Auch dieses Jahr konnte ich nicht alles besprechen, was ich mir so vorgenommen hatte. Doch zumindest im Genre der Rollenspiele gab es recht viele Rezensionen und Kurzkritiken, die ihr alle unter Berichte findet. Zwar fehlen einige Spiele, darunter Metaphor: ReFantazio, das ja gerade bei den Game Awards zum besten RPG gekürt wurde. Aber einige relevante Abenteuer wurden hier auf Spielvertiefung eingeordnet.
Weil dieses Genre aufgrund der vielen spielmechanischen Schattierungen nicht so leicht zu definieren ist, liste ich eher klassische und actionreiche Rollenspiele zusammen auf. Aber ich kennzeichne Erstere wie Colony Ship mit CRPG (das C steht spielhistorisch natürlich für Computer, aber ist als Classic verstanden heutzutage fast passender, mehr dazu hier) und Letztere wie Dragon's Dogma 2 mit ARPG.
Ich stelle die Rollenspiele qualitativ geordnet zusammen, also wie in der Breitseite gewichtet vom schwächsten bis zum stärksten Eindruck des Jahres. Da fehlen also die tollen Abenteuer der letzten drei Jahre, neben Baldur's Gate 3 u.a. The Forgotten City, Citizen Sleeper, Roadwarden, Sorcery! oder Wartales. Hinzu kommen die relevanten Impulsgeber der Jahre davor wie etwa Cyberpunk 2077, Pillars of Eternity 2, Wasteland 3, Disco Elysium etc. Vielleicht kann ich nächstes Jahr mal eine zeitlosere und komplettere Rangliste integrieren.
Denn man tau und Feuer frei...
+++ ERNÜCHTERNDE ROLLENSPIELE +++
Dragon Age: The Veilguard (PC, PS5, XBS), ARPG
Dieses Dragon Age konnte mich nicht kreativ beißen, sondern hat mich regelrecht abgeschreckt. Also landet es wie der Vorgänger von Silberkugeln durchsiebt und mit einem Holzpflock gesichert im Grab. Statt einer Wiederauferstehung des alten BioWare, das mich anno 2007 mit Dragon Age: Origins sehr gut unterhalten konnte, sehe ich hier die Entwicklung hin zu einem neuen BioWare, dem ich alles Gute wünsche. Als Rollenspieler alter Schule gehöre ich allerdings nicht zur Zielgruppe dieses weichgespülten Spieldesigns, das mehr ein lineares Action-Adventure mit teils dümmlichen Dialogen als ein episches Abenteuer für Erkunder, Taktiker und Tüftler ist. Selbst wenn man den Schurken wählt, gibt es keinerlei Fähigkeiten, die der Klasse entsprechen! Alles in diesem Spiel ist auf Action, Zugänglichkeit und Service getrimmt, so dass man selbst in Gesprächen kaum auf Widerstände stößt, während man links und rechts Glitzerndes aufsammelt. Ich fühlte mich nicht von Gefährten, sondern von ständig quasselnden Cosplayern umgeben, die mir in Kämpfen um Leben und Tod in Pseudocoolness gratulieren, so als wären wir Buddies in der Arena eines Team-Shooters. Das Ausrüstungsmanagement ist komplett reizlos, die Kämpfe gewinne ich auf immer gleiche Art und die Rätsel haben keinerlei Anspruch. Was die Glaubwürdigkeit der Welt, die Darstellung von Alltag oder das Figurenverhalten betrifft, liegt man mehrere Klassen hinter einem The Witcher 3, Dragon's Dogma 2 oder Baldur's Gate 3. Selbst wenn es im letzten Drittel etwas spannender wird, kann ich mit dieser Fantasy weder ästhetisch noch spielerisch oder erzählerisch etwas anfangen. Und falls da wieder was aus dem Grab steigt, renne ich sofort weit weg. Mehr dazu in der Rezension.
