seiner Tochter entlarvt, sowie das Zeugnis bei. Ich sehe hier jedenfalls eine klare Steigerung gegenüber dem Abenteuer auf hoher See und wurde mal wieder gut von den inkle Studios unterhalten.
PS: Damit die Diskussion an einer Stelle gebündelt wird, kann man nicht hier, sondern nur im Forum unter Kommentare zu Berichten kommentieren.
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