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Spiele des Jahres 2023: Meine neun Favoriten (Teil 1, 2 & 3)

Schon zum Start von Spielvertiefung hat sich das mit den neun Titeln bei den Spielen des Jahres eingeschlichen. Das lag vielleicht auch daran, dass die Neun mal als heilige Zahl galt - mehr dazu in dieser Vertiefung zur germanischen Mythologie, die es als bisher siebenteilige Podcast-Reihe für Steady-Unterstützer gibt.


Und mit diesem dritten Mal ist es dann wohl langsam eine Tradition, also blicke ich mal kurz zurück auf die Gewinner der letzten beiden Jahre: 2021 hieß mein Favorit Returnal, dicht gefolgt von The Forgotten City und dahinter Metroid Dread; die komplette Liste findet ihr hier zum Lesen und Hören. 2022 führte kein Weg an Elden Ring vorbei (die Erweiterung naht!), dahinter überraschte mich Signalis vor God of War: Ragnarök; die komplette Liste findet ihr hier.


Schiffahrt-Plakat-Adventskalender aus dem digitalen Archiv des Maritimen Museums Hamburg.

Auch diesmal haben es einige kleine, aber feine Spiele in die Auswahl geschafft.

Angesichts der Fülle an Qualität war das sogar kniffliger und ich hatte zum ersten Mal fast zwanzig Titel im Blick. Und das, obwohl ich nur die Spiele in Betracht ziehe, die ich entweder in einer Rezension (auch geheim als Flaschenpost) oder als Kurzkritik in einer Breitseite besprochen habe. Und das heißt natürlich, dass ich einiges mit Potenzial wie Colony Ship oder Six Ages 2 einfach zu wenig oder gar nicht gespielt habe und deshalb weglasse. Einige Rollenspieler schwärmen z.B. von Octopath Traveller II, das Kletter-Adventure Jusant wird gelobt, Humanity soll als Rätselabenteuer mit Lemmings-Flair klasse sein und Ben hat mir den abstrakten Plattformer Worldless mehrfach empfohlen.


Nicht zu vergessen Starfield oder Marvel's Spider-Man 2, die mich aber - aus unterschiedlichen Gründen - wenig reizen. Vieles davon wandert dann ins Schleppnetz (gaaaaanz unten im Logbuch, ist erstmal eine Notlösung). Darin tummeln sich Spiele, die mich im Ansatz neugierig machen, aber für die ich keine Zeit finden konnte - Ender Lilies zappelte z.B. einige Jahre darin, bis ich es kürzlich in der Breitseite#11 vorgestellt habe, die es sogar anführt.


Was ich neben Erweiterungen ebenfalls nicht berücksichtige sind Remakes oder Remaster. Aber weil dieses Jahr ganz im Zeichen der Comebacks stand, gibt es eine kleine Gewichtung: Bis auf Advanced Wars I + 2 Reboot Camp haben mir Dead Space, Resident Evil 4 und System Shock richtig gut gefallen, aber mein Favorit wäre Metroid Prime Remastered. Und ich freue mich unheimlich auf den vierten Teil für Switch 2.


Einige der prominenteren Abenteuer haben mich hingegen ernüchtert oder höchstens solide unterhalten, wie z.B. Hogwart's Legacy, Atomic Heart, Sonic Superstars, Total War: Pharaoh, Atlas Fallen, Gollum, Assassin's Creed Mirage oder Final Fantasy 16. Und bei den Soulslikes konnte mich Wo Long: Fallen Dynasty schon Anfang des Jahres nicht abholen. Lords of the Fallen, Lies of P und vor allem Remnant 2 waren unterhaltsamer, aber so richtig gerockt hat mich keines davon.


Aber bevor ich jetzt zu viel ausschließe, hier sind meine neun Favoriten des Jahres 2023:


Platz 9: Bzzzt (PC)


Okay, ich mag Roboter und freu mich schon auf den Nachfolger von Astro's Playroom. Aber dieses kleine, unheimlich charmante Jump'n Run hat es natürlich nicht deshalb in meine Auswahl der besten Spiele geschafft. Denn was Karel Metejka hier als Solo-Entwickler abliefert, hat sogar Super Mario Bros. Wonder (SW) in meiner Gunst übersprungen. Das hab ich zwar kooperativ gerne gespielt, aber als Solist bevorzuge ich diesen fast perfekt designten Präzisions-Plattformer, der sogar von einer netten Story rund um einen verrückten Wissenschaftler umrahmt wird.



