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AutorenbildJörg Luibl

Rezension: Drova (PC, PS4/5, XBS)

Nach Gothic 2 aus dem Jahr 2002 konnte mich kein Rollenspiel aus Deutschland mehr begeistern. Piranha Bytes versank im Mittelmaß, kein Studio knüpfte an dieses spezielle Abenteuergefühl an und die Fackel erlosch. Jetzt bedeutet Drova im Ukrainischen tatsächlich Brennholz. Und siehe da: Nach über zwanzig Jahren wird endlich wieder ein kleines einheimisches Feuer entfacht.





Death Trash lässt grüßen


Wobei ich zunächst einschränken muss, dass es im Bereich der Action- und Taktik-Rollenspiele von The Surge 2 bis Shadow Tactics durchaus gute bis sehr gute Unterhaltung von hiesigen Studios gab. Auch Death Trash von Stephan Hövelbrinks hat mir in der frühen Version schon Spaß gemacht. Sein abgefahrenes Science-Fiction-Abenteuer befindet sich noch im Early Access und soll Ende 2025 erscheinen; mehr dazu in dieser Vorschau.


Es hat jedenfalls mit seinem Pixel-Artdesign in schräger Draufsicht, den Kämpfen in Echtzeit sowie dem Rückgriff auf klassische Tugenden einiges mit Drova gemeinsam. Beide Spiele sind Teil einer weltweiten Strömung von Rollenspiel-Enthusiasten, die sich an Klassikern des Genres orientieren und oftmals einen Kontrapunkt zur seichten Action mit Navigationssystem setzen wollen. Beispielhaft seien Colony Ship, SKALD oder Broken Roads genannt.


Die Charaktererschaffung kann zwar nicht ganz mit Dragon Age: The Veilguard mithalten...

Als ich kürzlich in Dragon Age: The Veilguard unterwegs war, fühlte sich das so an, als würde ich auf Schienen ins Finale gleiten. Es hat mich erst im letzten Drittel zum Nachdenken gebracht, während in Drova nach wenigen Minuten das Grübeln beginnt. Dieses 2D-Rollenspiel hat weniger schöne Haare und andere Defizite, aber es bietet viele Interaktionen, versteckte Areale und böse Konsequenzen, so dass es angenehm dynamisch und gefährlich wirkt.


Über Stock und Stein


Zu einem guten Abenteuer gehört das Nachdenken ebenso wie die Überraschung. Ich möchte nicht nur sehen und einsacken, sondern etwas finden und mich fragen, was es damit auf sich hat. In Drova steht man vor einem riesigen Monolithen samt Opferbrunnen und grübelt, was man da bloß reinwerfen soll. Kurz darauf hört man aus dem Gebüsch ein tiefkehliges Knurren, wird von einer Bestie angegriffen, flieht und verliert den Weg aus den Augen.


Weil Drova nicht direkt mit dem Spielstart all die Rettungsanker von der Karte samt Teleport sowie Questmarkern auswirft, entsteht hier öfter die so wichtige Spannung des Augenblicks. Auch wenn es klar erkennbare Wege gibt, ist man nur relativ sicher und schon wenige Meter in der Wildnis absolut gefährdet. Vielleicht wird man überfallen, vielleicht verirrt man sich, aber vielleicht entdeckt man in der Wildnis ein uraltes Artefakt. Es gibt immer wieder Licht in Form von Belohnung und Fortschritt.


...aber das Abenteuergefühl ist hier wesentlich stärker.

Drova ist kein knallharter Kampfzirkus der tausend Tode. Aber es sorgt von Beginn an dafür, dass man als Spieler aufmerksam ist, zumal es viele Konsequenzen gibt. Das fängt bei Kleinigkeiten an, dass man seine Waffe aktiv ziehen muss oder dass eine Fackel für Licht sorgt und beim Fallen lassen im Wasser erlischt. Man streichelt einen Hund und der klaut einem Fleisch. Man gibt einer Katze einen Fisch und sie scheint einen irgendwo hin führen zu wollen...zu einem Schatz oder ins Verderben?