Broken Roads (PC, PS5, XBS), CRPG
Baldur's Gate 3 hat vermutlich für einige Jahre die markantesten Akzente innerhalb der neuen klassischen Rollenspiele gesetzt. Aber wer sich für dieses Genre interessiert, kann auch abseits von Dungeons&Dragons aus dem Vollen schöpfen: Colony Ship, Sovereign Syndicate, Warhammer 40k: Rogue Trader und jetzt Broken Roads. Ich hätte darauf gewettet, dass mich das australische Fallout von all diesen Abenteuern am besten unterhält. Aber so malerisch das postapokalyptische Down Under inszeniert wird und so innovativ der Moralkompass ist, so seltsam einschläfernd wirkte das Spiel auf mich. Der Einstieg ist regelrecht langatmig, die Story kommt nur schleppend in Gang, die Welt ist nicht reaktiv, die Ladezeiten nerven und die simplen Rundenkämpfe sind weder ansehnlich noch taktisch vielfältig. Dafür punkten die Dialoge mit derber Sprache und einigem Wortwitz, die Quests gewinnen an Qualität, es gibt skurrile Überraschungen und man erlebt nicht nur ein moralisches Dilemma. Also, man kann hier über 20 Stunden durchaus solide unterhalten werden und die Welt als Humanist oder Nihilist frei erkunden. Aber bei mir zündete diese Endzeit in Down Under nicht, die ich im direkten Vergleich mit den oben erwähnten Rollenspielen deutlich schwächer einschätze. Nach der anfänglichen Freude über das interessante, an Wasteland und Fallout erinnernde Szenario, wurde ich von einem recht zähen und statischen Abenteuer ernüchtert. Mehr dazu in der Rezension.
Flintlock: Siege of Dawn (PC, PS4/5, XBS), ARPG
Tja, aus einer wirklich schönen Aussicht auf eine coole Lady samt dämonischer Katze wurde schließlich ein recht langweiliges Abenteuer. Flintlock: Siege of Dawn ist nicht wirklich schlecht, denn man kämpft dynamisch sowie taktisch, bewegt sich akrobatisch und schnell, während sich die Karte immer mehr öffnet und auch in der Vertikalen einige tolle Aussichten zwischen Berg und Tal dabei sind. Hinzu kommt die interessante Ästhetik, in der sich das Napoleonische und Altorientalische, Uniformen und Magie, Schusswaffen und Götter treffen. Aber hier will einfach kein episches Abenteuerflair entstehen. Und das Potenzial der Beziehung zwischen Heldin und Fuchsgott wird leider nicht ausgeschöpft. Man fühlt sich wie auf einem konstruierten Spielplatz, der viel TÜV-gesicherte Kletter- und Kampfoberflächen bietet, aber kaum erzählerische Tiefe oder gar mythische Anziehungskraft, obwohl das Szenario mit seinen Göttern fast danach schreit. Dass das neuseeländische Team nach Ashen ein leichter zugängliches Soulslike machen wollte, ist ja vollkommen okay. Aber eine glaubwürdige Rollenspielwelt braucht mehr lebendigen Alltag, mehr Verschleierung und Rätselhaftigkeit. Deshalb hat mich Flintlock über seine 20 Stunden ernüchtert. Es plätscherte hinsichtlich der Spielroutine ähnlich wie Banishers: Ghosts of New Eden in solider Gewöhnlichkeit vor sich hin, ohne bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Mehr dazu in der Rezension.
+++ SOLIDE ROLLENSPIELE +++
Wizardry: Proving Grounds... (PC, PS4/5, XBS, SW), CRPG
Neben Ultima ist das der Urvater der kommerziellen Computer-Rollenspiele, der eine ganze Generation an Spielern und Entwicklern beeinflusst hat, von Amerika über Europa bis nach Japan - seine Spuren reichen bis zur Soulsreihe. Allerdings kann man nicht jede Faszination aus alter Zeit in die Gegenwart beamen - schon gar nicht in einem Genre, das sich derart vielfältig entwickelt hat. Sprich: Für jemanden, der damit hauptsächlich moderne Rollenspiele wie The Witcher 3, Baldur's Gate 3 oder gar Elden Ring verbindet, dürfte es nach Press Start einen Kulturschock geben, denn man landet in der rundenbasierten Steinzeit der Dungeon-Crawler. Und dort ging es ebenso gnadenlos wie verschlungen zu, man muss geduldig und aufmerskam sein.