Bzzzt hat mir schon nach wenigen Spielminuten ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Das bunt-futuristische Artdesign und die Musik sorgen für nostalgisches Flair und man erlebt bei akkurater Steuerung mit Sprung, Doppelsprung und Dash die Kernfaszination dieses Genres. Während man goldene Schrauben sammelt, Wachrobotern und Fallen ausweicht, blinkt und brutzelt es in clever designten Arealen. Es geht um punktgenaues Ausweichen und Hüpfen, zumal der optimale Run durch einen Level belohnt wird und Bosse für Highlights sorgen. Ich drücke die Daumen, dass ZX8000 auch bald auf Konsolen die Welt retten darf.




Dieses Storytelling-Adventure vom französischen Parallel Studio steht in einer Tradition, die von Dear Esther bis Firewatch und Detroit: Become Human reicht und über die Jahre immer interaktiver wurde. Man erlebt den Alltag von Stan, der als Taucher und Hausmeister eines Ölkonzerns einsam in der Nordsee unterwegs ist, die man als offene Welt samt kleiner Quests tauchend oder im Mini-U-Boot entdecken kann. Das Sammeln und Reparieren wirkt zunächst recht gewöhnlich, aber es entsteht eine eindringliche Atmosphäre in toller Kulisse und 70er-Jahre-Futuristik.



Die natürlichen Gespräche mit seinem Kumpel und die Wehmut ehemaliger Fischer, die jetzt für einen Konzern das Meer ausbeuten, trifft bald auf private Spannungen und bedrohliche Entwicklungen in idyllisch-majestätischer Tiefsee. Man kontrolliert Stationen, stöbert in Wracks, begegnet schlafenden Walen, erkundet finstere Gräben wie Dungeons und begegnet dabei den bösen Geistern seiner Vergangenheit. Das ist ein sehr stimmungvsolles Unterwasser-Abenteuer mit Mystery-Flair und Gesellschaftskritik, das übrigens in Kooperation mit der Surfrider Foundation auf den Schutz der Ozeane aufmerksam macht.




Um von diesem besonderen Spiel fasziniert zu werden, müssen vermutlich zwei Leidendschaften zusammen fließen: jene für Bücher und jene für Brett- bzw. Kartenspiele. Und ich liebe es, wenn man Spiele wie geheimnisvolle Artefakte ergründen muss, weil man sie nicht sofort durchschauen kann. In diesem Fall geht es nicht um klassische Rätsel, sondern um die geheimnisvollen Zusammenhänge eines Abenteuers, in dessen Zentrum eine uralte Bibliothek an der englischen Küste des Jahres 1936 steht. Von Beginn an liegt ein nebulöser Schleier über der Spielmechanik und der Story, so dass man tatsächlich wie ein Gestrandeter umher irrt, um einen Weg in den Küstenort zu finden.



Book of Hours ist ein okkult-mysteriöses Adventure mit Brettspielflair, bei dem man von Ort zu Ort navigiert und Karten mit Symbolen ausspielt, so dass es wie ein strategisches Tarot anmutet. Aber was zunächst abstrakt wirkt, entwickelt bald kombinatorische und erzählerische Reize, wenn man die ersten Räume der Bibliothek renoviert und seine Sammlung an Büchern ausweitet. Und je nach thematischen Schwerpunkten kann man nicht nur die Art der Besucher und Ereignisse beeinflussen, sondern sich selbst über den Fähigkeitenbaum der neun Weisheiten quasi vom Archäologen bis zum Esoteriker entwickeln. Alexis Kennedy hat übrigens auch das eindringliche Sunless Sea designt, das ich ebenfalls sehr schätze.




2023 war das Jahr der kleinen, aber überaus feinen maritimen Abenteuer. Zwar hat es das (sehr coole!) Dave the Diver nicht in diese Liste der besten neun Spiele geschafft, aber nach Under the Waves ist auch Dredge dabei, das mir mit seiner gemütlichen Unheimlichkeit und der langsam anwachsenden Spannung viele schöne Nachmittage beschert hat. Auf den ersten Blick ist das nur ein unspektakulärer Angel-Trip mit einem Fischkutter. Man schippert umher, puzzelt seinen Fang an Bord zurecht und verkauft ihn, um sein Boot aufzurüsten. Aber wenn die Sonne untergeht...