Aber das Highlight ist der Beobachtungsmodus, den man auf Knopfdruck aktivieren kann. So kann man z.B. am oben erwähnten Monolithen eine Inschrift entziffern, in einem Gebäude einen geheimen Schalter aktivieren, ein getarntes Monster offenbaren oder Fußspuren entdecken. Das erinnert ein wenig an die Recherche aus The Witcher 3, aber hier ist sie nicht so offensichtlich und vielfältiger in ihren Anwendungen sowie Ergebnissen.


Auf den Spuren von Gothic


Was ich damit sagen will: Ich folge keinen Questmarkern, sondern meinen eigenen Entdeckungen sowie Instinkten. Ich werde mal belohnt, mal bestraft, ich kämpfe und grüble, fühle mich frei und gefordert. Das klingt alles so banal, zumal es in der Geschichte der Rollenspiele wahrlich nichts Neues ist. Aber diese Art von Spieldesign ging ein wenig verloren und wurde von Enthusiasten restauriert, zu denen auch die Larian Studios mit Baldur's Gate 3 gehören.


Und die Belgier starteten im Jahr 1996 mit einer ähnlichen Motivation wie Stephan Hövelbrinks oder die sechs Informatik-Studenten aus Magdeburg. Sowohl das eingangs erwähnte Death Trash als auch Drova sind eine kreative Hommage an einen Meilenstein dieses Genres. Doch sie kopieren diesen nicht einfach, sondern knüpfen an, fügen eigene Ideen hinzu und sorgen damit für eine kreative Weiterentwicklung im Sinne der prägenden Klassiker.


Recht hat sie!

Bei Death Trash ist es ebenso wie kürzlich in Broken Roads das erste Fallout von 1997. Das diente schon häufiger als Vorlage und war ja selbst ein Nachfolger im Geiste von Wasteland aus dem Jahr 1988. Drova orientiert sich hingegen am weniger oft nachgeahmten Gothic aus dem Jahr 2001, das nicht nur hinsichtlich des Figurenverhaltens innovative Zeichen setzen konnte - ich gehe darauf ausführlich im Gespräch mit Eike ein: Über Piranha Bytes, Gothic, Risen & Elex.


Das Studio Just2D orientiert sich in seiner keltisch angehauchten Fantasy allerdings so deutlich an diesem großen Abenteuer, dass es sich wie ein Seelenverwandter anfühlt - nur dass der kumpelhafte Mentor hier nicht Diego, sondern Cengiz heißt. Und dass man zur Entspannung kein Sumpfkraut, sondern Rostmoos raucht. Vielleicht ist das an der einen oder anderen Stelle etwas zu viel, aber es wirkte auf mich eher charmant als penetrant.


Das etwas andere Avalon


Auch das Szenario weckt ja sofort Erinnerungen: Kaum folgt man im Einstieg zwei Druiden aus Neugier in einen Wald, öffnet sich ein Portal und man landet in einer Anderwelt. Die gleicht angesichts ihrer Monster und Gefahren allerdings eher einem Gefängnis. Zwar gibt es hinter der Pforte so etwas wie Magie und göttliche Apfelbäume, aber man erkundet weder ein verwunschen schönes Avalon noch ein glorreiches Numenor.


Statt lieblicher Feen, weiser Elben oder strahlender Ritter begegnet man einer ebenso rauen wie lebensfeindlichen Wildnis mit Ruinen und Zeichen von Verfall. Sie wird an ihren Rändern von einem dämonisch wabernden Nebel bedroht und Monster hausen in Sumpf und Wald. Es gibt nur kleine Inseln der Zivilisation und zwei Fraktionen herrschen von ihren Hauptquartieren aus mit eigenen Weltanschauungen sowie Zielen. Wo ist man bloß gelandet?


Den Kristall soll man nach Nemeton bringen.