Man bewegt seine Sechsergruppe durch spukhafte Korridore mit vielen Geheimnissen, tückischen Illusionen und gemeinen Drehungen. Obwohl es sich nur um 19 x 19 Felder kleine Labyrinthe handelt, kann man sich schon auf der ersten von zehn Etagen verirren und so richtig vermöbelt werden. Man braucht eine effiziente Planung seiner Gruppe und muss die etwa 50 Zauber von Magiern und Priestern clever einsetzen, bevor man die vierte Etage erreicht, in der die Story erst so richtig losgeht. Für dieses Remake hat man nichts an der Schwierigkeit verwässert und das originale Regelwerk übernommen, man kann also nur an der Oberfläche der Stadt speichern. Aber die Steuerung sowie Menüs wurden für das Gamepad optimiert. Ich habe es auf der PS5 gespielt und hatte keine Probleme. Man kann sogar das griftgrüne Raster samt originaler Benutzeroberfläche einblenden, was mir gut gefallen hat.
Ich hätte mir von Digital Eclipse aber ein anderes, und zwar wesentlich düsteres Artdesign als diese recht generisch wirkende sowie teilweise zu bunte Kulisse gewünscht. Sie wird der damaligen Wirkung dieses Spiels, das man ja als ernst, monumental und bedrohlich wahrnahm, nicht gerecht. Also: Wer bei der Erwähnung von The Bard's Tale oder Dungeon Master aufhorcht, heute noch gerne Etrian Odyssey oder Legend of Grimrock spielt und ein historisches Interesse hat, könnte in diesem uralten Verlies durchaus solide unterhalten werden. Mehr dazu in der Breitseite#16.
Banishers: Ghosts of New Eden (PC, PS5, XBS), ARPG
Banishers ist als Action-Rollenspiel hinsichtlich Kampf und Entwicklung, Kombos und Fähigkeiten solide bis gut. Außerdem sieht es ansehnlich aus und die französischen Entwickler von Dontnod können sowohl Charaktere zeichnen als auch Dialoge schreiben. Aber es geht mir ähnlich wie damals in Vampyr von 2018, das ich hier erneut zu schnell eine Routine erlebe als wirklich tiefer in die Welt des Übernatürlichen und des Horrors hineingezogen zu werden. Das liegt zum einen daran, dass man dem Spieler zu früh Schemen und Dämonen, Wölfe und Geister zum Wegkloppen serviert, ohne erstmal langsam Stimmung sowie Ungewissheit aufzubauen. Auch die so genannten Spukermittlungen klingen zwar detektivisch interessant, sind aber so banal, dass die von mir kritisierte Pinnwand aus Alan Wake 2 dagegen wie ein FBI-Examen anmutet. Überhaupt liegen Welten zwischen der Regie dieser beiden Abenteuer.
Und der sehr interessante moralische Konflikt des Helden, nämlich Entscheidungen für oder gegen seine Geliebte, für oder gegen unschuldige Menschen zu treffen, wird zu früh entschärft. Als ich mich einmal entschieden hatte, Antea gegen den Eid wieder zu beleben und quasi Menschen zu opfern, gab es keine Gewissensbisse mehr. So wurden einige im Ansatz gute Rollenspielsituationen mit Konflikten komplett entwertet. Auch die Tatsache, dass Antea als Geist immer in Kämpfen aktivierbar und in Dialogen präsent ist, entwertet das Gefühl einer schmerzhaften Trennung. Es gibt ja Quests, die für Konflikte und Spannung sorgen sollen, aber ich musste nicht einmal so grübeln wie in einem guten Rollenspiel. Letztlich folgte die bekannte Schleife aus Sammelei, Freischaltungen und kompassgesteuertem Joggen von Auftrag zu Auftrag bis zum nächsten Boss. Dabei haben mich die normalen Kämpfe in Wald und Nebel irgendwann genervt. Hier war das Potenzial für mehr da, für atmosphärisch dichte und richtig gute Unterhaltung. Es ist kein wirklich schlechtes Spiel, aber es versinkt leider in solider Gewöhnlichkeit. Mehr dazu in der Breitseite#12.