...schleicht sich etwas heran. Spätestens wenn man die ersten grotesk mutierten Fische angelt, für die sich die leicht depressiven Einheimischen interessieren, wird aus einer einfachen Angel-Sim in Pastellfarben eine geheimnisvolle Lovecraft-Geschichte in Nebelschwaden. Man kann böse überrascht, erschrocken und verfolgt werden. Aber das Spielgefühl bleibt trotz des Horrorflairs ein gruselig entspanntes, zwischen Entdeckung, Sammlung, Mystery und Rollenspiel schwankend. Dieses Spiel von Black Salt Games war für mich noch vor Buzzz die stärkste Independent-Premiere des Jahres 2023. Ach so, kürzlich erschien die Erweiterung Pale Reach.



Jeppe Carlsen hat nach Limbo und Inside mal wieder seine Kreativität demonstriert - und zwar auf eine frische Art. Cocoon ist ein wunderbar klarer, herrlich reduzierter und hochprozentiger Rätselshot, der einem ohne Worte rein spielerisch durch den Rachen jagt. Danei wird das Gehirn so kreativ verzwirbelt, dass man sich wie ein Planetenwanderer in einer organisch galaktischen Kugelbahn fühlt. Auch A Highland Song und Chants of Sennaar haben mich dieses Jahr auf tolle Art knobeln lassen, beide waren ebenfalls Kandidaten für diese Liste, aber Cocoon hat länger nachgebrannt.




Als humanoide Zikade rätselt man sich durch eine Kulisse insektoider Futuristik, in der das Organische auf Hightech und Pflanzen auf Mega-Maschinen treffen. Der Kern der Spielmechanik besteht aus einer Fülle an Aufgaben von simpel über fordernd bis komplex. Weil es keinerlei Hinweise gibt, sorgen schon die ersten Lösungen für eine Freude wie in Tunic. So richtig faszinierend wird es, wenn man die Kugelwelten entdeckt, die nicht nur als tragbare Artefakte und Teleporter dienen, sondern auch ineinander stapelbar und kombinierbar sind. Und so versinkt man, von einem klasse Synthi-Soundtrack begleitet, in einem Labyrinth aus Rätseln.




Warum ich (bis heute!) in Wartales versinken kann, ist gar nicht so einfach zu erklären. Denn in diesem Taktik-Rollenspiel wird rundenweise gekämpft, mit der Beute entwickelt man seine Söldner und erkundet eine mittelalterliche Fantasywelt samt kleiner Quests - alles wie gehabt. Aber hier entsteht ein besonderes Abenteuer-Flair, das mich an meine Amiga-Zeit erinnert, an das Spielgefühl eines Rings of Medusa (1989) oder Dungeon Master (1987). Auch hier ist diese Stimmung zwischen Melancholie und Gnadenlosigkeit, zwischen Wanderlust und Kampfgewitter, zwischen Gemütlichkeit und Dringlichkeit.



Obwohl es immer wieder um Leben und Tod geht, obwohl man manchmal mit jedem Hieb mitfiebert, kann man im Gegensatz zu gnadenloseren Spielen wie Darkest Dungeon II entspannt Regie führen. Man wählt seine Route, seine Herausforderungen, seine Feinde und schreibt letztlich seine eigene Geschichte. Man kann so brutal vorgehen wie der Blutige Mummenschanz in Das Lied von Eis und Feuer, man kann versklaven und Gefangene auspeitschen, oder versuchen sich so edel zu verhalten wie Robin Hoods Bande. Shiro Games konnte mit Evoland (2013, 2015) und Northgard (2017) bereits überzeugen. Aber mit Wartales liefert das Studio aus Bordeaux sein bisher bestes Spiel ab, das gerade um eine Piratenwelt erweitert wurde.




Je erfolgreicher und größer ein Studio wird, desto schwieriger wird es, das Wesentliche nicht aus den Augen zu verlieren. Manchmal kann das ein fast vergessenes Spiel sein, das viel zum Erfolg der Firma beigetragen hat. FromSoftware hat sich nicht nur an diese Wurzeln erinnert und nach über einem Jahrzehnt einfach die Mechs aus der Garage geholt, sondern die eigene, im Mittelmaß verstaubende Tradition regelrecht wachgeküsst, indem sie all ihre Erfahrungen aus der Soulsreihe haben einfließen lassen.