Nachdem die beiden unfreiwilligen Reiseführer tot sind, steht man als ahnungloser Neuankömmling in dieser mephitischen Pampa. Hinsichtlich der Story ist das eher ein Kaltstart: Man hat keinerlei Biografie, keinerlei Bezug zu seiner alten Heimat, es gibt keine inneren Monologe und man wird als Fremder oder Reisender wahrgenommen - was anscheinend schon häufiger vorkam.


Die beiden toten Druiden konnten einem immerhin noch einen roten Kristall mit Runen übergeben, der so wichtig ist, dass man ihn wiederum den Druiden in Nemeton bringen soll. Das ist die erste Quest, die bereits einige Fragen aufwirft. Und zwar zu den Hintergründen dieser Fantasywelt und ihrem keltisch angehauchten Szenario. Zwar weiß der eine oder andere Freund der Kelten vielleicht, dass ein Nemeton in ihrer Kultur ein heiliger Hain war...


Was und wo ist Nemeton?


...über ganz Europa verstreut finden sich Spuren dieses Namens, von Schottland über Spanien bis in die Türkei, wo die keltischen Galater mal ein Reich hatten. Und es gibt über Nemeton auch eine Verbindung ins Rheinland: Caesar erwähnt den Stamm der Nemeter als einen Teil der Invasoren, die mit dem germanischen Heerführer Ariovist nach Gallien einfielen. Ihr Name ist jedoch ebenso keltisch wie ihre Göttin Nemetona, die man von England bis Trier in Inschriften nachgewiesen hat.


Aber erstens geht es in Drova nicht um die historischen Kelten, sondern um Fantasy, sonst würden die Leute nicht Boris, Babsi, Eumel oder Mottek heißen. Alleine diese Namen dürften Keltologen einen kalten Schauer über den Rücken jagen. Ich empfand sie manchmal als zu plump und wild gemischt, gerade weil man auch mal einen Kilian oder Owain trifft. Andererseits sorgen sie für eine gewisse Erdung abseits von heroischem Pathos, was wiederum zur allgemein rauen Tonalität sowie dem Vorbild Gothic passt.


Bei Trainern kann man seine Werte verbessern.

Und zweitens hilft einem mythologisches Wissen als Rollenspieler bekanntlich weniger als ein gutes Schwert oder eine präzise Karte. Zunächst hat man weder das eine noch das andere. Alles bei Händlern ist unfassbar teuer und man hat selbst kein Handwerk erlernt, um z.B. Felle abzuziehen oder Tränke zu brauen. Nach der kurzen Charaktererschaffung, in der man keine Klasse wählt, sondern lediglich Stärke, Geschick und Geist etwas aufwertet sowie à la Dark Souls ein Andenken wählt, kann man jedoch theoretisch überall hin, denn die Welt ist offen angelegt. Warum also nicht den direkten Weg nach Nemeton einschlagen, das irgendwo im Osten hinter den Sümpfen liegen soll? Dort einfach diesen roten Kristall abgeben, die Belohnung einsacken und weiter! Tja, so leicht ist das nicht.


Labyrinthische Landschaft


Denn die Landschaft gleicht einem Irrgarten aus Hügeln, Sümpfen und Wäldern, der einen all zu forschen Wanderer unverhofft in ungemütliche Areale führen kann. Auf der Flucht vor einem Monster sprang ich eine Klippe hinab, nur um dort zwischen Tümpeln von einem mehrkehligen Fauchen begrüßt zu werden. Ich entkam deshalb nicht so leicht, weil man nicht klettern oder schwimmen, sondern lediglich an markierten Stellen hinab steigen kann.


Sprich: Einmal irgendwo unten angekommen, kann man sich nicht umdrehen und wieder hinauf oder sich mal eben in eine Taverne beamen. Außerdem wird man so manche Route mehrmals gehen und an bekannte Orte zurückkehren müssen, weil man erst später genug Kampfkraft oder Talente entwickelt hat, um dort zu bestehen und die Schätze zu bergen. Man braucht also einiges an Geduld, zumal es keine Pferde und erst spät eine Art magische Fortbewegung gibt.