Sovereign Syndicate (PC), CRPG
Wenn ein Abenteuer mit Zitaten von Oscar Wilde (1854-1900) geschmückt wird und in eine Steampunk-Variante Londons entführt, erwartet man neben erzählerischer Finesse und gesellschaftlichen Abgründen vielleicht Fabelwesen, Luftschiffe und Magie. Sovereign Syndicate bietet all das, verstärkt das viktorianische Flair noch mit Charles Dickens sowie Jack the Ripper und serviert dazu reichlich Gin und Tarot - auch wenn das lediglich ein hübsch designter Ersatz schnöder Würfelproben ist. Zwar plätschert die Story zunächst etwas vor sich hin, man muss wirklich viel lesen, die Kulisse wirkt mitunter steril, die spielerischen Herausforderungen halten sich in Grenzen und es gibt keine takischen Gefechte. Aber das ist ein stimmungsvolles Point&Click-Rollenspiel im Stil von Disco Elysium, mit drei markanten Charakteren, tollen psychologischen Konflikten sowie einem ausgezeichneten Sprachstil. Und wenn man gerade ein Epos wie Baldur's Gate 3 hinter sich hat, das einen über Monate beschäftigte, sind kürzere Abenteuer wie dieses eine willkommene Abwechslung - wobei wir hier immer noch von zwölf bis fünfzehn Stunden solider bis guter Unterhaltung sprechen. Sovereign Syndicate ist eine tolle Premiere für Crimson Herring aus Kanada. Mehr dazu in der Rezension.
+++ GUTE ROLLENSPIELE +++
Warhammer 40k: RogueTrader (PC, PS4/5, XBS), CRPG
Ich habe mich sehr auf dieses isometrische Abenteuer von Owlcat Games gefreut. Nicht nur weil sie bereits mit Pathfinder: Kingmaker (2018) sowie Pathfinder: Wrath of the Righteous (2021) bewiesen haben, dass sie das Genre bereichern können. Sondern auch weil dieses Warhammer tatsächlich das erste klassische Computer-Rollenspiel in diesem ebenso brutalen wie pessimistisch designten Science-Fiction-Universum ist. Der Imperator und seine Space Marines sind quasi ein totalitärer Fels in einer hoffnungslos apokalyptischen Brandung des Chaos, in der die Menschheit von Aliens und übernatürlichen Mächten sowie verfeindeten Fraktionen im Inneren bedroht wird. Genau diese außerirdische Gefahr samt all ihrer mythisch-religiösen Anspielungen und fanatisch geführten Konflikte fängt das Team im Stile eines Baldur's Gate ein, indem es den Helden auf einer Reise ins Ungewisse an den Rand des Universums schickt und dabei eine Reihe illustrer Gefährten an die Seite stellt.