Zwar hat Hidetaka Miyazaki diesmal nicht das Spieldesign, sondern das Weltprinzip entworfen. Aber die Harmonie, in der Story, Szenario, Kampf und Kulisse in diesem sechsten Teil zusammenfließen, ist vielleicht auch eine Art von persönlicher Wiedergutmachung. Denn unter seiner Leitung erlebte Armored Core 4 im Jahr 2006 immerhin seinen Tiefpunkt auf PS3. Danach ließ er für viele Jahre die Finger davon und widmete sich bekanntlich seelenlosen Rittern, die nicht weniger als die Spielewelt eroberten.



Aber plötzlich wird all das, was diese Reihe in der Vergangenheit nur in Trailern suggerieren, aber nicht wirklich im Spiel realisieren konnte, als ebenso brachiale wie malerisch apokalyptische Mechfantasie lebendig. Von hunderten tödlichen Projektilen gejagt, kämpft man in offensiver Waghalsigkeit wie ein Raketen-Samurai mit Ungetümen aus Stahl. Wenn man dieser explosiven Gnadenlosigkeit mit Geduld, cleverer Waffentaktik und guten Reflexen begegnete, erlebte man kein Mittelmaß mehr wie noch anno 2012, sondern eines der besten Spiele des Jahres 2023.


Und wer hätte vor ein paar Jahren gedacht, dass ein Armored Core aus Japan mal zum Best Action Game in einer amerikanischen Show gekürt werden würde, wenn Spider-Man und Call of Duty dabei sind?




Was mich besonders bei den Game Awards gefreut hat: Baldur's Gate 3 wurde das Spiel des Jahres. Damit hatte ich angesichts eines Alan Wake 2, das zunächst viele Auszeichnungen einheimsen konnte, sowie eines The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom, nicht gerechnet. Hier trat ja die Reinkarnation des uralten Computer-Rollenspiels gegen modernes filmisches Spieldesign sowie eine der stärksten Marken der Welt an. Und eigentlich kann niemand Link in Höchstform schlagen. Nur war er das in diesem Jahr nicht, weshalb er in meiner Liste ebenso fehlt wie das hinsichtlich der Regie herausragende, aber spielerisch und auch erzählerisch nur solide bis gute Horror-Abenteuer.


Aber Baldur's Gate 3 hat mich ebenfalls beeindruckt, auch wenn es etwas länger dafür brauchte. Die Larian Studios knüpfen damit ähnlich leidenschaftlich wie anno dazumal CD Projekt RED an eine Tradition an. Und zwar an jene, die Bioware im Jahr 2000 begründete. Und dabei ist es mehr als ein nostalgischer Rückgriff, mehr als eine lizenzierte Hommage, sondern tatsächlich die moderne Wiedergeburt der klassischen Computer-Rollenspiele. Denn die Party-Interaktion und die Geschichte, die Charaktere und ihre Schicksale werden hier auf meisterhafte Art verwoben, man erlebt tolle Dialoge und offene Quests, fühlt sich mal an den Herrn der Ringe, mal an Dungeon-Crawler erinnert, während man mit seinen Gefährten mitfiebert und in taktisch anspruchsvollen Gefechten bestehen muss.



Zwar habe ich über die 120 bis 150 Stunden eine Liste an etwa dreißig Kontrapunkten notiert, denn so einiges nervt, manches ist überflüssig und das überfüllte Inventar ein Graus. Mir fehlt ähnlich wie im aktuellen Zelda die Reduzierung auf das Wesentliche, die Sexualisierung wirkt manchmal aufgesetzt und ich hätte mir mehr illustrative Hingabe gewünscht. Aber Baldur's Gate 3 ist auch ein sehr gutes Beispiel dafür, dass es in der Kritik nie um Perfektion gehen kann, sondern immer nur um Kompensation. Denn gerade in Rollenspielen können manchmal drei, vier Defizite von einer besonderen Wendung oder Entwicklung der Story pulverisiert werden.

Die Regie reißt das Ruder immer wieder so dramatisch um, dass einige Kontrapunkte quasi über Bord gehen. Man kämpft und rätselt ja nicht nur, man steigt nicht nur auf und hortet wie so oft, sondern fühlt mit. Man wird nicht nur taktisch, sondern auch geistig angeregt, wenn es um Leben und Tod, Macht und Ohnmacht geht. Ich hätte nach dem ersten Akt nicht gedacht, dass sich das Abenteuer derart steigern und im letzten Akt alle Fäden auf so herausragende, aber auch so gefährliche Art verbinden kann, dass ich mich kaum traute, einem davon konsequent zu folgen.