Ups, was ist das für ein Monster hinten?

Aber keine Bange: Die Welt ist rein geografisch nicht all zu groß und die eigene Figur ist auf den Wegen durchaus flott unterwegs. Außerdem gibt es automatisches und manuelles Speichern. Wie gesagt gibt es weder eine Minimap noch Zielmarkierungen, sondern wie in Morrowind nur Ortsschilder. Umso größer ist die Freude, wenn man die erste von mehreren Karten erhält, die jedoch nur vage Landschaftsmarken und eine lange Straße anzeigt.


Folgt man dem Weg nach Westen, kommt man in das Holzfällerlager, das so etwas wie die neutrale Mitte zwischen den beiden politischen Fraktionen darstellt. Hier findet man aufgrund einer zerstörten Brücke aber keinen direkten Weg nach Nemeton, dafür eine weitere Aufgabe: Holz und Arbeiter für die Reparatur beschaffen. Hier lernt man dann oben erwähnten Cengiz als Anführer, dazu die ersten Lektionen und Trainer, das Echtzeit-Kampfsystem, das Questdesign sowie das an Gothic angelehnte Figurenverhalten kennen.


Tolles Figurenverhalten


Es hat mich gefreut, dass einige der Reaktionen hier ein Comeback feiern. Wenn ich z.B. ein fremdes Zelt oder private Bereiche betrete, werde ich scharf zurechtgewiesen und die Besitzer zücken meist umgehend Waffen. Zwar gibt es Inkonsequenzen, wenn etwa auf eine von mir gezogene Waffe nicht reagiert wird. Oder wenn ich trotz klarer Warnung von Cengiz einige Viecher in das Lager locke, sie von den Wachen vernichtet werden, aber ich keinen Anschiss dafür bekomme - und sie auch noch ausbeuten darf, obwohl ich tatenlos zusah. Das ist schade.


Aber natürlich nimmt man diese Geschenke gerne an, auch später kann man ganze Horden in Wachen locken und davon profitieren. In Gothic 3 konnte man das Spiel genau damit insofern zerstören, als dass überaus lächerliche Situationen entstanden und auch Questgeber dabei starben. Das ist mir hier allerdings nicht passiert, denn egal ob in einem Lager oder auf der Straße: die Wachen waren meist deutlich stärker als die Monster. Außerdem wird in vielen anderen Situationen toll reagiert.



Hurra, eine Karte!

Als ich die Übungen mit Schwert und Schild einfach abbrach, haben mich die Trainer angeschnauzt und wollten nicht mehr mit mir sprechen. Als ich in der geklauten Rüstung frech vor den Besitzer trete, spricht er mich direkt darauf an und macht mich fertig. Und die Leute merken sich Details: Wer sich an einer gewissen Anzahl an Zutaten bedienen darf, um damit Mahlzeiten zu kochen, aber in seiner Gier mehr aus der Kiste nimmt als abgesprochen war, wird damit nicht durchkommen.


Leider ist es nur in der Theorie schön, dass man nicht alles einfach stehlen kann. Alles, was tabu ist, ist rot markiert und das Klauen wird bestraft. Allerdings kann man dieses Diebstahlsystem in der Praxis leicht umgehen, wenn die Leute keinen Blick-Kontakt haben bzw. aufgrund des Tag-und-Nachtzyklus gar nicht vor Ort sind. So kann man sich komplett an Marktständen bereichern, zumal die gestohlene Ware nicht als solche im Inventar markiert wird und man im Nachhinein weder ertappt noch verfolgt wird.


Und obwohl es die Fähigkeit des Schlösser Knackens sowie Dietriche gibt, ist Drova ohnehin kein Abenteuer für passionierte Diebe, die auf leisen Sohlen oder hinterhältig loslegen wollen, zumal es kein Schleichen gibt. Es scheint fast so, als hätte man das ursprünglich geplant, denn man kann ja in die Hocke gehen. Aber aus dieser geduckten Haltung heraus ist leider keine Bewegung möglich. Ich will die Erwartung an dieses kleine Rollenspiel nicht zu hoch schrauben, vor allem nicht hinsichtlich der möglichen Spielarten, aber zumindest beim Diebstahlsystem hätte man konsequenter sein müssen.