Von den zehn Nichtspieler-Charakteren mit Biografie kann man bis zu fünf in seine Gruppe aufnehmen oder eigene erschaffen. Die Entwicklung der Fähigkeiten mutet manchmal etwas kryptisch an, aber bietet interessante Spezialisierungen und Verstärkungen. Sie alle repräsentieren neben Klassen wie Agent, Soldat, Scharfschütze oder Offizier auch politische Gesinnungen, von der absoluten Treue gegenüber dem Imperium über den Glauben an den Wert des menschlichen Lebens bis zur ketzerischen Hingabe an den Warp sowie seinen psionischen Möglichkeiten. Dafür muss man natürlich viele Dialoge und Hintergründe lesen, aber es ist lobenswert, dass man die deutschen Texte vergrößern kann - auch wenn manches dann leider abgeschnitten wird. Die Konsequenzen der eigenen Handlungen sind nicht so vielfältig wie in einem Baldur's Gate 3, aber angenehm früh spürbar. Und die Dialoge werden nicht so lebendig inszeniert, es gibt so einige statische Szenen. Zudem erkennt man die Charaktere nicht so gut in all ihren Details, weil man nicht so weit hineinzoomen kann, so dass sich die rein visuelle Warhammer-Faszination hinsichtlich der Gestalten und Kreaturen nicht so entfalten kann.
Aber rein erzählerisch und atmosphärisch entsteht eine angenehme Sogwirkung. Obwohl das brutale Universum immer wieder zu rücksichtsloser Gewalt einlädt, kann man so einige Konflikte auch gewaltfrei lösen. Und das war neben der Story schon nach wenigen Stunden ein interessanter Mehrwert für mich, denn rein militärtaktisch kommt dieses Rollenspiel weder an XCOM noch Jagged Alliance 3 heran. Dass ich nach knapp zehn Stunden erstmal pausiert habe, liegt in erster Linie an den recht einseitigen Kämpfen. Die sind auf dem vom Spiel empfohlenen Schwierigkeitsgrad zu leicht, so dass ich einigermaßen erfahrenen Rollenspielern mind. eine Stufe höher empfehlen würde. Wie es taktisch besser geht, haben Complex Games aus Kanada letztes Jahr in Warhammer 40,000: Chaos Gate - Daemonhunters auf dem PC demonstriert. Das klingt jedoch schlimmer als es ist, denn natürlich werden sich gerade Warhammer-Freunde auch über so einige brachiale Kettensägen-Manöver, psionische Kombos sowie unterstützende Befehle freuen, die man auch aus den Tabletop-Schlachten kennt. Hinzu kommen teils variable Missionen und Ziele, so dass es auch im Kampf abwechslungsreich bleibt. Also, das kann schon Laune machen. Gerade aufgrund der Story und Charaktere hat mich dieses Rollenspie richtig gut unterhalten. Mehr dazu in der Breitseite #11.
Dragon's Dogma 2 (PC, PS5, XBS), ARPG
Puh, wenn man ein Rollenspiel so analysiert, kann man manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen. Natürlich lässt sich anhand von Pros und Kontras kein Unterhaltungswert errechnen. Alleine die Tatsache, dass man so viel über seine Abenteuer in diesem Spiel erzählen kann, spricht für die Qualität und auch eine Vielfalt, die über den Kampf gegen Bosse hinaus geht. Innerhalb der Action-Rollenspiele gehört Dragon's Dogma 2 zu jenen, die sowohl das Experimentieren als auch Erkunden belohnen. Und selbst das Beobachten macht Spaß, wenn man in dieser prächtigen Landschaft auf Fabelwesen kolossaler Größe trifft. Mir gefällt das entschleunigte Reisen, ich mag das gediegen mittelalterliche Artdesign, die Farben und das Licht. Und selbst wenn die Vasallen manchmal hyperaktiv sind, mit ihren Kommentaren nerven und ich mehr taktische Befehle vermisse, zeigen sie teils