Baldur's Gate 3 beginnt ja mit einem kleinen Erdbeben, als ein Nautiloide abstürzt und ein paar Todgeweihte mit Larven im Kopf ausspuckt. Danach öffnet sich ein Höllenschlund an Möglichkeiten, als hätten H.P. Lovecraft und John Milton mal so richtig Lust auf Dungeons & Dragons gehabt. Ich hab mich in diesem verfluchten Paradies für Rollenspieler jedenfalls für mehrere Wochen verloren, ziehe den Hut und bedanke mich für dieses Meisterwerk.


Zur Rezension (drei Teile)



Dieses wunderbare Rätsel-Abenteuer von Croteam fehlte sowohl bei den Game Awards als auch vielen anderen Nominierungen. Und weil dieses Magazin Spielvertiefung heißt, weil es sich auch mit kulturellen Bezügen über das Zocken hinaus beschäftigt, möchte ich es dieses Jahr besonders herausheben, obwohl hier natürlich auch Baldur's Gate 3 stehen könnte.


The Talos Principle 2 steht in meiner Wertschätzung so weit oben, weil es in schwierigen Zeiten, so abgedroschen das klingen mag, so etwas wie Hoffnung in die Menschheit vermitteln kann. Nicht mit einer weiteren Heldengeschichte oder dramatischen Tragödie, die an der Oberfläche mit persönlichen Schicksalen emotionalisiert. Sondern mit einer Kultur der Gedanken. In Zeiten hitziger Debatten und apokalyptischer Aussichten kann dieses Spiel tatsächlich wie ein rationaler Spiegel wirken und dabei für eine Art optimistische Ruhe sorgen.


Und im Kern ist es ein ausgezeichnetes Rätsel-Abenteuer, das in der Tradition von Portal & Co steht, aber das Knobeln auf ein neues Niveau hebt. Dieses Spiel weckt mit seinen monumentalen Bildern, mit dem Kontrast aus mythologisch Vertrautem und futuristisch Unbekanntem auf überaus elegante und ästhetisch anziehende Art die Neugier. Umgeben von beeindruckender brutalistischer Architektur meistert man über knapp 30 Stunden anspruchsvolle Logikaufgaben und erlebt auf einer mysteriösen Insel deutlich mehr Abenteuerflair als noch im sehr guten Vorgänger.



Der Spieler schlüpft in die Rolle eines hoch entwickelten Androiden, aber gleichzeitig staunenden Kindes. Und das begegnet dem Geheimnis einer Welt, in der die Menschheit längst körperlich ausgestorben ist und als Geist in Maschinen weiterlebt. All das wirft natürlich Fragen nach der Art des Untergangs sowie der Unsterblichkeit auf, die schon uralte Mythologien und Religionen stellten, und die im so genannten Transhumanismus bis heute diskutiert werden. An diesen Themen hätte das Spiel scheitern können, wenn es sie einfach nur als Texte ausgelagert hätte.


Aber regelrecht verblüfft hat mich die herausragende Qualität der natürlichen Dialoge sowie die lebendige Kommunikation, die selbst Alan Wake 2 übertrifft. Und parallel zur Geschichte einer politisch differenzierten Androiden-Gesellschaft werden Charaktere wie in einem Rollenspiel aufgebaut. Während man rätselt entwickelt man also auch mehr oder weniger Sympathien zu unterschiedlichen Persönlichkeiten. The Talos Principle 2 spricht zwar mit seinen physikalischen Herausforderungen primär die Intelligenz an, aber gleichzeitig die eigene Haltung zur Welt.


Es sensibilisiert dabei auf kreative Art, ohne Schwarz und Weiß zu malen, für das Abwägen der Gedanken und einen natürlichen Dissens samt seiner Graustufen. Es stellt zeitlose Fragen, die jede Generation von der Antike bis heute und in die Zukunft beschäftigen werden, ohne dass es einfache Antworten geben würde. In diesem utopischen Abenteuer um eine längst überwunden geglaubte Menschheit habe ich nicht nur außergewöhnlich clever designte Rätsel und verblüffend gute Dialoge, sondern tatsächlich so etwas wie Weisheit gefunden. Und mehr kann ich von einem Spiel nicht erwarten.


Die Spiele des Jahres 2023 sind auch als exklusiver Podcast für Steady-Unterstützer verfügbar.


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