Tacheles bis zur Kopfnuss


Natürlich kann man sich als Rollenspieler einfach zurückhalten, aber der teils brutale und korrupte Alltag von Drova ermutigt ja dazu, auch so zu spielen, so dass diese Brüche auffallen. Was die Vergangenheit angeht, werden manchmal Ereignisse und Helden erwähnt, außerdem entwickelt sich die Geschichte im Laufe der Kapitel, aber die Zusammenhänge der Welt und ihrer Protagonisten bleiben lange Zeit nebulös.


Trotzdem machen Begriffe wie "Der Rote Turm" neugierig und man bekommt durchaus Lust, mehr zu erfahren. Zu den Stärken der Dialoge gehört, dass man nicht einfach alles an Antworten durchklickt, sondern wirklich auf Andeutungen achtet. Wer einfach jedem folgt, der Schätze und Belohnungen verspricht, wird böse Überraschungen erleben.


Wohin führt die Blutspur?

Und man hört besser genauer hin, was die Leute mit mehr Erfahrung zu sagen haben - wenn sie überhaupt mit einem sprechen wollen, denn manche rümpfen beim Anblick der martialischen Armseligkeit nur die Nase. Sie begrüßen einen nicht wie den kommenden Helden oder gar höflich zuvorkommend, sondern wie genervte Veteranen mit recht kurzer Lunte.


In den Dialogen wird bärbeißig Tacheles geredet, höhnisch gelacht und ganz nebenbei auf den Boden gespuckt. So richtig heilig scheint in dieser Anderwelt nichts zu sein, viele Altäre und Statuen sind verwittert, und die meisten sind eher mit dem Überleben, Saufen oder Anhäufen von Reichtum als der Mythologie dahinter beschäftigt. Zwar kann sich die Tonalität je nach Lager und Person ändern, aber diese Stimmung erinnert ebenfalls an Gothic.


Mal ein paar Pfeile schnitzen.

Die deutschen Texte sind nicht vertont, es gibt ein, zwei Fehlerchen und auf lange Sicht einige Wiederholungen in den Formulierungen. Außerdem erreichen sie nicht die Qualität eines Citizen Sleeper oder Colony Ship. Aber sie sind kurzweilig und unterhaltsam, bieten dazu einige köstliche Höhepunkte, wenn Situationen eskalieren. Sehr schön ist übrigens, dass man die Texte in drei Größen anpassen kann.


Zwar sind die Gespräche nicht besonders verschachtelt und es gibt keine rhetorischen Talente oder Fertigkeitsproben. Aber man hat öfter die Wahl zwischen mehreren Antworten und bekommt meist direkt Konsequenzen zu spüren. Als ich einen seltsamen Kauz dreimal nachäffte, vermöbelte er mich so richtig, die anderen feuerten ihn auch noch an - da lag ich also, er kniete nieder und raubte mich aus. Falls man jedoch wie ein Barde zur Laute greift, bekommt man Trinkgeld.


Ruinenlager und Nemeton


Nach einiger Zeit erfährt man mehr über die zwei Fraktionen und ihre Kultur, so dass man ein Gefühl für die politische Gegenwart bekommt. In der gibt es auch kleinere Gruppierungen mit eigenen Interessen samt einiger toller Nebenquests, aber man kann sich nur einer von zwei großen Fraktionen anschließen.


Dafür muss man sich jedoch in mehrstufigen Quests als würdig erweisen und kann bis dahin bestimmte Bereiche ihrer Hauptquartiere nicht betreten. Auch das kennt man woher? Richtig, aus Gothic. Bevor man sich für ein Lager entscheidet, um im Laufe der 35 bis 50 Stunden eines von mehreren Enden einzuleiten, hat man also genug Zeit, ihre Gesellschaft beim Hocharbeiten besser kennen zu lernen.