spektakuläres Teamwork. Aber Capcom hätte die stimmungsvollen Ansätze des Abenteuers auf lange Strecke halten und erweitern müssen, was nicht gelingt. In einigen Momenten entsteht gutes Rollenspielflair, aber man fühlt sich oft wie in einer Gruppe mit künstlichen Bots und das Gefühl der Beliebigkeit wird in den Städten verstärkt, wenn man alles plündern und selbst Privaträume bei Nacht betreten kann. Die Königreiche verlieren ihren Reiz als glaubwürdige Mächte, wenn man einfach so zur Herrscherin der Biestren spazieren, sie attackieren und später ohne Konsequenzen als ihr Helfer engagiert werden kann. Und wo sind bloß klassische Dungeons im Stile von Dark Arisen? So sehr ich mich über dieses Spiel freue, muss ich festhalten, dass Capcom nach zwölf Jahren nicht das volle Potenzial ausgeschöpft hat. Auf lange Strecke wiederholt sich vieles, Batthal und das Elbenreich setzen zu wenig eigene Akzente. Die Story läuft zwar auf ein erzählerisch absehbares Finale hinaus, aber es gibt noch eine tolle Überraschung - und meine Spielzeit lag nicht wie im ersten Teil erwartet bei knapp 25, sondern bei 60 bis 70 Stunden. Also lasst euch bloß nicht von der Reise abhalten, denn da wartet nicht nur eine Sphinx, sondern auch ein Action-Rollenspiel, das sich deutlich von der reflexfokussierten Konkurrenz unterscheidet. Ich wurde trotz der Defizite unterm Strich gut unterhalten. Und ich habe das Gefühl, dass sich Capcom den finalen Tusch für die Erweiterung aufgespart hat. Mehr dazu in der Rezension.
The Thaumaturge (PC, PS4/5, XBS), CRPG
Dieses Rollenspiel ist eine akribisch recherchierte Liebeserklärung an das alte Warschau. Und es besitzt eine eigene erzählerische Melodie, die mich in ihrer Ruhe und Bedächtigkeit an die Erzählweise von Romanen des späten 19. Jahrhunderts erinnert hat. Auch hier wird die Biografie eines Helden sowie die Geschichte einer Familie überaus elegant mit den Ereignissen ihrer Zeit verwoben. Aufgrund der gesellschaftlichen Beobachtungen sowie Gedanken Wiktors entsteht eine gemütliche, fast literarische Stimmung, obwohl das Szenario überaus stürmisch ist und so manche Entscheidung brutale Konsequenzen nach sich zieht. Denn im Jahr der russischen Revolution entscheidet man mit seinen Handlungen darüber, welches Schicksal einem selbst, seiner Familie und dem Land blüht. Das ist also keine heroische Einbahnstraße zur Rettung Polens vor dem Zaren, denn am Ende der 20 bis 25 Stunden ist alles an persönlichen und historischen Konsequenzen möglich. Diese Offenheit hat mir ebenso gut gefallen wie die Dialoge, wohingegen mich das rundenbasierte Kampfsystem irgendwann taktisch gelangweilt hat und die thaumaturgische Hinweissuche leider ohne eigenes Kombinieren nahezu automatisch ablief. So wirkte es manchmal, als würde man als okkulter Detektiv auf einer all zu leichten Schnitzeljagd immer direkt zum nächsten Ziel geführt. Es gibt nur englische Sprachausgabe und deutsche Texte, aber ich mag sowohl die Stimme von Wiktor als auch die meisten anderen Sprecher. Trotz der spielerischen Defizite hat sich das Studio von Fool's Theory hier eindeutig entwickelt und nach dem überambitionierten The Days Long Gone ein reiferes Rollenspiel abgeliefert, das mich gut unterhalten hat. Das letzte Abenteuer, das diese eindringliche erzählerische Wirkung auf mich hatte, war das sehr empfehlenswerte Roadwarden von 2022, das übrigens auch aus Polen kommt. Mehr dazu in der Rezension.