Im Ruinenlager gibt es einen Markt.

Die Leute aus dem Ruinenlager wollen Drova verlassen, haben jeglichen Glauben an Götter verloren und leben nach ihren eigenen, eher eigennützigen und teils skrupellosen Regeln. Sie sehen wie Legionäre und Söldner aus, in einer Arena wird auf Kämpfer gewettet, in den Minen werden Arbeiter ausgebeutet. Aber man kann hier seinen derben Spaß haben und eine bemerkenswerte Sauftour mit einem der beiden Anführer erleben. Außerdem gibt es hier nicht nur böse Überraschungen und Soziopathen, sondern auch tolle Geheimnisse.


Die Leute aus Nemeton wollen Drova im Sinne der Götter wieder aufbauen und die Natur gegen den dämonischen Verfall schützen, indem sie alte Runensteine aktivieren und eine schützenden Palisade errichten. Sie tragen andere Rüstungen, sind freundlicher, Kinder spielen und Leute pflanzen Gärten. Sie folgen nicht in erster Linie dem Recht des Stärkeren, sondern der Tradition und Gesetzen. Allerdings können sie genauso gnadenlos sein, so dass man das moralisch Gute und Böse nicht so einfach mit den Lagern gleichsetzen kann, wie es auf den ersten Blick scheint.


In Nemeton wird das heilige Feuer geehrt.


Quests und Erkundung


Aber wie gesagt: Bevor man sich entscheidet, hat man genug Zeit und es gibt Quests, die einen zwischen den Lagern pendeln lassen. Man wird von allen gewarnt, dass man auf den Wegen bleiben soll. Denn selbst wenn man etwas besser gerüstet und bewaffnet ist, kann man in der Wildnis schnell den Tod finden und wird von Reißern oder Blutfliegen, Bären und Keilern oder anderen Monstern in null Komma nichts getötet.


Wer Mut hat und clever erkundet, kann dort aber auch belohnt werden, wenn er den Eingang zu einer Höhle oder bei einer Leiche am Wegesrand vielleicht einen Ring findet, der aufgrund seiner Inschrift zu einer weiteren Quest führt. Aber wer kennt bloß diesen Toten? Es gibt auch kleinere Rätsel: Man trifft auf Monumente, die man nach dem Hinweis über die Gottheit mit dem richtigen Opfer aktivieren kann, so dass sie plötzlich glimmen.


Gesetzesbrüche haben Konsequenzen...

Selbst eine einfache Rattenplage oder ein gewöhnliches Besäufnis führt in diesem Spiel zu einer Überraschung, darunter geheime Gänge oder versteckte Beute. Und wie in der Artuslegende kann man tatsächlich ein Schwert in einem Stein finden. Nur kann man es vielleicht nicht rausziehen, weil einem das Talent fehlt. Jetzt müsste man auf der Karte den Ort markieren können, aber hat keine Tinte - verflixt!


Zwar gibt es innerhalb der Quests auch einiges an Holen und Bringen der Marke zehn Holz, zehn Fleisch & Co abliefern. Aber auch die Tageszeit und sogar Pünktlichkeit ist relevant: Einmal soll man einen Dieb ausfindig machen, der Obst aus einem der Vorratslöcher in der Nähe stiehlt. Allerdings ist er nur in der Dunkelheit aktiv, also legt man sich aufs Ohr und spult die Zeit vor. Ein andernmal soll man etwas schnell abliefern oder sich rechtzeitig melden.


Einige Quests lassen sich zudem durch geschickte Recherche ohne Gewalt lösen. Und es gibt schöne Überraschungen, wenn man den Menschen in Drova hilft. Als ich mit einem Begleiter unterwegs war und mal wieder vorschnell große Klappe hatte, als Banditen einen Wegezoll forderten, mussten wir quasi doppelt zahlen - helfe ich aber danach dem verärgerten Begleiter finanziell aus, bringt er mir sofort den Erzabbau bei.


Autsch, da lieg ich im Dreck...

Apropos Rohstoffe: Es gibt neben Eisen, Silber & Co zig Zutaten von tierischen Überresten bis hin zu diversen Blumen und Kräutern, um an Lagerfeuern, Werkbänken und Brennöfen etwas herzustellen - allerdings kann man weder Waffen noch Rüstungen schmieden. In der Regel benötigt für alles Rezepte und kann Heilsalben, Mahlzeiten, Fallen oder Pfeile irgendwann selber herstellen. Die Minispiele wie etwa beim Erzabbau mit dem Reaktionstest kann man deaktivieren.


Taktische Kämpfe


Zwar kann man im letzten Drittel tatsächlich wie ein keltischer Held in legendärer Rüstung austeilen und sich durch Monster metzeln. Aber man beginnt dieses Spiel ähnlich schwach wie anno dazumal der Namenlose in Gothic. Man hat nur einen Knüppel, keine Rüstung und kümmerliche Werte in Stärke, Geschick sowie Geist, die zusammen die Kampfkraft ergeben. Nur wenn sie bestimmte Werte erreicht, kann man bessere Waffen überhaupt führen.


Wer sich auf seine Hand-Auge-Koordination verlassend ins Gebüsch stürzt, um mit Attacke und Ausweichen zu glänzen, wird auch die grüne Ausdauerleiste bemerken, bevor er zerfleischt und zerstochen wird. Man kann also nicht endlos nach hinten hüpfen und in der Regel ist die Flucht in diesen Situationen die beste Lösung, im Idealfall mit Monstern im Schlepptau in Richtung Wachen - aber manchmal verziehen sie sich auch.


Das Tagebuch mit Quests füllt sich.

Die Kämpfe sind nicht auf die Schnelligkeit und Kombosalven eines Hack'n Slays angelegt, es entsteht kein derartiger Flow. Sie verlangen einiges an Positionstaktik, also Hin und Her plus Attacke. Man kann die Haltung des Feindes brechen, so dass er kurze Zeit wehrlos ist; es gibt auch Blutungen und Vergiftungen. Man muss seine Ausdauer und die Abstände berücksichtigen, wobei es auch mal sprunghaft chaotisch werden kann.


Wichtig ist die weiße Fokusleiste, die sich bei jedem eigenen Treffer auflädt und irgendwann die Marke für einen der Spezialangriffe vom Tritt bis zum mächtigen Hieb oder Zauber erreicht. Angehende Magier müssen sich allerdings gedulden, denn zunächst findet man nur direkt verbrauchbare Schriftrollen. Aber irgendweann kann man einiges erlernen, seinen Fokus deutlich erweitern und mit arkanen Zaubern aus der Distanz austeilen.


Die Abwehr mit einem Schild, einen effizienten Konter oder diese Spezialangriffe kann man deutlich früher lernen. Man ist also auf Trainer angewiesen, um seine Kampfkraft und Talente langsam zu entwickeln. Das erfordert viel Geduld, aber das Schöne ist, dass sich diese Investitionen in Stärke & Co spürbar auswirken, indem man mehr Schaden verursacht. Nur darf man sich nicht zu früh zu viel darauf einbilden.


So richtig freundlich wird man nicht begrüßt.

Wer eine Wache blöd anpöbelt, wird auch nach zig Stunden fertig gemacht. Selbst wer sich mit zwei Leuten verbündet, wird sich wundern. Von der Arena ganz zu schweigen, wo man selbst als Veteran nach zwei Hieben im Sand liegt. Man wird nicht immer sofort getötet, sondern zahlt im wahrsten Sinne des Wortes sein Lehrgeld. Aber wer sich mit Geduld entwickelt und gestärkt zurückkehrt, kann siegreich sein.


Allerdings wirken die Waffentypen nicht ganz ausgereift. So richtig warm wurde ich weder mit Schwert und Schild noch Speeren oder Dolchen, so dass ich mich irgendwann auf die Wucht und den breiten Radius der Axt konzentriert habe. Zwar gibt es auch die Schleuder oder den Bogen für den Fernkampf, aber beide brauchen etwas Zeit in der Vorbereitung, dienen eher der Unterstützung und die Pfeile mit Eisenspitze sind zwar sehr wirkungsvoll, aber überaus kostbar.