Cryptmaster (PC), CRPG
Cryptmaster ist eine überaus kreative Variante eines Dungeon-Crawlers. Es entwickelt sich eine interessante Mischung aus Kreuzworträtsel und Scrabble, aus Kampf und Erkundung. Der gehörnte Nekromant liefert als zwielichtiger Boss der wiederbelebten Truppe ein wunderbares Schauspiel ab. Sein schwarzer Humor und Sarkasmus bereichern dieses schwarzweiße Abenteuer, so dass trotz der finsteren Gewölbe eine lebendige Atmosphäre entsteht. Aufgrund alternativer Lösungen bei der Worteingabe wird sogar eine Illusion von Freiheit erzeugt, so dass man einiges an Unsinn ausprobiert. Sie flaut allerdings nach ein paar Stunden ab, zumal man natürlich die Skripte hinter den schlagfertigen Antworten erkennt. Die Rätsel sind etwas zu leicht, die Kämpfe wiederholen sich und das Finale ist vielleicht zu linear. Aber es ist schön, dass es über die vier Kapitel hinweg meist etwas Neues zu entdecken gibt - vor allem skurille Wesen, die mich an die charmant verrückte Fantasy der 80er erinnern. Ich wurde über knapp zehn Stunden richtig gut unterhalten. Mehr dazu in der Rezension.
+++ SEHR GUTE ROLLENSPIELE +++
Colony Ship (PC), CRPG
Ich hatte nach Baldur's Gate 3 eine längere Genrepause eingelegt. Aber wie das so ist, lässt der Hunger nach Rollenspielen nicht nach. Also folgten bald Warhammer 40k: Rogue Trader und Sovereign Syndicate, die mich beide gut unterhalten konnten. Colony Ship ist visuell spröder, aber erzählerisch nochmal eine Klasse besser. Es webt auf einem Generationenschiff ein ebenso dichtes wie glaubwürdiges Netz aus Konflikten und knüpft an die klassischen Tugenden guter Computer-Rollenspiele an, inklusive feiner Charakterentwicklung, taktischer Kämpfe und einer Gruppe an Gefährten. Zwar erreicht die Inszenierung der Gefechte sowie der Spielwelt nicht die Lebendigkeit eines Wasteland 3, aber wer außergewöhnlich erzählte Science-Fiction sucht, in der man glaubwürdige Konflikte über Dialoge lösen und eine Geschichte spürbar beeinflussen kann, der sollte das Ticket auf dem Colony Ship buchen. Acht Jahre nach The Age of Decadence präsentieren die Iron Tower Studios ein weiteres Rollenspiel, das ich als besonders wertvoll bezeichnen würde. Mehr dazu in der Rezension.
Drova (PC, PS4/5, XBS), ARPG
Herzlichen Glückwunsch an Just2D aus Magdeburg! Drova ist das erste sehr gute Rollenspiel aus einheimischer Entwicklung seit Gothic 2. Vielleicht scheint dieses Vorbild manchmal zu offensichtlich durch. Aber das ist eine überaus charmante Hommage an den Klassiker, die mit eigenen Ideen etwas kreatives Neues erschafft. Allerdings hätte man beim Figurenverhalten sowie dem Diebstahlsystem noch konsequenter sein können, außerdem wirkt das Kampfsystem nicht ganz ausgereift und man merkt, dass wohl einiges gestrichen wurde. Trotzdem erlebt man über 35 bis 50 Stunden ein Abenteuer mit hoher Sogwirkung in einer keltisch angehauchten Fantasywelt, in der nicht esoterisch geschwafelt, sondern Tacheles geredet und ordentlich Abreibungen verteilt werden. Und gerade weil ich es direkt nach Dragon Age: The Veilguard gespielt habe, fielen die Unterschiede im Spielgefühl umso mehr ins Gewicht. In dieser Pixelkulisse flattern die Haare zwar nicht so schön wie bei BioWare, aber man begegnet schon nach einer Stunde mehr klassischen Rollenspieltugenden als dort nach zwanzig. Zu einem guten Abenteuer gehört das Grübeln und das Nachdenken ebenso wie das Scheitern und Verirren. Hier gleitet man nicht auf Schienen ins Finale, sondern arbeitet sich langsam durch eine labyrinthische Landschaft vor, mit einigen Rückschlägen und bösen Überraschungen, aber aufgrund der vielen Geheimnisse und kleinen Schätze so motiviert wie ein Hobbit auf dem Weg durch ein bedrohtes Numenor. Und selbst das Schicksal dieser Anderwelt kann man mit der Wahl einer der beiden Fraktionen sowie seinen Entscheidungen beeinflussen. Zwar läuft das Spiel auf der PS5 nicht ganz flüssig, aber mir sind kaum Bugs begegnet. Ich bedanke mich für dieses feine Rollenspiel und wünsche dem Team viel Erfolg. Mehr dazu in der Rezension.