Kulisse und Technik


Zum Schluss noch ein Wort zur Präsentation. Natürlich kann dieser reduzierte Pixelstil nicht die figürliche und landschaftliche Präsenz einer 3D-Welt erzeugen, so dass die visuelle Sogwirkung und auch die situative Spannung in Gefechten geringer ausfällt. Aber mir gefällt das Artdesign sowie die Farbgebung von Drova, und es gibt einige nette Effekte von der Spiegelung im Wasser bis zum wabernden Nebel.


Zwar wiederholt sich einiges wie etwa die Höhlen, aber hier wirkt nichts künstlich und die Landschaft hinterlässt mit ihren dahin hüpfenden Fröschen sowie dem Tag- und Nachtwechsel einen lebendigen Eindruck. Außerdem wird man immer wieder visuell überrascht, von Kleinigkeiten wie Blutspuren oder Skeletten am Wegesrand, außerdem ist das Kreaturendesign von der lästigen Blutfliege bis zum Boss à la Grendel gelungen.


Hilfe, wo bin ich gelandet?

Je länger ich in der Welt unterwegs war, desto weniger habe ich eine 3D-Kulisse vermisst. Ihr könnt übrigens aus zwei Perspektiven wählen, darunter eine fernere, in der alles etwas schärfer aussieht. Ich habe im normalen von drei Spielmodi auf der PS5 gespielt, auf der es leider nicht flüssig lief. Das hat sich immerhin nicht auf die Kämpfe ausgewirkt, da es meist nur beim Wandern in regelmäßigen Abständen stockte.



FAZIT


Herzlichen Glückwunsch an Just2D aus Magdeburg! Drova ist das erste sehr gute Rollenspiel aus einheimischer Entwicklung seit Gothic 2. Vielleicht scheint dieses Vorbild manchmal zu offensichtlich durch. Aber das ist eine überaus charmante Hommage an den Klassiker, die mit eigenen Ideen etwas kreatives Neues erschafft. Allerdings hätte man beim Figurenverhalten sowie dem Diebstahlsystem noch konsequenter sein können, außerdem wirkt das Kampfsystem nicht ganz ausgereift und man merkt, dass wohl einiges gestrichen wurde. Trotzdem erlebt über 35 bis 50 Stunden ein Abenteuer mit hoher Sogwirkung in einer keltisch angehauchten Fantasywelt, in der nicht esoterisch geschwafelt, sondern Tacheles geredet und ordentlich Abreibungen verteilt werden. Und gerade weil ich es direkt nach Dragon Age: The Veilguard gespielt habe, fielen die Unterschiede im Spielgefühl umso mehr ins Gewicht. In dieser Pixelkulisse flattern die Haare zwar nicht so schön wie bei BioWare, aber man begegnet schon nach einer Stunde mehr klassischen Rollenspieltugenden als dort nach zwanzig. Zu einem guten Abenteuer gehört das Grübeln und das Nachdenken ebenso wie das Scheitern und Verirren. Hier gleitet man nicht auf Schienen ins Finale, sondern arbeitet sich langsam durch eine labyrinthische Landschaft vor, mit einigen Rückschlägen und bösen Überraschungen, aber aufgrund der vielen Geheimnisse und kleinen Schätze so motiviert wie ein Hobbit auf dem Weg durch ein bedrohtes Numenor. Und selbst das Schicksal dieser Anderwelt kann man mit der Wahl einer der beiden Fraktionen sowie seinen Entscheidungen beeinflussen. Zwar läuft das Spiel auf der PS5 nicht ganz flüssig, aber mir sind kaum Bugs begegnet. Ich bedanke mich für dieses feine Rollenspiel und wünsche dem Team viel Erfolg.


(Bilder: Drova, PS5, Just 2D, Deck13, eigene Aufnahmen)


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