SKALD: Against the Black Priory (PC), CRPG
Was für eine dichte Atmosphäre, was für eine tolle Geschichte! Das hier, werte Abenteurer, ist hervorragende Handarbeit für Freunde klassischer Rollenspiele. Ich habe mich in den letzten Jahren in recht viele davon gestürzt und kann nur meinen Hut ziehen, denn Skald ist nicht weniger als eines der besten seiner Art. Das Besondere ist, dass es zwar so aussieht und sich spielerisch so präsentiert wie eine Mischung aus Ultima und Pool of Radiance, aber dass es sich tatsächlich sehr modern anfühlt. Aufgrund der tollen Erzählweise sowie der dichten Atmosphäre ist es für mich ganz nah dran an einem Baldur's Gate 3. Denn was mich besonders freut ist, dass man in diesem Abenteuer auch das angenehme Gefühl hat, dass da jemand mit der Leidenschaft und Hingabe eines Pen&Paper-Spielleiters die Regie geführt hat. Daher überrascht es mich nicht, dass auch Sven Wincke dieses Spiel von Anders Lauridsen mag. Skald: Against the Black Priory ist ein Schatz für Rollenspieler, der mich über 25 Stunden sehr gut bis ausgezeichnet unterhalten hat. Mehr dazu in der Rezension.
+++ AUSGEZEICHNETE ROLLENSPIELE +++
Elden Ring: Shadow of Erdtree (PC, PS4/5, XBS), ARPG
Shadow of Erdtree ist keine Erweiterung, sondern die meisterhafte Vollendung von Elden Ring. FromSoftware hat sich hinsichtlich des Welt- und Leveldesigns selbst übertroffen, schließt erzählerische Lücken und verdichtet ein mythologisches Mosaik mit Gestalten und Mächten, über die man noch viele Jahre so sprechen wird, als würde es um eine Parallelwelt gehen. Ich habe mich über die 40 Stunden gefühlt wie auf einer archäologischen Schnitzeljagd, jeden Fund und seine Beschreibung gelesen und mich über die Handlungsstränge der Nebencharaktere gefreut. Diese Erweiterung bietet viele ruhige Passagen und inszeniert ein angenehm entspanntes Abenteuer, voller Rätselflair und versteckter Reiserouten in einer wunderbaren Fantasy-Landschaft. Natürlich ist da viel Kampf, viel Schweiß und Tod im Angesicht teils fürchterlicher Bosse. Aber man muss sie nicht alle besiegen, man kann seine Route frei wählen und es gibt viele interne Hilfen sowie Möglichkeiten der Unterstützung. Man wird natürlich dazu animiert, seine Taktiken und seinen Charakter flexibel anzupassen, indem man die mit Bedacht integrierten neuen Waffen, Talismane und Fähigkeiten einsetzt. Wenn man hier einen Dungeon meistert oder mit letzter Kraft aus einer Arena taumelt, ist man einfach unfassbar froh. Aber nicht nur, weil man siegreich war, sondern weil da noch so viel Unentdecktes in einem der besten Action-Rollenspiele aller Zeiten wartet. Es hat mich jeden Abend eingeladen, hinter den Vorhang zu treten und einen weiteren Schritt in dieses verfluchte Reich mit einer verflixt faszinierenden Mythologie zu wagen. Und dafür liebe ich Videospiele. Mehr dazu in der Rezension.
PS: Damit die Diskussion an einer Stelle gebündelt wird, kann man nicht hier, sondern nur im Forum unter Kommentare zu Berichten kommentieren.
Comments